Ursula Schulz (obere Reihe links) und das Team des Gründergartens. © Stefan Wanke – done by fridge

Die Wirtschaft von morgen fördern: Heute säen, um morgen zu ernten

Die Steinbeis-Expertinnen Ursula Schulz und Jana Tisch im Gespräch mit den Wirtschaftsförderern Susanne Orlowski, Alexander Stengelin und Henriette Stanley

Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen sichern die Wirtschaftskraft von morgen. Aus diesem Grund gehört deren Förderung zu den klassischen Aufgaben der kommunalen Wirtschaftsförderung. Im Gründergarten Schwarzwald-Baar-Heuberg (SBH) haben sich elf Partner zusammengeschlossen, um die Gründungsaktivitäten der Region gemeinsam zu fördern. 2024 wurde das Netzwerk erneut als gründungsfreundliche Region ausgezeichnet. bwcon und das Steinbeis-Beratungszentrum Beteiligung und Nachfolge sind Mitinitiatoren des Netzwerkes und begleiten Gründerinnen und Gründer durch verschiedene Formate wie das Gründercamp, das Innovation Lab oder das Bootcamp Nachfolge. Für die TRANSFER haben Ursula Schulz (Steinbeis-Beratungszentrum) und Jana Tisch (bwcon) mit Susanne Orlowski (kommunale Wirtschaftsförderung Villingen-Schwenningen), Alexander Stengelin (kommunale Wirtschaftsförderung Rottweil) und Henriette Stanley (regionale Wirtschaftsförderung SBH) über die Herausforderungen und Freuden des Alltags in der Wirtschaftsförderung gesprochen.

Henriette Stanley (vorne), Susanne Orlowski (2. Reihe rechts) und Jana Tisch (3. Reihe links). © Stefan Wanke – done by fridge

Ursula Schulz: Warum engagiert ihr euch für das Gründungsnetzwerk Gründergarten SBH?

Henriette Stanley: Die zukünftige Wirtschaftskraft unserer Region Schwarzwald-Baar-Heuberg hängt maßgeblich von ihrer Innovationsfähigkeit ab. Start-ups und junge Unternehmen bringen neue Technologien, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle hervor, die zur Wettbewerbsfähigkeit der Region beitragen. Der Gründergarten SBH ist dabei ein wichtiges Ökosystem, um Gründerinnen und Gründer nicht nur mit Infrastruktur, sondern auch mit Wissen, Netzwerken und Finanzberatung zu unterstützen.

Alexander Stengelin: Als kommunale Wirtschaftsförderung hat man viele Handlungsfelder, die bespielt werden sollten. Gleichzeitig hat man endliche Ressourcen zur Verfügung, sodass man nicht in jedem Feld alles umsetzen kann, was man gerne möchte. Mir ist das Thema Gründung aber sehr wichtig. Dabei ein Netzwerk zu haben, das Veranstaltungen, Know-how und Kontakte bietet, gibt uns als Rottweiler Wirtschaftsförderung die Möglichkeit, Teil eines richtig guten Angebots für unsere Gründer zu sein.

Susanne Orlowski: Es ist sehr wichtig, sämtliche Angebote, Informationen und Experten für Gründer auf einer Plattform zu vereinen. Wie oft habe ich schon den Satz gehört: Wenn ich das gewusst hätte, dass ich mich an die Wirtschaftsförderung wenden kann, ich musste mir alle Informationen selbst zusammensuchen. Wir müssen die Gründer am besten schon vor der Gründung abholen.

Jana Tisch: Was sind die Vor- und Nachteile des interkommunalen Ansatzes?

Alexander Stengelin: Ich sehe fast nur Vorteile. Wir könnten das Ökosystem Gründergarten niemals allein in unserer Stadt in dieser Breite und Tiefe anbieten. Der einzige Nachteil, der mir einfallen könnte, wäre, wenn sich ein Gründer aus Rottweil für einen anderen Standort entscheiden würde, den er über den Gründergarten gefunden hat. Aber selbst das würde ich sportlich nehmen, dann hat es dort für das Start-up einfach besser gepasst.

