Schritt für Schritt zum Erfolg
Trotz der Notwendigkeit der Digitalisierung scheitern immer noch viel zu viele Digitalisierungsprojekte. Woran liegt das und wie kann dies verhindert werden? Der Steinbeis-Berater Tobias Fischer hat für die TRANSFER die Ursachen des Scheiterns von Digitalisierungsprojekten analysiert und zeigt mögliche Lösungsansätze auf.
Tobias Fischer weiß aus Erfahrung: Das Bewusstsein für den Bedarf an Digitalisierung ist in Unternehmen in der Regel vorhanden, dennoch gelingt die Umsetzung nicht immer. Das kann an einer Vielzahl von Faktoren liegen. Auch aktuelle Umfragen zur Digitalisierung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bestätigen diese Diskrepanz zwischen Erkenntnis und Umsetzung [1]: So wurde in einer von Bitkom Research im Mai 2022 durchgeführten Umfrage unter über 600 Unternehmen mit 20 oder mehr Beschäftigten „fehlende Zeit“ mit 61 % am häufigsten als größte Hürde für die Digitalisierung genannt. „Fehlende Fachkräfte“ (53 %), „Datenschutzanforderungen“ (45 %), „fehlende finanzielle Mittel“ (29 %), „kein Bedarf an digitalen Produkten oder Dienstleistungen“ (5 %) sowie „blockierendes Top-Management“ (1 %) können ebenfalls zum Scheitern von Digitalisierungsprojekten führen.
Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, geeignete Lösungsanbieter auszuwählen und die Umsetzung im spezifischen Anforderungskontext zu begleiten. Dadurch können die größten Hürden, nämlich der Mangel an Zeit und Fachkräften, besser überwunden werden.
Zurück zum Anfang
Um die Hürden für Digitalisierungsprojekte in KMU besser zu verstehen, lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten und sich auf die grundlegenden Motive hinter jedem Digitalisierungsvorhaben zu konzentrieren. Ein Digitalisierungsprojekt entsteht nicht aus sich selbst heraus, sondern wird durch bestimmte Beweggründe initiiert.
In der Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) „Digitalisierung mit Herausforderungen“ wurden knapp 4.500 Unternehmen nach ihren Hauptmotiven für die Digitalisierung befragt [2]. Die beiden am häufigsten genannten Gründe, jeweils mit 57 %, waren „strategische Unternehmensentwicklung“ und „Realisierung von Kostensenkungspotenzialen“. Weitere wichtige Motive waren „Kundenbindung“ (53 %), „Flexibilisierung der Unternehmensprozesse / Workflow“ (52 %) und „Nutzensteigerung der Produkte oder Dienstleistungen“ (49 %). Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass Digitalisierungsprojekte vor allem durch den Wunsch nach Weiterentwicklung und Kostensenkung in den Unternehmensprozessen initiiert werden.
Nimmt man jedoch die Anwender in Unternehmen in den Blick, offenbart sich ein ganz anderes Bild: So wurden in der EY Jobstudie 2021 über 1.500 Arbeitnehmer zur Veränderung ihrer Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung befragt [3]. Dabei gaben 93 % der Befragten eine gestiegene oder unveränderte Arbeitsbelastung an, was angesichts der oben genannten Hauptmotive erstaunlich und unbefriedigend zugleich ist.
Auch die Beratungspraxis bestätigt dieses Bild: Symptome gescheiterter Digitalisierungsprojekte auf Umsetzungsebene sind demotivierte Mitarbeitende, die den Sinn der Projekte nicht erkennen und mit persönlichem Mehraufwand oder veränderten Arbeitsabläufen konfrontiert sind.
Lösungsansätze: kontinuierliche und transparente Vorgehensweise
Es stellt sich also die Frage, wie Digitalisierungsprojekte so umgesetzt werden können, dass sie sowohl die von Unternehmen gesteckten Ziele erreichen als auch sich bei den Mitarbeitenden als wirkungsvoll erweisen. Nur so kann ein positiver Kreislauf entstehen, bei dem der Erfolg eines Projekts die Grundlage für das nächste bildet und die Mitarbeitenden nachhaltig motiviert.
