…oder: Zukunftskompetenzen und lebenslanges Lernen im digitalen Wandel
Dass sich Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung im Zeitalter künstlicher Intelligenz, fortschreitender Digitalisierung und demografischer Veränderungen erneuern müssen, ist unumstritten: Sogenannte transformative Kompetenzen ergänzen das Spektrum klassischer, digitaler und technologischer Fähigkeiten und formen damit das Bild der Zukunftskompetenzen. Es stellt sich daher die Frage: Was also lernen wir in Zukunft – für die Zukunft? Der Steinbeis-Experte Dr. Thomas Ehrl vom Steinbeis-Beratungszentrum FUTURE OF WORK hat sich für die TRANSFER mit dieser Frage auseinandergesetzt.

Übersicht und Beispiele für Zukunftskompetenzen
Die Arbeitswelt befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess, der durch technologische Innovationen, gesellschaftliche Veränderungen, den demografischen Wandel und insbesondere durch die zunehmende Integration künstlicher Intelligenz (KI) geprägt ist. Diese Entwicklungen fordern von Unternehmen und ihren Beschäftigten eine hohe Anpassungsfähigkeit und Innovationsbereitschaft.
Personalentwicklung und betriebliche Weiterbildung stehen dabei vor der Aufgabe, nicht nur klassische und digitale Kompetenzen zu fördern, sondern auch sogenannte transformative Kompetenzen zu integrieren – Zukunftskompetenzen, die das Fundament zukünftiger Beschäftigungsfähigkeit bilden.
Zentrale Zukunftskompetenzen
Zukunftskompetenzen oder „Future Skills“ umfassen ein breites Spektrum an Fähigkeiten und Kenntnissen, die über traditionelle Fachkompetenzen hinausgehen und in den kommenden Jahren branchenübergreifend an Relevanz gewinnen werden. Die Notwendigkeit diese Kompetenzen zu entwickeln ergibt sich unter anderem aus drei Faktoren:
- Der technologische Fortschritt, insbesondere Digitalisierung und Automatisierung, verändert Arbeitsprozesse grundlegend und erfordert neue Qualifikationen – etwa im Umgang mit Daten, Netzwerken, Software und KI-Anwendungen.
- Die zunehmende globale Vernetzung macht internationale Zusammenarbeit wichtiger denn je. Interkulturelle Kompetenzen sowie die Fähigkeit, in diversen Teams effektiv zu agieren, sind heute unerlässlich.
- Der demografische Wandel stellt Unternehmen vor die Herausforderung, dass Beschäftigte sich kontinuierlich weiterbilden müssen, um mit den sich schnell verändernden Technologien Schritt zu halten.
Darüber hinaus sind Unternehmen zunehmend gefordert, nachhaltige Prozesse und Strategien zu implementieren – was spezifische Kompetenzen im Bereich ökologischer und sozialer Verantwortung voraussetzt.
Im Zentrum der Zukunftskompetenzen stehen vier Bereiche:
- Technologische Kompetenzen: Sie beziehen sich auf das Verständnis, die Anwendung und den sicheren Umgang mit modernen Technologien, digitalen Systemen und Werkzeugen. In vielen Berufsfeldern sind sie unverzichtbar, um effizient und zukunftsfähig zu arbeiten.
- Digitale Schlüsselkompetenzen: Sie beinhalten die Fähigkeit, digitale Technologien zu verstehen und anzuwenden – von grundlegenden IT-Kenntnissen bis hin zu spezialisierten Fähigkeiten wie Datenanalyse und dem Einsatz von KI oder Social-Media-Werkzeugen.
