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Im Netzwerken liegt das Potenzial der Zukunft

Immer komplexere Herausforderungen lassen sich nur unternehmensübergreifend lösen. Das Team der bwcon kennt die Herausforderungen wie Chancen des wertschöpfenden Netzwerkens von unterschiedlichen Unternehmen und Organisationen.

Die Wertschöpfung von morgen findet in Netzwerken statt, in die verschiedene Akteure ihre Kompetenzen und Technologien einbringen, davon sind Alexandra Rudl und Dr.-Ing. Jürgen Jähnert überzeugt. Beide verantworten als Geschäftsführer die bwcon GmbH, die sich als Unternehmen im Steinbeis-Verbund der digitalen Transformation verschrieben hat. Hinter ihr steht der Baden-Württemberg: Connected e. V., ein Netzwerk aus heute mehr als 700 Mitgliedern, das Start-ups, Industriebetriebe aller Größen, Dienstleister, Investoren und Kommunen vereint. Was einfach klingt, wird insbesondere durch Dynamik, Komplexität und die veränderten Anforderungen an das Zusammenarbeiten in der digitalen Transformation zur Herausforderung für Unternehmen und Mitarbeitende. Das Team der bwcon hat es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen bei der Begegnung wie Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen. Denn Vernetzung bietet einen Mehrwert, der in der digitalen Transformation alternativlos ist.

 

Herausforderungen der digitalen Transformation

Dr.-Ing. Jürgen Jähnert

Unsere Wirtschaft befindet sich aktuell in einem Transformationsprozess, der weitestgehend von digitalen Technologien und der zunehmenden Verwendung von Daten als Assets, als belastbare Wirtschaftsgüter, geprägt ist. Dieser Transformationsprozess steht in Wechselwirkung mit zwei parallel stattfindenden Trends zum einen der technologische Fortschritt und zum anderen der Druck nach Ressourcen- und Energieeffizienz.

Der technologische Fortschritt ermöglicht die Implementierung neuer Szenarien. So werden „digitale“ Dinge und Dienste adaptiv und smart, das heißt sie stellen sich autonom und selbstregulierend auf geänderte Umgebungsvariablen ein. Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) beziehungsweise maschinelles Lernen beschleunigen diesen Prozess, Simulationstechnologie erlaubt uns die Zukunft genauer zu prognostizieren und dies in den jeweiligen Regelmechanismen entsprechend auszunutzen. Die Distributed-Ledger-Technologie, deren wohl bekanntester Vertreter die Kryptowährung Bitcoin ist, ermöglicht Vertrauen im Netz und Transaktionssicherheit. In Kombination mit dem Internet der Dinge und Dienste, 3D-Druck-Verfahren, den Kommunikationstechnologien (WLAN6, 6G) und Cloudcomputing wird weiteres Innovationspotenzial freigesetzt. Hier können digitale, autonome Organisationen entstehen, die neue Szenarien und Kollaborationsstrukturen sowie ein höheres Niveau von vertrauenswürdigen Transaktionen zwischen digitalen Prozessen ermöglichen. Diese führen wiederum nicht selten auch zu neuen datenbasierten Wertschöpfungsnetzwerken, die dynamisch entstehen und sich ebenso dynamisch wieder auflösen.

Parallel hierzu zeigt sich als zweiter Trend die inzwischen in vielen Bereichen der Gesellschaft verbreitete Erkenntnis, dass wir in der Vergangenheit nicht sorgsam genug mit dem Planeten Erde umgegangen sind. Die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen wurden nicht besonnen genug eingesetzt. Die Folgen des Energieeinsatzes, also beispielsweise die Beseitigung von Umweltschäden oder Abfall, wurden zu häufig sozialisiert. Und auch beim Materialeinsatz war der äußere Druck, effizienter mit diesen Ressourcen umzugehen, nicht groß genug. Provokant gesagt: Energie war zu billig, die Kosten für die Entsorgung von Abfällen wurden staatlich geduldet und teilweise sogar gefördert und der Allgemeinheit übertragen. Dies führte zu einem Wirtschaftssystem, das sich stark an dem Paradigma „Entnahme“ orientiert: Bodenschätze wurden und werden der Erde entnommen, in der Landwirtschaft wurden Früchte den Pflanzen entnommen, in der Produktion wurden die Rohmaterialien (Metall, Holzbaustoffe,…) überwiegend durch spanende Verfahren hergestellt, die Abfälle wurden teilweise entsorgt und punktuell einem Recyclingprozess zugeführt. In diesem gesamten Produktionsprozess entstehen zu viele Abfälle und das Wirtschaftssystem selbst ist incentiviert, die soeben verkauften Produkte umgehend durch neue, leistungsfähigere zu ersetzen. Dies führt zu weiteren Abfällen, aber auch zu Wohlstand und Prosperität, nicht aber zu einer energetischen Optimierung des Wirtschaftssystems.

