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„Digitale Technologien sind kein Selbstzweck“

Im Gespräch mit Steinbeis-Unternehmer Professor Dr. Steffen Jäckle

Vertrieb ist nicht alles, aber ohne Vertrieb geht nichts! Dass auf dem Weg zu einem auch im Digitalen erfolgreichen Vertrieb einige Hürden zu überwinden sind, weiß Professor Dr. Steffen Jäckle, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Business Development Excellence BDX. Die TRANSFER hat sich mit ihm zum Gespräch getroffen.

Herr Professor Jäckle, was sind die Herausforderungen speziell beim Vertrieb von Transfer- und Beratungsleistungen?

Die drei großen Herausforderungen sind: Vertrauen zu gewinnen, Ausdauer in der Akquise zu zeigen und Aufmerksamkeit zu erzielen.

Beim „Vertrauen gewinnen“ geht es darum, dass Beratung ein Vertrauensgut ist. Der potenzielle Kunde kann ex ante die Qualität der Leistung nur bedingt einschätzen. Das macht es oftmals für Neuanbieter schwer, insbesondere wenn kein Referenzprojekt vorhanden ist.

Ausdauer in der Akquise ist enorm wichtig, denn es kann sehr lange dauern, mitunter Jahre, bis zwischen einem Erstkontakt beim potenziellen Kunden wirklich der konkrete Beratungsbedarf vorhanden ist und folglich die Chance auf einen Auftrag besteht. Deshalb ist es wichtig, viele potenzielle Kunden anzusprechen und auf einen ausbalancierten Sales Funnel zu achten.

Bei der dritten Herausforderung geht es darum, Aufmerksamkeit in der potenziellen Zielgruppe zu erreichen. Die technischen Einstiegsbarrieren sind im Vergleich zu früher heute deutlich geringer, aber das gilt natürlich für alle Anbieter, sodass die Wahrnehmung in der Zielgruppe eine große Herausforderung bleibt.

Und was sind die Erfolgsfaktoren dabei?

Die Erfolgsfaktoren lassen sich gut den drei Herausforderungen zuordnen. So lässt sich Vertrauen am besten über ein erfolgreiches Referenzprojekt erzielen. Daher muss gerade das erste Projekt absolute Priorität haben, selbst wenn der Deckungsbeitrag darunter leiden sollte. Eine etablierte Marke wie Steinbeis hilft ebenfalls, Vertrauen in der Zielgruppe aufzubauen.

Nehmen wir die nächste Herausforderung, die Ausdauer in der Akquise: Hier sollten die Berater mehr potenzielle Kunden ansprechen und am Anfang keinesfalls mit einer zu geringen Schlagkraft zu Werke gehen.

Um schließlich Aufmerksamkeit zu erzielen, bedarf es eines stimmigen Kanal-Mixes und relevanten Contents. Das bedeutet, dass man nicht nur Owned Media, also eigene Kanäle wie die Unternehmenswebsite bespielt, sondern einen stimmigen Mix aus Shared-Kanälen, wie Social Media/Kooperationen, und gegebenenfalls auch Paid-Kanälen anstrebt. Viele Unternehmen wissen nicht, was wirklich für ihre Zielgruppe relevant ist – das gilt es herauszufinden.

In Ihrem Steinbeis-Unternehmen sorgen Sie dafür, dass aktuelle Forschungserkenntnisse in Unternehmen transferiert werden: Wie sind die derzeitigen Forschungsfragen im Vertriebsbereich und in welcher Form spiegeln sich diese in der Wirtschaft wider?

Aktuell ist eine der größten Herausforderungen im B2B-Vertrieb die Neukundenakquise. In der Vergangenheit wurden Neukunden oftmals über Präsenz-Events, in erster Linie Messen, Kongresse und Ähnliches, gewonnen. Diese Vorgehensweise ist pandemiebedingt obsolet geworden und es ist eine gesicherte Erkenntnis, dass sich die Vor-Covid-Verhältnisse nicht mehr einstellen werden. Unternehmen müssen aber neue Kunden gewinnen, das ist eine sehr spannende Herausforderung, an der wir aktuell forschen. Es zeigt sich, dass es mit digitalen Tools gelingen kann neue Kunden zu gewinnen. Die große Herausforderung hierbei ist, dass diese neuen Tools neue Fähigkeiten der Mitarbeiter erfordern – manche Organisationen und speziell eher veränderungsunwillige Mitarbeiter haben die Hoffnung, dass die „guten alten Zeiten“ wiederkommen mögen, aber diese Hoffnung trügt! Die Zeit ist heute eine andere.

Welchen konkreten Mehrwert haben wissenschaftsbasierte Vertriebskonzepte und -ansätze in der Praxis?

„Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“, hat schon Immanuel Kant erkannt, aber im Ernst: In keiner anderen Unternehmensfunktion, nur im Vertrieb werden wissensbasierte Konzepte von den „Praktikern“ derart oft belächelt. Es wird immer wieder behauptet, dass im Vertrieb die Kernpunkte bauchgetrieben sind. Das ist falsch! Bessere Entscheidungen basieren auf fundiertem, belastbarem Wissen, auch und gerade im Vertrieb. Ohne einen konzeptionellen Ansatz ist erfolgreicher Vertrieb heute nicht mehr möglich.

Zu Ihren Schwerpunktthemen gehört die digitale Transformationsexzellenz: Was verbirgt sich dahinter?

Den Chancen, die digitale Technologien offerieren, kann sich kein Unternehmen verschließen. Sie bieten ein Mehr an Kundennutzen und ermöglichen eine effizientere Leistungserstellung. Gerade im Vertrieb ergeben sich viele neue Chancen. Ein Beispiel hierfür: Kleine mittelständische Unternehmen sind mittlerweile in der Lage neue Exportmärkte ausschließlich online zu erschließen. Die Einstiegsbarrieren sind, technologiegetrieben, auf ein Minimum reduziert. Ein weiteres Beispiel: Ein Treppenlifthersteller konnte den Aufwand für den Außendienst für das Ausmessen von Stufen und Geländer beim Kunden mit Augmented-Reality-Brillen um mehr als 50 % reduzieren. Die Zeit von der Bestellung bis zum Einbau wurde von sieben Wochen auf zehn Tage reduziert, da die Daten von Beginn an digital vorliegen.

Das ist ein klarer Mehrwert und den erkennen auch die Vertriebsmitarbeiter an – Ziel muss es sein, mit digitalen Technologien mehr Geschäft zu erzielen. Umgekehrt gilt natürlich auch: Wenn diese Technologien keinen Mehrwert erzeugen, dann erkennen dies die Mitarbeiter meist sehr schnell und verweigern sich im schlimmsten Fall – in diesen Fällen zu Recht! Digitale Technologien sind kein Selbstzweck, sondern müssen mehr Kundennutzen und größere Effizienz in der Leistungserzeugung bieten.


 

Kontakt

Prof. Dr. Steffen Jäckle (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Business Development Excellence BDX (Ravensburg)

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