Susanne Orlowski: Grundsätzlich darf Gründung keine Insel sein. Als Oberzentrum verfügen wir über vielfältige Alternativen, um für Start-ups geeignete Flächen zu bieten. Ich sehe hier keine Nachteile, sondern nur Vorteile für eine starke Region, von der alle Kommunen profitieren.

Henriette Stanley: In der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg gibt es 76 Kommunen – natürlich ist es eine gewaltige Koordinations- und Organisationsaufgabe, hier immer alle mit ins Boot zu nehmen und zahlreiche Interessen zu berücksichtigen. Für unsere wirtschaftsstarke Region ist es aber der einzige richtige Ansatz: Gemeinsam erreicht man einfach so viel mehr als im Einzelkämpfertum! Wir nutzen Synergien durch unser Netzwerk, wo wir nur können: Als regionale Wirtschaftsförderung stehen wir beispielsweise mit allen kommunalen Wirtschaftsförderinnen und -förderern in regem Austausch – und wo es die nicht gibt, geht der Kontakt direkt zu den Bürgermeistern. Wir können so Fachwissen teilen und umfassende Unterstützung in der Breite anbieten. Persönlich finde ich den interkommunalen Ansatz wunderbar und könnte auch kein anderes Modell mittragen.

Ursula Schulz: Mit welchen Themen kommen Gründer zu euch?

Susanne Orlowski: In der Regel kommen Gründer, die bereits den Gründungsgedanken haben, aber noch nicht so genau wissen, wie sie ihre Ideen umsetzen können, oder geeignete Flächen für ihr Unternehmen suchen. Hier treten wir in der Rolle eines Beraters auf und vermitteln die entsprechenden Experten aus dem Netzwerk. Vielfach wird auch eine baurechtliche Beratung zur Nutzung der gewünschten Räumlichkeiten benötigt.

Alexander Stengelin: Die Standortsuche ist der häufigste erste Kontakt. Das ist mir aber eigentlich schon etwas zu spät. Da wurde schon ein gewisser Teil der Reise zurückgelegt, oft schon in der Garage oder dem Wohnzimmer gegründet. Ich würde mich freuen, schon früher als Wirtschaftsförderung bei den Gründungsinteressierten auf dem Schirm zu sein, um Hilfestellung – auch über den Gründergarten – zu bieten.

Jana Tisch: Habt ihr eine Gründungsgeschichte, die euch besonders in Erinnerung geblieben ist?

Susanne Orlowski: Ja, ich glaube es ist jetzt etwa 15 Jahre her, da rief mich eine Gründerin an und sagte: „Ich brauche dringend einen Raum, am besten sofort. Bei mir sitzen Mörder am Küchentisch, wenn meine Kinder heimkommen.“ Da schluckt man erstmal. Dazu muss man aber sagen, dass sie als Antigewalttrainerin unterwegs ist. Heute ist sie mit elf Angestellten in eigenen Räumen und als Coach und Speakerin auch in Schulen und mit der Polizei unterwegs, bietet Seminare und schreibt Bücher. Sie arbeitet mit Familien, Jugendlichen und Kindern. Sie fängt da an, wo andere aufhören. Das zeigt, wie wichtig nicht nur technische Gründungen für Wirtschaft und Gesellschaft sind. Seit dieser Zeit ist sie ein stetiger Gast bei unserem Netzwerktreff WirtschaftsFrauen VS für Gründerinnen und Unternehmerinnen und als Speakerin bei unserem Frauenwirtschaftstag. Das Netzwerken und über den Tellerrand hinausschauen ist gerade in dieser Phase extrem wichtig.