Ein Umdenken auf vielen Ebenen ist notwendig

Inzwischen denkt die Gesellschaft anders über dieses Wirtschaften nach. Die Finanzindustrie zwingt Unternehmen in ESG (kurz für Environmental, Social und Governance) zu investieren, Energie wurde signifikant teurer und der Klimawandel führt zu stetig wachsenden Kosten.

Die digitale Transformation kann hier einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaft einläuten. Wie dieses neue System aussehen wird, kann an dieser Stelle noch nicht final prognostiziert werden. Sicher ist, dass die ohnehin schon komplexen Zusammenhänge noch an Komplexität zunehmen werden und dass ein Individuum oder eine kleine Gruppe von Expertinnen und Experten diese Komplexität in Gänze nicht schnell durchdringen wird.

Das Beherrschen der verschiedenen Technologien ist schon herausfordernd, nun muss es darüber hinaus kombiniert werden mit Veränderungsbegleitung, didaktischer Weiterbildung sowie der Gestaltung neuer Wertschöpfungsmodelle. Zu guter Letzt muss es mit dem stetig zunehmenden Verordnungswahn einhergehen und die juristischen Randbedingungen müssen stets eingehalten werden.

Diese Veränderung, vor allem der zunehmend komplexere Raum, erfordert von den Unternehmensakteuren ein völlig anderes Herangehensmodell als das bisherige: Die Wirtschaft Baden-Württembergs wurde von ehrgeizigen Tüftlern begründet, die nicht selten Unternehmen mit weltweiter Sichtbarkeit geschaffen haben. Man war ehrgeizig, stand häufig mit anderen Tüftlern im Wettbewerb und hat im Rahmen einer sich überwiegend auf Produkte fokussierten Wirtschaft schnell seinen Platz am Weltmarkt gefunden.

Die damalige Komplexität konnten die Tüftler noch alleine beherrschen. Das Streben, eigenständig zu sein, verbunden mit dem nötigen Ehrgeiz, waren sicherlich wesentliche Erfolgsfaktoren für die Entwicklung eines Unternehmens. Und ganz nach Ferdinand von Steinbeis reichte praktisches Können in Verbindung mit theoretischem Wissen fokussiert auf wenige Individuen, um bahnbrechende Innovationen erfolgreich am Markt platzieren zu können.

Dynamik, Komplexität und Veränderungsbereitschaft prägen das zukünftige Wirtschaften

Im Prozess der digitalen Transformation wird diese Herangehensweise, die in zahlreichen Unternehmen auch ein Stück weit identitätsstiftend war, nicht mehr ausreichen. Die Dynamik, mit der neue Technologien einem Konvergenzprozess zugeführt werden, nimmt kontinuierlich zu. Weiter müssen neue Organisations- und Kommunikationsformen eingeführt werden, neben einer Innovation getrieben durch Technologien findet auch eine Transformation der Wertschöpfungsmodelle statt. So sehen sich beispielsweise Unternehmen, die bislang einen Schwerpunkt in spanenden Fertigungsverfahren hatten, mit Themen aus dem Bereich des maschinellen Lernens konfrontiert. Das hierfür erforderliche Methodenwissen muss erst mühsam erarbeitet werden. Hat man dann ein derartiges Methodenwissen aufgebaut, ermöglichen der strukturierte Einsatz und die Anwendung dieser Methoden und Technologien auch eine nicht selten in Schumpeters Sinne „schöpferische Zerstörung“ etablierter Wertschöpfungsmodelle. Ein solcher Weg kann für Unternehmen schmerzhaft und herausfordernd zugleich sein. Es ist ein Veränderungsprozess erforderlich, der auf verschiedenen Ebenen scheitern kann: an den Methoden und Fähigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, am Veränderungswillen der Führungsebene, an der Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften, oder aber schlicht an der Hoffnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass die Transformation einen Bogen um die eigene Organisation machen wird.

KMU haben oft nicht die finanziellen Ressourcen diesen Prozess alleine zu gestalten. Es fehlen die Fachkräfte und zudem wäre ein damit verbundener Veränderungsimpuls im Unternehmen zu herausfordernd. Somit sind vor allem diese kleinen und mittelständischen Unternehmen gezwungen, die eigene Kompetenz in neue Wertschöpfungsnetzwerke einzubringen, in denen verschiedene Unternehmen gemeinsam durch völlig neue Kooperationsformen zusammen das Innovationspotenzial entwickeln. In anderen Worten: Wenn man die Kompetenzen im eigenen Unternehmen nicht aufbauen kann, müssen diese verstärkt mittels Kooperationen und neuen Interaktionsformen an das eigene Unternehmen gebunden werden. Die größte Herausforderung hierbei ist neben der Selbstreflexionsfähigkeit im Hinblick auf das eigene Nichtkönnen eben die Kooperationsfähigkeit als neue elementare Anforderung an das eigene Skills-Profil.