Hierbei kann das Grundprinzip des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) einen hilfreichen Ansatz liefern. Der KVP ist dabei mehr Denkweise als ein (produktions)technisches Prinzip. Der Einbezug aller Mitarbeitenden ist die Basis eines erfolgreichen KVP, da er Ängste abbaut, den gewohnten Ablauf in Frage stellt und offen Probleme anspricht. Wenn alle Mitarbeitenden das Prinzip der fortwährenden kleinen Verbesserungsschritte verstehen und verinnerlichen, können sie das konkrete Digitalisierungsprojekt unterstützen und das Erreichte in ihren Arbeitsalltag integrieren.
Das erreichte Niveau nach der Umsetzung von Verbesserungs- beziehungsweise Digitalisierungsmaßnahmen wird zum neuen Standard, auf dem die nächste Maßnahme aufbaut. So entsteht eine kontinuierliche Verbesserung der Prozesse über die Zeit.
Im Sinne des KVP sollte ein Digitalisierungsprojekt nicht isoliert als Einzelprojekt betrachtet werden, sondern als integraler Bestandteil eines umfassenden Bestrebens zur Digitalisierung des Unternehmens. Jedes konkrete Digitalisierungsprojekt stellt dabei einen Schritt auf der Leiter zur Verbesserung beziehungsweise Digitalisierung dar.
Ein zentrales Element jedes Vorhabens sind Schulungen zur Einführung und offene Austauschräume, um Vorurteile und Ängste gegenüber der Digitalisierung anzusprechen und idealerweise zu beseitigen. Oft gehen Digitalisierungsprozesse mit Ängsten um den Verlust von Arbeitsplätzen einher, die bei den Mitarbeitenden Existenzängste auslösen können.
Die Motive hinter den Digitalisierungsprojekten müssen transparent gemacht und mit den Bedürfnissen der betroffenen Mitarbeitenden abgestimmt werden. Sollte es hierbei Unstimmigkeiten geben, ist es ratsam zu den Schulungen und Austauschräumen zurückzukehren. Denn je weiter ein Digitalisierungsprojekt voranschreitet, desto höher sind die Kosten eines möglichen Scheiterns durch bereits getätigte Investitionen in Zeit, interne oder externe Beratung, Dienstleistungen oder Lizenzen.
Nach Erreichen einer neuen Digitalisierungsstufe ist es entscheidend, den Erfolg zu sichern, um ein stabiles Fundament für weitere Entwicklungen zu legen. Digitalisierungsprojekte verändern die Arbeitsweise erheblich, sei es durch Wegfall, Automatisierung oder Vereinfachung von Aufgaben. Es entsteht ein unmittelbarer Bedarf, diese neuen Abläufe zu festigen. Wenn dies nicht nachhaltig geschieht, werden weder die Ziele des Managements noch die der Mitarbeitenden erreicht und der erlangte Erfolg ist nicht von Dauer. Ein Zurückfallen auf vorherige Stufen des Digitalisierungsniveaus ist unausweichlich und zuvor investierte Ressourcen gehen teilweise oder ganz verloren.
Um die Motivation im Rahmen des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses positiv zu beeinflussen, sollte der erreichte Erfolg nicht nur gesichert, sondern auch gefeiert werden. Erreichtes sollte offen kommuniziert und wertgeschätzt werden. In diesem Kontext können „Lessons Learned“ identifiziert und bei Bedarf kritisch diskutiert werden [4]. Diese Erkenntnisse fließen dann in zukünftige Digitalisierungsprojekte ein und unterstützen diese im Sinne einer Lernkurve.
Strategisch denken – gemeinsam agieren
Die erfolgreiche Umsetzung eines jeden Digitalisierungsprojekts steht zweifellos im Mittelpunkt. Dennoch sind auch vor und nach der Umsetzung weitere wesentliche Aspekte zu beachten, um Digitalisierung nachhaltig zu gestalten und den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Ein entscheidender Faktor ist die Einbettung des einzelnen Digitalisierungsprojekts in eine Gesamtstrategie, wobei gemeinsame Motive und Verständnis sowohl im Management als auch bei den Mitarbeitenden essenziell sind. Nach der Umsetzung sind die Sicherung des Erfolgs und die Anerkennung dessen wesentliche Voraussetzungen für das Gelingen weiterer Projekte.
Kontakt
Tobias Fischer (Autor)
Freiberuflicher Projektleiter
Steinbeis-Beratungszentrum Existenzgründung (Stuttgart)
www.steinbeis-exi.de