Henriette Stanley: Ich bewundere alle Gründerinnen und Gründer – für ihren Mut, für ihre Ideen, für ihr Durchhaltevermögen. Und für mich sind alle Gründungsideen interessant – das kann eine super technische KI-Anwendung sein oder das Eröffnen eines Cafés. Yvonne Steeb zum Beispiel von der Suezen Lekkerey – wir haben so lange nach einer passenden Location für sie gesucht und einfach nichts Passendes gefunden. Kurzerhand hat Yvonne sich der Situation angepasst und steht jetzt mit ihrem kleinen Café-Hexenhäuschen in der Markthalle in Rottweil.

Alexander Stengelin: Es geht immer um die Menschen – die Gründungswilligen selbst. Die haben eine Idee und wollen sich nicht davon abbringen lassen und genauso soll es sein. Manchmal, eigentlich meistens, geht die Idee aber erstmal nicht so auf, wie man sich das erträumt hat. Entscheidend ist, was dann passiert. Lernt die Person etwas daraus? Hinterfragt sie sich, warum es nicht funktioniert hat? Hinterfragt sie die Idee, das Vorgehen, die Entscheidungen oder landet die Flinte endgültig im Korn?

Ursula Schulz: Das Thema Unternehmensnachfolge ist eine attraktive Alternative zur Neugründung. Wie unterstützt ihr als Wirtschaftsförderung Unternehmen und/oder Gründer bei der Suche?

Henriette Stanley: Laut IfM Bonn stehen in Deutschland bis 2027 rund 560.000 Unternehmen zur Übergabe an. In der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg haben wir durch unseren starken Mittelstand und viele familiengeprägte Betriebe eine große Anzahl an nachfolgebetroffenen Firmen. Seit 2024 steht das Thema im Gründergarten SHB mit mehreren Ansätzen verstärkt im Fokus: Das Bootcamp Nachfolge bringt potenzielle Nachfolger mit Unternehmerinnen und Unternehmern zusammen und vermittelt Know-how über Finanzierungsoptionen, rechtliche Aspekte und strategische Unternehmensführung. Zudem unterstützen wir mit individueller Beratung und Matchingformaten, hier ist gerade die IHK als Partnerin im Gründergarten sehr aktiv.

Jana Tisch: Alexander, bei der letzten Innovation Night ging es um „Gründung ungeschminkt“. Was verbindest du mit diesem Motto?

Alexander Stengelin: Tatsächlich hatte ich, bevor ich vor zwölf Jahren in den öffentlichen Dienst gewechselt bin, selbst neun Jahre lang ein beziehungsweise mehrere Start-ups. Daher weiß ich recht genau, wie so ein „Bootstrap“-Gründer-Alltag aussieht. Die Leute draußen sehen nur den Erfolg oder Misserfolg und bilden sich darauf ein Urteil. Welche Sorgen, Herausforderungen, Hoffnungen, Rückschläge, Minierfolge und vor allem unzählige Arbeitsstunden dahinterstehen, sieht man oft nicht. Da wird oft nur in „Winner“ oder „Loser“ getrennt. Was für eine unglaubliche Reise hinter jedem Gründenden steckt, sehen nur die, die sie begleiten.

Kontakt

Ursula Schulz
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Beratungszentrum Beteiligung & Nachfolge (Engen)
www.steinbeis-nachfolge.de

Jana Tisch 
Leiterin Regionalbüro Villingen-Schwenningen
Beraterin Geschäftsentwicklung & Innovationsprozesse
bwcon GmbH (Stuttgart)
www.bwcon.de

Susanne Orlowski (Interviewpartnerin)
Mitarbeiterin
WIR Villingen-Schwenningen GmbH (Villingen-Schwenningen)

Alexander Stengelin (Interviewpartner)
Stabstelle Wirtschaftsförderung
Stadt Rottweil

Henriette Stanley (Interviewpartnerin)
Geschäftsführerin
Wirtschaftsförderungs­gesellschaft Schwarzwald-Baar-Heuberg mbH (Villingen-Schwenningen)

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