Für Unternehmen kann das bedeuten, dass die klassische Trennung zwischen Verkauf und Einkauf wegfällt, da hier Personen sozialisiert wurden, die vorwiegend unidirektional denken. Die Rolle Einkäufer muss gleichzeitig verkaufen, die Rolle Verkäufer gleichzeitig einkaufen. Über dieses Bewusstsein müssen sie zusammen mit den Vertretern der komplementären Unternehmen Geschäftsentwicklung betreiben – eben in einem Wertschöpfungsnetzwerk Werte entwickeln. Diese Art der Kooperation muss zuerst erlernt werden und ist eine komplexe und mehrschichtige Herausforderung. Entwickelt werden müssen eine gemeinsame, realisierbare technologische Gesamtvision, eine Gesamtvision auf der kundenzentrischen Werteebene und ein auf Augenhöhe für alle Akteure akzeptabler Incentivierungsmechanismus, der alle beteiligten Partner angemessen bedient. Und auch auf einer weiteren Ebene agieren Personen miteinander: Auf der sozialen Ebene ist eine Kompatibilität erforderlich, damit die Wertschöpfungsnetzwerke operativ funktionieren.

Nur, wenn auf allen Ebenen der genannten mehrschichtigen Trends, also dem technologischen Fortschritt und dem Druck nach Ressourcen- und Energieeffizienz, eine gemeinsame Vision, ein gemeinsames Verständnis und eine an einem Strang ziehende Interessenslage vorherrschen, können Unternehmen sich am Weltmarkt behaupten.

Dies führt für zahlreiche Unternehmen zu Veränderung. Die altbekannten Paradigmen werden durch neue ersetzt, Unternehmen und deren Mitarbeitende müssen etabliertes Wissen ablegen und Platz für neues Wissen schaffen. Die neuen Herausforderungen führen zu einer sehr viel höheren Komplexität, der bedauerlicherweise nicht mit Trivialisierung begegnet werden kann. Das erforderliche Wissen ist in der Regel nicht in einer bestehenden Organisation vollumfänglich vorhanden und die etablierten Kommunikationsbeziehungen in den Organisationen hatten bisher eben nicht hinreichend zu einer Systematisierung dieses Organisationswissens beigetragen. Das ist an sich nichts Neues, denn dies gilt schon für die Transformation zu Zeiten von Ferdinand von Steinbeis (Industrialisierung) oder zu Zeiten von Johann Löhn („Elektronisierung“) – nur heute mit einem sehr viel höheren Grad an Komplexität und Geschwindigkeit.

Anforderungen an das Netzwerkmanagement in der digitalen Transformation

Alexandra Rudl

Vor dem Hintergrund der beschriebenen Herausforderungen werden wertschöpfende Netzwerke zunehmend an Bedeutung gewinnen. Sie haben das Potenzial, im Transformationsprozess Katalysator und Moderator zu sein. Damit verbunden wird allerdings auch das Aufgabenfeld des Netzwerkmanagements zunehmend komplex. Denn: Damit Netzwerkmanagerinnen und -manager den Wertschöpfungsentwicklungsprozess auf allen Ebenen begleiten können, bedarf es spezifischer Kompetenzen, die sowohl Fach- als auch Methodenwissen umfassen. Hierfür ist auch auf Seiten des Netzwerkmanagements ein Lernen auf allen Ebenen erforderlich.

Aufgaben eines modernen Netzwerkmanagements

Während Netzwerkmanagerinnen und -manager in den Entstehungsjahren von Clustern und Netzwerken vor allem die Aufgabe der Koordination und Organisation von Netzwerktreffen hatten, verstehen wir unsere Aufgabe heute als Moderatoren von Wertschöpfungsnetzwerken. Wir bringen Menschen nicht mehr einfach nur zusammen, sondern begleiten sie mit unserem Fach- und Methodenwissen über die verschiedenen Innovations- und Transformationsphasen hinweg mit dem Ziel, dass neue Wertschöpfung entsteht. Diese Phasen haben wir im bwcon-Netzwerk wie folgt aufgeteilt:

  • Sensibilisierung, das meint die Arbeit an einem gemeinsamen Verständnis für die verschiedenen Aspekte der digitalen Transformation: technologischer Fortschritt, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit sowie Veränderungsbereitschaft.
  • Analyse: Wo stehen unsere Mitgliedsunternehmen aktuell und wo sind ihre Bedarfe in Bezug auf die digitale Transformation?
  • Technologieevaluation: Welche Herausforderungen können mit welchen Technologien gelöst werden?
  • Business Model Innovation: In welchem Wertschöpfungsmodell stiftet die Technologie den bestmöglichen Kundennutzen und trifft auf Marktakzeptanz?
  • Umsetzung: Kann die Vision besser im Unternehmensverbund umgesetzt werden oder sind zusätzliche Akteure hilfreich, wie beispielsweise gezielt ausgewählte Start-ups aus dem Netzwerk, die den etablierten Unternehmen als Technologie-Lösungsanbieter dienen.

