Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft in der Fertigungsindustrie

Steinbeis-Experten setzen zusammen mit europäischen Partnern Innovationen für Schweißanlagen um

Die Fertigungsindustrie spielt für Innovation und Wachstum in Europa eine tragende Rolle. Veraltete Maschinen und ungeplante Ausfallzeiten können jedoch erhebliche Verluste verursachen. Das EU-Projekt RECLAIM hat Strategien bereitgestellt, die den Einsatz digitaler Technologien in der Fertigung und die Kreislaufwirtschaft beschleunigen. Eine Gruppe von Forschern und Industrieunternehmen aus neun Ländern, darunter die Harms & Wende GmbH & Co. KG und das Steinbeis Europa Zentrum, haben so die Fertigungsindustrie produktiver und wettbewerbsfähiger gestaltet und mit neuen Recycling- und Wiederverwendungstechniken die Überalterung von Industrieanlagen reduziert. Das Projekt wurde von der EU mit 13 Millionen Euro gefördert.

Von der klassischen Produktionskette hin zum Kreislauf – das war die Zielsetzung im EU-Projekt RECLAIM. Dabei standen insbesondere Fertigungsbetriebe mit veralteten Maschinen im Fokus, weil ungeplante Ausfälle und Stillstandzeiten aufgrund von Reparatur- und Wartungsarbeiten große Verluste zur Folge haben können. Durch eine digitale Nachrüstung sollen Störungen und Produktionsausfälle verhindert und die Energie- und Materialbilanz verbessert werden, um die Lebensdauer zu erhöhen. Darüber hinaus wurden völlig neue zirkuläre Geschäftsmodelle erkundet.

Die Projektpartner konzentrierten sich auf die Nutzung digitaler Analytik, des Internets der Dinge (IoT) und zirkulärer Wirtschaftsstrategien zur Verbesserung der Instandhaltung und Modernisierung von Altmaschinen. Harms & Wende ist einer von fünf Pilotstandorten, an denen RECLAIM in verschiedenen Sektoren wie Schweißtechnik, Holzverarbeitung, Textil, Robotik, weiße Waren und Schuhproduktion getestet hat, bevor es einem breiteren Kreis potenzieller Kunden angeboten wird.

Gesundheits-Check für die Schweißanlagen

In Zusammenarbeit mit 21 Partnerorganisationen aus neun Ländern entwickelte die Harms & Wende GmbH & Co. KG ein „Intelligent Health Management Toolkit“ für Schweißanlagen. Es besteht aus Sensoren und Software, die die Leistungsfähigkeit der Schweißanlagen überwacht. Quasi ein Gesundheits-Check der Maschine, der nicht nur eine Ist-Analyse, sondern auch Prognosen erlaubt, wodurch eine effizientere Nutzung der Anlage möglich ist.

Das Toolkit stellt einen elementaren Baustein im Gesamtprojekt dar und ist schnell erklärt: Veraltete, analoge Maschinen werden mittels eines Sensorpakets digital aufgerüstet, um wesentliche Parameter, wie zum Beispiel die Betriebstemperatur, zu erfassen. Die dabei gewonnenen Daten werden in verschiedene Algorithmen eingespeist und auf Muster/Auffälligkeiten analysiert. Anhand dieser Analysen können nun Vorhersagen über mögliche Ausfälle getroffen sowie Wartungs- und Reparaturfenster entsprechend rechtzeitig eingeplant und unvorhergesehene Ausfälle deutlich reduziert werden.

Das zentrale Ergebnis von RECLAIM, eine interaktive Nutzerplattform, geht noch einen Schritt weiter: Die Analysen werden dort anschaulich aufbereitet und mit Kosten-Nutzen-Analysen der verschiedenen Strategien zur Lebensdauerverlängerung ergänzt, wobei auf tatsächliche Kosten der Anlagen(-teile) zurückgegriffen wird. Damit wird den Anlagenbetreibern die Wahl der richtigen Strategie deutlich erleichtert.

Kompetente Unterstützung durch Steinbeis-Experten

Das Steinbeis Europa Zentrum spielte eine entscheidende Rolle in der Konzeptionsphase nach der Projektgenehmigung und ermöglichte so einen reibungslosen Projektstart. Gemeinsam mit den Projektpartnern wurden Projektergebnisse und abgeleitete Innovationen systematisch herausgearbeitet und präzise beschrieben. Insbesondere die Definition von Verwertungsabsichten sowie zugehöriger Eigentums- und Zugriffsrechte wurde gemeinsam mit den Partnern geklärt.