- Klassische Kompetenzen: Das sind grundlegende Fähigkeiten und Eigenschaften, die unabhängig von spezifischen Technologien oder Branchen für den beruflichen und persönlichen Erfolg entscheidend sind. Dazu zählen unter
anderem soziale, kommunikative und methodische Fähigkeiten. Die Kompetenz, eigene und fremde Emotionen zu erkennen, zu verstehen und konstruktiv zu beeinflussen, ist etwa für Zusammenarbeit und Führung – auch in virtuellen Teams – zentral. - Transformative Kompetenzen: Sie befähigen Menschen, sich flexibel an Veränderungen anzupassen, kreativ Innovationen voranzutreiben und die Zukunft aktiv mitzugestalten. In einer sich ständig wandelnden Welt sind Anpassungsfähigkeit, Agilität und Flexibilität im Denken und Handeln ebenso gefragt wie agile Methoden wie Scrum oder Kanban. Kontinuierliche Weiterbildung wird zur Voraussetzung für Beschäftigungsfähigkeit. Auch die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Aspekte wird zunehmend zur Schlüsselkompetenz.
Kompetenzentwicklung mit KI: Herausforderungen und Chancen
Der Einsatz von KI wird die Arbeitswelt grundlegend verändern. Routinetätigkeiten und administrative Aufgaben werden zunehmend automatisiert, wodurch Ressourcen für kreative, strategische und zwischenmenschliche Tätigkeiten frei werden. Gleichzeitig entstehen neue Berufsfelder, etwa im Bereich Big Data, Datensicherheit oder KI-Projektmanagement. Die wichtigste Konsequenz: ein fundamentaler Wandel der Kompetenzanforderungen. Neben digitalen Fähigkeiten gewinnen Soft Skills wie kritisches Denken, Veränderungsbereitschaft und kollaboratives Arbeiten an Bedeutung. Die Fähigkeit zur schnellen Adaption, die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und der souveräne Umgang mit Informationen und Medien werden zur Grundvoraussetzung, um in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt bestehen zu können.
Mit Personalentwicklung den Wandel gestalten
Zukunftskompetenzen sind der Schlüssel, um den Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeitswelt erfolgreich zu begegnen. Sie integrieren technologische, soziale, kreative und nachhaltigkeitsorientierte Aspekte und gehen weit über klassische Fachkompetenzen hinaus.
Die Personalentwicklung muss sich als Treiberin und Gestalterin dieses Wandels verstehen: durch die Implementierung innovativer Lernkonzepte, die Etablierung einer kontinuierlichen Lernkultur und die Befähigung der Mitarbeitenden, die Chancen der Zukunft aktiv zu nutzen. Nur so lässt sich die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in einer KI-dominierten und digitalisierten Welt sichern.
„Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig zu sichern“
Im Gespräch mit Dr. Thomas Ehrl, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Beratungszentrum FUTURE OF WORK
Herr Dr. Ehrl, Ihr Steinbeis-Unternehmen trägt den Namen FUTURE OF WORK: Welche Entwicklungen werden Ihrer Meinung nach die Arbeit der Zukunft prägen?
Die Arbeitswelt der Zukunft wird maßgeblich durch die fortschreitende Digitalisierung, technologische Innovationen wie den verstärkten Einsatz von KI sowie durch gesellschaftliche Veränderungen und den Fachkräftemangel geprägt sein. KI wird viele administrative Tätigkeiten automatisieren oder tiefgreifend verändern, während gleichzeitig flexible Arbeitsmodelle wie hybrides Arbeiten und flexible Arbeitszeiten zur Norm werden. Die Kompetenzorientierung rückt dabei in den Vordergrund: Nicht mehr formale Abschlüsse, sondern nachweisbare Fähigkeiten und kontinuierliches Upskilling bestimmen die Entwicklung der Arbeitskräfte. Führungskräfte übernehmen zunehmend die Rolle von Mentoren und Coaches, während sich Teams in flachen Hierarchien selbst organisieren und Verantwortung übernehmen. Werte wie Sinnhaftigkeit, ökologische und soziale Verantwortung sowie Vielfalt und Inklusion werden zu integralen Bestandteilen der Unternehmensstrategie.
Stichwort KI: Diese wird oft mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden. Halten Sie diese Sorgen für gerechtfertigt? Und wie wird KI die Arbeitswelt, die wir kennen, verändern?
Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt grundlegend transformieren, indem sie Routine- und Verwaltungsaufgaben effizienter gestaltet und Fehlerquellen minimiert. Gleichzeitig entstehen neue Berufsbilder, etwa im Bereich Big Data, Datensicherheit und KI-Projektmanagement. Der zentrale Wandel betrifft jedoch die Kompetenzanforderungen: Neben digitalen Fähigkeiten gewinnen Soft Skills wie kritisches Denken, Veränderungsbereitschaft und kollaboratives Arbeiten an Bedeutung. Lebenslanges Lernen wird zur unverzichtbaren Voraussetzung, um in einer dynamischen Arbeitswelt bestehen zu können. Die Veränderungen durch KI bieten nicht nur Herausforderungen, sondern eröffnen auch Chancen, sich auf kreative und strategische Tätigkeiten zu konzentrieren und gesellschaftliche Mehrwerte zu schaffen.
Welche Rolle spielt die Personalentwicklung in diesem Veränderungsprozess?
Personalentwicklung übernimmt eine Schlüsselrolle, um den technologischen Wandel menschlich, nachhaltig und zukunftsorientiert zu gestalten. Sie ist verantwortlich für die Entwicklung und Förderung der Kompetenzen, die in einer KI-geprägten Arbeitswelt benötigt werden, und trägt zur Etablierung einer kontinuierlichen Lernkultur bei. Darüber hinaus begleitet sie den kulturellen Wandel, agiert als strategische Partnerin der Unternehmensleitung und setzt sich für Empowerment sowie die Förderung von Resilienz ein. Ziel ist es, die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens durch datenbasierte Personalplanung und gezielte Skill-Gap-Analysen zu sichern.
Resilienz gewinnt zunehmend an Bedeutung. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür und wie kann diese Fähigkeit im Unternehmen gefördert werden?
Die gestiegene Bedeutung von Resilienz in Unternehmen ist eine direkte Reaktion auf die zunehmende Komplexität, Unsicherheit und Dynamik der Arbeitswelt. Resilienz ermöglicht es Beschäftigten, mit Veränderungen, Belastungen und Krisen konstruktiv umzugehen. Unternehmen sollten Resilienz auf vier Ebenen fördern: durch individuelle Trainings und Coachingangebote, durch Führungskräfte als Vorbilder einer resilienten Unternehmenskultur, durch organisationale Maßnahmen wie flexible Arbeitsmodelle und soziale Netzwerke sowie durch die strategische Verankerung und Messung von Resilienz in der Unternehmensführung.
Weiterbildung ist ein wichtiger Bestandteil der Personalentwicklung, steht aber selbst aktuell vor neuen Herausforderungen: Wie verändern sich Lernprozesse und wie kann die Personalentwicklung darauf reagieren, um weiterhin einen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten?
Lernprozesse werden zunehmend dynamischer, individueller, vernetzter und technologiegestützter. Die Herausforderung besteht darin, diese Veränderungen nicht nur technisch, sondern auch kulturell zu verankern, sodass Lernen als integraler Bestandteil der Arbeit wahrgenommen wird. Neue Lernkonzepte setzen auf die Antizipation zukünftiger Kompetenzbedarfe, die Individualisierung von Lernangeboten, die Integration von Lernen in den Arbeitsalltag, die Entwicklung unterstützender Führungskräfte, die Messbarkeit und Wirksamkeit von Personalentwicklungsmaßnahmen, die Förderung von Vielfalt und Inklusion sowie auf die digitale Transformation der Personalentwicklung selbst. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens nachhaltig zu sichern und Mitarbeitende optimal auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.
Dr. Thomas Ehrl ist autorisierter INQA-Coach und begleitet KMU bei Digitalisierungsprojekten. Als „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) unterstützen INQA-Coaches KMU auf dem Weg zu einer zukunftsorientierten Unternehmenskultur und tragen damit zur Fachkräftesicherung bei. INQA-Coaching ist ein Programm des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und bezuschusst KMU auf diesem Weg.
Weitere Informationen unter www.inqa.de
Kontakt
Dr. Thomas Ehrl (Autor, Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum FUTURE OF WORK (Recklinghausen)

