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Ein grundlegendes Verständnis über KI-Algorithmen ist unabdingbar

Im Gespräch mit Professor Dr.-Ing. Christian Döbel, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Integrierte Systeme und Digitale Transformation (ISD) und Professor an der Dualen Hochschule Gera-Eisenach

Es war im Sommer 1956, als Wissenschaftler einer Konferenz am Dartmouth College im US-Bundesstaat New Hampshire die Ansicht vertraten, dass Aspekte des Lernens sowie andere Merkmale der menschlichen Intelligenz von Maschinen simuliert werden können. Der Programmierer John McCarthy schlug dafür den Begriff „künstliche Intelligenz“ (KI) vor. Gleichzeitig wurde auch das erste KI-Programm der Welt geschrieben, das mehrere Dutzend mathematische Lehrsätze bewies. Was kann KI nun im Jahr 2024 und wie kann die Wirtschaft davon profitieren? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, traf die TRANSFER den KI-Experten Professor Dr.-Ing. Christian Döbel.

Herr Professor Döbel, Sie beschäftigen sich intensiv mit der Automatisierung von Fertigungsprozessen, welche Rolle spielt dabei KI?

Die KI spielt eine immer größere Rolle, insbesondere bei der Optimierung der Fertigungsprozesse, aber auch bei der Steigerung der Zuverlässigkeit von Prozessen. Wir nutzen KI beispielsweise für die Vorhersage von Ausfällen von Werkzeugmaschinen in Abhängigkeit von der aktuellen Maschinenkonfiguration. Im Rückschluss kann wiederum die Konfiguration so angepasst werden, dass der Ausfallzeitpunkt möglichst nach hinten verschoben wird.

Im Großen und Ganzen ist die KI aber immer eine Erweiterung der Kernprozesse, die nach wie vor klassisch programmiert werden. Das Gesamtsystem muss natürlich weiterhin funktional und im Hinblick auf die Sicherheit nachweisbar allen Anforderungen genügen. Das müssen wir in jedem Projekt sicherstellen.

Wie können speziell KMU davon profitieren?

Am Ende des Tages muss die Wertschöpfung effizienter erbracht werden. Aktuell setzen wir einige Projekte mit KMU um, da sie dort schneller zum Laufen kommen. So kann zum Beispiel der Fachkräftemangel gezielt kompensiert werden, indem wissensbasierte Systeme eingesetzt werden, die Fachwissen von Experten aufnehmen und durch evolutionäre Algorithmen selbstständig weiterentwickeln. Diese Projekte haben ganz klar Pilotcharakter, wobei das Tooling gleich mitentwickelt werden muss. Aber auch die Auskopplung weiterer Dienstleistungen ist für KMU als zusätzliche Wertschöpfung interessant, wie etwa die Sichtung der entstehenden Wissensbasen durch den Kunden.

Eine funktionierende KI ist ohne gute Datenqualität nicht möglich, was sind aus Ihrer Sicht hier die größten Herausforderungen?

Die Datenqualität ist essenziell. Wir verarbeiten alle möglichen Daten, die durch selbst entwickelte Parser erst einmal übersetzt werden müssen. Gleichzeitig bekommt jeder Datensatz einen Vertrauensindex, damit möglicherweise „schlechte“ Daten nicht priorisiert werden können. Die Herausforderung besteht darin, dass wir die meisten Daten verarbeiten müssen, auch wenn sie qualitativ minderwertig sein könnten, da sonst 90 Prozent gar nicht verarbeitet würden. Daher arbeiten wir zusammen mit den Unternehmen derzeit an den Standards für die Datenqualität und die Verarbeitung von hoch-, aber auch minderwertigen Daten.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Rolle der Menschen durch den verstärkten KI-Einsatz in Unternehmen verändern?

Ich setze in allen meinen Projekten mit der Industrie sehr stark auf die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Unternehmen, die später die Systeme einsetzen sollen. Wichtig ist, ein grundsätzliches und tiefes Verständnis über die KI-Algorithmen zu schaffen, da sie nicht auf Knopfdruck bedient werden können. Hier ist Mitdenken angesagt. Da wir – neben künstlichen neuronalen Netzen – vor allem Learning Classifier Systems einsetzen, bekommt man das Rüstzeug nicht an jeder Ecke. Die KI hat an unserer Hochschule bereits den Einzug in die Ausbildung gehalten, aber ich unterrichte KI auch in den Regelschulen und Gymnasien unserer Region ehrenamtlich. Daneben baue ich ein Stipendiatenprogramm für Schülerinnen und Schüler auf, damit sie die aus meiner Sicht fehlenden Kernkompetenzen für ihre Zukunft aufbauen können.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Christian Döbel (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Integrierte Systeme und Digitale Transformation (ISD) (Waltershausen)

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