Der Mittelstand profitiert von KI!

Moderne Technologien und strukturierte Ansätze können den Mittelstand fit für die Zukunft machen

Die Digitalisierung spielt eine entscheidende Rolle für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstandes: Denn kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind zunehmend darauf angewiesen, ihre Geschäftsprozesse zu optimieren, Kosten zu senken und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Die Digitalisierung bietet hierfür vielfältige Ansätze, von der Automatisierung von Produktionsprozessen über die Implementierung digitaler Geschäftsmodelle bis hin zur Nutzung von Big Data und künstlicher Intelligenz. Am Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken in Stralsund entstand gemeinsam mit der Assecor GmbH ein Reifegradmodell, um den Status quo eines Unternehmens zu analysieren.

Innovation ist ein zentraler Treiber für die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstandes, denn dieser zeichnet sich traditionell durch seine Nähe zum Markt und den direkten Kontakt zu Kunden und Lieferanten aus. [1] Doch inzwischen reicht es nicht mehr aus, sich auf altbewährte Stärken zu verlassen. Es bedarf einer Kombination aus traditionellen Erfolgsfaktoren und modernen Innovationsansätzen. Ein zentraler Aspekt der digitalen Transformation ist die künstliche Intelligenz, kurz KI. Sie befindet sich derzeit in unterschiedlichen Entwicklungsphasen und umfasst unter anderem Themenbereiche wie das maschinelle Lernen, Deep Learning und die natürliche Sprachverarbeitung.

Während das maschinelle Lernen Algorithmen beinhaltet, die aus Daten lernen und Vorhersagen treffen, ist das Deep Learning eine spezialisierte Form des maschinellen Lernens und verwendet neuronale Netze, um komplexe Muster und Zusammenhänge in großen Datenmengen zu erkennen und zu optimieren. Natürliche Sprachverarbeitung ermöglicht Maschinen, menschliche Sprache zu verstehen und zu verarbeiten. [2] Diese Technologien und Trends bieten vielfältige Anwendungsmöglichkeiten im Mittelstand, von der Automatisierung von Produktionsprozessen bis zur Verbesserung des Kundenservices durch intelligente Chatbots. Die Integration dieser Technologien kann die Innovationskraft des Mittelstands steigern und ihn fit für die Zukunft machen.

Reifegradmodell liefert aktuellen Status

Das Reifegradmodell nimmt die Endergebnisse des jeweiligen Reifegrades auf (Quelle: Assecor GmbH)

 

Doch wie kann der Mittelstand die Komplexität im Umgang mit Anwendungen wie ChatGPT und die Integration von KI in die eigene IT-Landschaft bewältigen? Hier gilt es zunächst das Umfeld des Unternehmens und die Anwendungsfälle der Technologie zu analysieren. Dazu hat das Team am Stralsunder Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken gemeinsam mit der Assecor GmbH einen strukturierten und modellhaften Ansatz entwickelt. Das Reifegradmodell erfasst den Fortschritt in verschiedenen Unternehmensbereichen im Kontext der künstlichen Intelligenz. In einem Quiz werden zunächst Fragen zur Strategie, Organisationsstruktur, Kultur, Technologie und sechs weiteren Bereichen gestellt, um den Reifegrad des Unternehmens zu ermitteln. Dabei ist nicht ausschließlich das konsolidierte Endergebnis (eines von vier möglichen Ergebnissen) von Bedeutung, die tatsächlich ausgewählten Antworten auf die definierten Fragen sind ebenso relevant. Sie geben einen ersten Einblick in den aktuellen Stand des Unternehmens und identifizieren Bereiche, in denen die Technologie einen sofortigen Mehrwert bietet.

Das Reifegradmodell ermöglicht eine erhebliche Zeit- und Aufwandsersparnis im Vergleich zu umfangreichen Interviews, die sonst erforderlich wären, um den Fortschritt eines Unternehmens im Bereich der künstlichen Intelligenz zu bewerten. Das übergeordnete Ziel dieser Methodik ist es, ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und Strategien zu entwickeln, die speziell auf die Wertschöpfung und den Reifegrad des jeweiligen Unternehmens zugeschnitten sind.

