Nach der Krise ist vor der Krise

Die Steinbeis Advanced Risk Technologies Group hat eine Cloud-Plattform entwickelt, die das Management einer Krise ermöglicht und optimal begleitet

Mehr als jede andere Krise zuvor ist die Corona-Pandemie wahrscheinlich die bei Weitem globalste, nicht nur in geografischer Hinsicht. Neben den gesundheitlichen Aspekten werden die wirtschaftlichen Auswirkungen vor allem für ohnehin schon Not leidende Bevölkerungsteile weltweit dramatisch sein. Die momentane Situation ist deshalb einzigartig, weil der Auslöser eines der ersten global erlebten Risiken zu sein scheint. Kam dieses Risiko überraschend auf? Die breite Öffentlichkeit wird diese Frage vermutlich mit „Ja“ beantworten, Experten verneinen dies vehement. Organisationen wie das Weltwirtschaftsforum, die OECD oder die WHO warnen seit mehr als zwei Jahrzehnten ausdrücklich vor neuen Risiken in Verbindung mit pandemischen Ausbrüchen, die mit einer schnellen Übertragung der Erreger von Mensch zu Mensch einhergehen und bei denen die Menschen keine oder nur eine sehr geringe Immunität aufweisen, keine Impfstoffe existieren und eine Versorgung mit antiviralen Medikamenten unzureichend oder nicht vorhanden ist. Die Steinbeis Advanced Risk Technologies Group (R-Tech) hat eine cloudbasierte Plattform entwickelt, die ein Portfolio an Lösungen für Krisensituationen bereitstellt.

Die erwarteten Folgen der Corona-Pandemie sind besorgniserregend: Laut UNO wird die Zahl der extrem armen Menschen mit einem Einkommen von weniger als zwei Euro am Tag auf voraussichtlich über 100 Millionen ansteigen. Die Zahl derer, denen es an einer einfachen Unterkunft und sauberem Wasser mangelt, könnte in diesem Jahr 0,5 Milliarden erreichen und damit nahezu ein Jahrzehnt des Fortschritts zunichtemachen. Darüber hinaus wird erwartet, dass es enorme Unterschiede in der wirtschaftlichen Erholung geben wird zwischen den Volkswirtschaften, die die Krise gut gemeistert haben, und denjenigen, denen das nicht gelungen ist.

Wäre es möglich gewesen, der aktuellen Pandemie besser vorbereitet zu begegnen und so die Folgen abzumildern? Der Global Risk Report des Weltwirtschaftsforums warnte schon 2006, dass wenn es nicht mehr gelänge, ein Virus mit Pandemierisiko einzudämmen und Infektionen von Mensch zu Mensch an der Tagesordnung wären, „die Verwundbarkeit unseres vernetzten globalen Systems die Auswirkungen auf den Menschen und die Wirtschaft verstärken würde. Die weltweite Verbreitung würde durch globale Reisemuster und unzureichende Warnmechanismen erleichtert werden. Zu den kurzfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen würden schwerwiegende Beeinträchtigungen des Reiseverkehrs, des Tourismus und anderer Dienstleistungsbranchen sowie der Lieferketten in der Produktion und im Einzelhandel zählen. Tiefgreifende Verwerfungen in den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen sind möglich“.

2020 beeinträchtigt die Corona-Pandemie nicht nur die globale Gesundheitsinfrastruktur, sondern auch die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen weltweit. Ihr Ende ist aktuell nicht absehbar, aber einige der wichtigsten Lehren sind für die Experten der Steinbeis Advanced Risk Technologies Group schon jetzt offensichtlich und müssen in die zukünftigen Lösungsansätze einfließen:

  1. GLOBAL: COVID-19 wird nicht die letzte Krise dieser Art sein, weitere globale Schocks ausgelöst durch Pandemien oder andere aufkommende Risiken wie Wetterextreme, globale Unruhen oder Cyberkriminalität werden folgen. Alle Interessengruppen und die Gesellschaft als Ganzes müssen an der Suche nach Lösungen und deren Umsetzung beteiligt werden.
  2. RESILIENZ: COVID-19 hat augenscheinlich gezeigt, dass Gesellschaften mit solchen Risiken proaktiv und „resilienzorientiert“ umgehen müssen: Resilienz ist laut ISO „die Absorptions- und Anpassungsfähigkeit in einem sich wandelnden Umfeld”.
  3. ÜBER DIE AKUTE REAKTION („first response“) HINAUS: Die Handhabung einer Krise muss so erfolgen, dass alle Aspekte vor, während und nach einer Katastrophe analysiert werden. Die derzeitigen Ansätze konzentrieren sich oft nur auf die erste, akute Reaktion – zu Beginn der Corona-Pandemie lag das Hauptaugenmerk auf den Intensivpflegebetten, sechs Monate später sprachen wir eher über die Wirtschaft.