In Kooperation mit dem Konsortium hat das Steinbeis Europa Zentrum vielversprechende Projektergebnisse herausgefiltert, um diese durch gezielte Unterstützung auf den Weg zum erfolgreichen Markteintritt zu bringen. So stand das Steinbeis-Team dem Koordinator Harms & Wende während der gesamten Projektdauer als verlässlicher Begleiter zur Seite. Innovationsmanagement und die sogenannte „Exploitation of research results“ sind in europäischen Forschungs- und Innovationsprojekten ein wesentlicher Baustein. In vielen EU-Projekten übernimmt das Steinbeis Europa Zentrum als Projektpartner diese Aufgabe und trägt zum Erfolg bei. Als Experte, Moderator und Katalysator für Innovationen begleitet das Steinbeis Europa Zentrum die Projektkonsortien bei der Sicherung des geistigen Eigentums, beim Marktzugang sowie bei der Verwertung, Verbreitung und Kommunikation der Forschungsergebnisse während der Projektlaufzeit.

Mehrwert durch Technologietransfer in andere Industriebereiche

Während der Koordinator Harms & Wende sich auf die Schweißtechnik konzentriert, unterstützte das Steinbeis Europa Zentrum einige der verwertenden Projektpartner bei der Nutzung des Toolkits in der Holzverarbeitung, Schuhproduktion, im Textilsektor, der Robotik und für weiße Waren. Fünf verwertbare Ergebnisse wurden zu echten Business Cases entwickelt. Sie alle haben das Potenzial, industrielle Prozesse nachhaltig und langfristig zu optimieren. Technische Lösungen wie Sensoren und Kameras sowie modernste Softwareanwendungen ermöglichen es Anwendern, Wartung und Optimierung noch früher und effizienter durchzuführen.

Nach Projektabschluss können vor allem folgende Errungenschaften in den Vordergrund gestellt werden: Die Integration und Validierung der entwickelten Technologien im Rahmen des Projekts lieferten wertvolle Aufschlüsse zur Umsetzung bei den Pilotpartnern vor Ort. So konnte beim Partner Podium, einem Schweizer Hersteller für hochwertige Küchen, zum Beispiel die gesamte Produktionslinie in einem digitalen Modell abgebildet werden. Damit wurden Schwachstellen erkannt und die Effizienz der Anlage sowie die Anzahl von Stopps deutlich reduziert. Ähnliches ist dem Konsortium bei ZORLUTEKS, einem türkischen Textilhersteller, gelungen. Dessen Anlage zur Herstellung von Textilien läuft nun weitaus effizienter und robuster. Auch der slowenische Hersteller von Haushaltsgeräten GORENJE konnte durch die Digitalisierung und Einbindung von Predictive-Maintenance-Technologien die eigene Produktion effizienter gestalten und Ausfälle reduzieren.


Modernste Technologie für eine effizientere Produktion

Fünf Schlüsseltechnologien gehen aus dem Projekt RECLAIM hervor, die wesentlich dazu beitragen, dass Produktions­anlagen effizienter arbeiten, länger halten und Unternehmen stets den Überblick behalten und sich bestens für die Herausforderungen der modernen Fertigung rüsten können.

  1. Intelligent Health Management Toolkit: Damit können die Schweißanlagen selbstständig ihre Leistung überwachen und Anwendern mitteilen, wenn eine Wartung benötigt wird.
  2. Decision Support Framework (DSF): Diese Lösung hilft Entscheidungsträgern in Unternehmen, die besten Strategien zur Verlängerung der Lebensdauer ihrer Fertigungsanlagen zu finden. Durch die Analyse verschiedener Echtzeitdaten bietet das DSF maßgeschneiderte Lösungen.
  3. Legacy Machine Booster: Diese Technologie kombiniert ein intelligentes Sensornetzwerk mit Echtzeit-Überwachung. Durch das Hinzufügen dieser Sensoren zu spezialisierten Maschinen wird deren Zustand kontinuierlich überwacht.
    So können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Maschinen länger effizient arbeiten und kostspielige Ausfälle vermieden werden.
  4. REPLICA Digital Twin: Durch die Integration verschiedener Simulationswerkzeuge und Algorithmen zur Fehlerdiagnose kann die Restnutzungsdauer der Maschinen genau vorhergesagt und optimal geplant werden. Das System hilft
    Unternehmen Wartungen rechtzeitig durchzuführen, um Ausfälle zu vermeiden und die Effizienz zu steigern.
  5. ICE Knowledge Discovery: Damit erhalten Unternehmen ein leistungsstarkes Business-Intelligence-Tool an die Hand, das nicht nur Produktionsdaten speichert, sondern auch erweiterte Funktionen wie das Erstellen von Dashboards und vielfältige Darstellungsarten für die Aufbereitung der Daten bietet. Besonders hilfreich ist die Visualisierung von Daten in Verbindung mit der Nutzung fortschrittlicher Algorithmen wie maschinellem Lernen. So können tiefere Einblicke in Datenmuster erhalten werden, die fundierte Entscheidungen unterstützen.

Mehr Informationen zum RECLAIM-Projekt finden Sie unter www.reclaim-project.eu

Kontakt

Melanie Gralow (Autorin)
Project Manager Business Development
Steinbeis Europa Zentrum
Steinbeis 2i GmbH (Stuttgart)

227255-43