Wissensprofile mit KI erstellt

Erfolgreich angewendet hat das Reifegradmodell das Unternehmen Growify. Das Start-up für skillbasierte Mitarbeiterentwicklung stand vor der Herausforderung, dass die Erstellung von Wissensprofilen für verschiedene Rollen zeitaufwendig und ressourcenintensiv war. Diese Profile mussten manuell durch aufwendige Recherchen oder Interviews ermittelt werden, was erhebliche personelle und finanzielle Mittel erforderte. Durch die Entwicklung eines Prototyps, der Google Sheets und GPT for Sheets integrierte, konnte der Prozess automatisiert und signifikant beschleunigt werden. Statt der bisherigen 240 Stunden manueller Arbeit benötigte das junge Unternehmen nur noch zwölf Minuten, um 2.000 Skills zu erstellen. Dies führte zu einer beeindruckenden Kostenersparnis von etwa 97 %.

Dank dieser Lösung konnte die Growify GmbH die Effizienz und Qualität der Skill-Erstellung erheblich steigern und gleichzeitig die damit verbundenen Kosten und den Ressourcenaufwand drastisch senken. Das Beispiel zeigt die Anwendung der Technologie im Bereich der Personalentwicklung – übrigens ohne die Verwendung von geschützten Informationen – und setzt einen neuen Standard für Effizienz sowie Innovation bei Growify.

Systematik und Struktur sind wesentlich

Eine beispielhafte Customer Value Chain (Quelle: Assecor GmbH)

 

Die Implementierung von KI in Unternehmen erfordert eine systematische und gut strukturierte Vorgehensweise. Die Grafik auf der vorherigen Seite zeigt eine bewährte Herangehensweise beispielhaft auf, die aus sechs aufeinander basierenden Leistungsstufen besteht und unternehmensspezifisch aufgebaut wird. Zunächst werden den Mitarbeitenden in Unternehmen in Schulungen und Seminaren grundlegende Kenntnisse über KI und Machine Learning vermittelt. Anschließend erläutern Workshops oder Keynotes die Relevanz von KI für das Unternehmen. Daraufhin folgt eine Business-Analyse, bei der Einsatzmöglichkeiten für KI identifiziert und Prototypen erstellt werden. In der nächsten Phase werden die Auswirkungen von KI auf den Datenschutz, Mitarbeitende sowie die Organisation analysiert und diskutiert. Darauf aufbauend folgen eine Anforderungsanalyse und Beratung zu geeigneten Instrumenten, die für die Umsetzung in Frage kommen. Schließlich wird eine individuelle KI-Lösung entwickelt und implementiert, die auf die spezifischen Anforderungen des Unternehmens sowie die Möglichkeiten der Technologie zugeschnitten ist.

Es ist wichtig, dass sich Mittelständler den neuen technologischen Möglichkeiten stellen, um die bestehenden Wertschöpfungsketten zu optimieren und gegebenenfalls neue zu entwickeln. Basis ist das Wissen über die Einsatzmöglichkeiten der Technologie und deren Erprobung anhand eines Proof of Concept (PoC), denn der Einsatz von KI ist kein Selbstzweck und sollte einen konkreten Mehrwert bieten. Grundvoraussetzung, um die eigene Innovationskraft zu halten und auszubauen, ist aber die Bereitschaft und Neugierde der Unternehmensleitung den Einsatz neuer Technologie strukturiert für das Unternehmen zu evaluieren und auszuprobieren. Dabei hilft die permanente Zusammenarbeit mit Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen: So entstehen strategische Netzwerke, Wissen wird gebündelt, der Praxisaustausch gefördert und damit der Motor der deutschen Wirtschaft gestärkt.

Kontakt

Prof. Dr. Norbert Zdrowomyslaw (Autor)
Freiberuflicher Projektleiter
Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken (Stralsund)

Christian Wulf (Autor)
Standortleitung
Assecor GmbH (Stralsund)

Richard Kluth
AI Spezialist
Assecor GmbH (Stralsund)

Quellen
[1] Vgl. Zdrowomyslaw, Auerbach, Wulf; Von der Rolle der Innovationskultur und des Innovationsmanagements in Unternehmensinnovationssystemen;
abgerufen unter https://transfermagazin.steinbeis.de/?p=15178 am 19.06.2024
[2] Gartner Incorporated, Was ist Künstliche Intelligenz? abgerufen unter https://www.gartner.de/de/themen/kuenstliche-intelligenz am 19.06.2024
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