Intelligente Cloud-Plattform bietet Indikatoren-basierte Lösungsansätze an

In einer Reihe von EU-Projekten hat die Steinbeis Advanced Risk Technologies Group (R-Tech) gemeinsam mit dem European Risk & Resilience Institute (EU-VRi) ein Portfolio an Lösungen entwickelt, das diese drei Anforderungen erfüllt – und die Entwicklung an diesen Lösungen geht weiter. „Das Portfolio basiert auf einer intelligenten, webbasierten Cloud-Plattform, die es Regierungen, Behörden, Ersthelfern und anderen am Katastrophenmanagement beteiligten Akteuren ermöglicht, auf eine gemeinsame Basis für den Informationsaustausch und die Entscheidungsfindung zuzugreifen“, erläutert Steinbeis-Unternehmer Professor Dr.-Ing. Aleksandar Jovanovic den Ansatz. Risiken und Resilienz werden auf eine integrierte Art und Weise behandelt, innerhalb eines Rahmens, der alle Phasen eines Krisenzyklus abdeckt:

  • Phase I: Risiken verstehen
    Diese Phase läuft vor einem unerwünschten Ereignis ab. Sie erkennt und überwacht möglichst früh aufkommende Risiken und weist auf sie hin.
  • Phase II: Antizipieren/vorbereiten
    Auch diese Phase tritt noch vor dem Eintreten eines unerwünschten Ereignisses in Kraft. Sie umfasst die Planung und Entwicklung von proaktiven Anpassungsstrategien.
  • Phase III: Absorbieren/standhalten
    Sie setzt in der Anfangsphase des unerwünschten Ereignisses an und beinhaltet die Analyse der Schwachstellen und der möglichen Domino-/Welleneffekte.
  • Phase IV: Reagieren/wiederherstellen
    Diese Phase konzentriert sich darauf, das unerwünschte Ereignis so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen. Sie schließt auch den Zeitraum der Wiederherstellung und die Erholung nach dem Ereignis mit ein.
  • Phase V: Anpassen/umgestalten
    Diese Phase umfasst Verbesserungen an der Infrastruktur und hat damit wesentlichen Einfluss darauf, ob die Infrastruktur nach dem Ereignis resilienter und nachhaltiger umgestaltet wird.

 

Analyse der Coronasituation in verschiedenen Ländern

 

Die Analyse von Risiken basiert auf aktuell mehr als 5.000 in der Datenbank des Systems hinterlegten Indikatoren. Einzelne Tools ermöglichen es, verschiedene Arten der Risiko- und Resilienzanalysen durchzuführen, wie zum Beispiel die Bewertung der Resilienz in einem Einzelszenario, die Überwachung der Resilienz über die Einsatzzeit hinweg, Resilienzvergleiche („Benchmarking“) in verschiedenen Infrastrukturen und Ähnliches. Die interaktive Visualisierung hilft dabei, die Ergebnisse von oft sehr komplexen Analysen zu verstehen und ein großes Spektrum an Was-wäre-wenn-Vergangenheits- und Zukunftsszenarien sowie Module zur Unterstützung von Entscheidungen und für Stresstests zu betrachten. Sie tragen dazu bei, in komplexen Situationen optimale Lösungen zu finden.

 

Die Modellierungstools ermöglichen sowohl die Analyse vergangener Krisenereignisse
(links: Erholung Chinas nach dem Corona-Ausbruch, © „The Economist“ 2020) als auch von Was-wäre-wenn-Szenarien in der Zukunft

 

Das Lösungsportfolio der Steinbeis Advanced Risk Technologies Group kam in einer Reihe umfangreicher Fallanalysen von Katastrophen zum Einsatz, beispielsweise für 122 Krankenhäuser in Österreich. Es findet auch in komplexen Szenarien wie bei Smart Cities, Häfen, Wasser- und Energieversorgung und anderen Infrastrukturen Anwendung.

 

Bewertung und Visualisierung der Resilienz (links: 122 Krankenhäuser in Österreich) sowie Szenarien und Interdependenzen
(rechts: ein Hafen in Slowenien)

 

Jeder neue Anwendungsfall führt zu bisher nicht gekannten Herausforderungen und damit verbunden neuen Lösungen, wobei stets die praktische Anwendbarkeit der technologischen Innovation gewährleistet sein muss.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Aleksandar Jovanovic (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Advanced Risk Technologies (R-Tech) (Stuttgart)
www.risk-technologies.com

Dr. Jörg Bareiß
Geschäftsführer
Steinbeis Advanced Risk Technologies GmbH (Stuttgart)
www.risk-technologies.com

Dr. Somik Chakravarty
Mitarbeiter
Steinbeis Advanced Risk Technologies GmbH (Stuttgart)
www.risk-technologies.com