Kompetenzanforderungen im Netzwerkmanagement

Damit unsere Netzwerkmanagerinnen und -manager diese umfassende Begleitung im Transformationsprozess leisten können, haben wir in unserer Personalentwicklung verschiedene übergreifende Kompetenzen als sogenannte „bwcon Kompetenzen“ beschrieben. Unser Ziel ist es, dass alle Kolleginnen und Kollegen mindestens ein gutes Anwenderwissen, idealerweise Expertenwissen, in diesen Kompetenzen vorweisen können. Hierzu gehören:

  • Moderationsfähigkeit: Wertschöpfung im Netzwerk kann nur dann entstehen, wenn die Menschen einander vertrauen. Dieser Vertrauensaufbau im Netzwerk braucht eine professionelle Moderation, die die Menschen durch die verschiedenen Innovations- und Transformationsphasen begleitet.
  • Job-to-be-done-Kompetenz, das meint die Kompetenz gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen das wesentliche Kundenbedürfnis zu verstehen und darauf aufbauend eine geeignete (technische) Lösung zu entwickeln. Dabei leiten wir alle beteiligten Seiten an, eine „Market-Pull-Sichtweise“ einzunehmen anstatt einer „Technology-Push-Strategie“.
  • Systemkompetenz: Darunter verstehen wir die Fähigkeit, komplexe (Organisations-)Systeme zu verstehen sowie deren wechselseitige Einflüsse zu erkennen. Angewandt auf das Netzwerkmanagement bedeutet dies, dass die Mitarbeitenden im Netzwerkmanagement in der Lage sind, Synergien zwischen Mitgliedsunternehmen zu erkennen und eine Kooperation in die Wege zu leiten.

Wie können diese neuen Kompetenzen erlernt werden?

Der Aufbau dieser Kompetenzen stellt keine Selbstverständlichkeit dar. Ein klassisches Seminar in Netzwerkmanagement würde dem nicht gerecht. Aus diesem Grund haben wir es im Jahr 2020 selbst in die Hand genommen, uns in diesen neuen Kompetenzen weiterzubilden und haben gemeinsam mit dem Ferdinand-Steinbeis-Institut der Steinbeis-Stiftung (FSTI), dem Baden-Württembergischer Handwerkstag e. V. und dem Steinbeis Europa Zentrum in dem Forschungsprojekt „Agile Projektteams – Erfolgsfaktoren unternehmens- und branchenübergreifender Kooperationen“ uns die Frage gestellt: Warum stellt die Vernetzungs- und Kooperationsfähigkeit im digitalen Zeitalter stärker als jemals zuvor einen zentralen Erfolgsfaktor für die mittel- bis langfristige Wettbewerbsfähigkeit von KMU dar? Dabei standen unter anderem zwei Unterfragen im Fokus:

  • Welche organisatorischen und qualifikatorischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit interaktive Netzwerkarbeit effektiv und effizient geleistet werden kann?
  • Wie sieht ein standardisiertes Moderationskonzept zur Initiierung und Anbahnung von Kooperationen und Kooperationsprojekten aus?

Die Modelle und die Arbeitsanleitung, die im Projekt entstanden sind, stellen für uns den Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der Rolle des Netzwerkmanagements bei der bwcon dar.

Unter anderem haben die Projektpartner ein eigenes Modell der Unternehmenskultur in heterogenen Kooperationsbeziehungen entwickelt. Darin wurden die genannten mehrschichtigen Herausforderungen, nämlich eine gemeinsame technologische Gesamtvision, das kundenzentrische Wertschöpfungsmodell, ein auf Augenhöhe und für alle Akteure akzeptabler Incentivierungsmechanismus sowie die Art und Weise der Zusammenarbeit der handelnden Menschen in zwei Betrachtungsebenen überführt: Individuell-kollektiv sowie innen wahrnehmbar/außen messbar. Hieraus ergeben sich vier Dimensionen der Unternehmenskultur in Wertschöpfungsnetzwerken („vier Quadranten“). Die erste Dimension umfasst den individuellen und nach innen wahrnehmbaren Beitrag in einem Netzwerk, sie berücksichtigt unter anderem Werte, Erwartungen und Kompetenzen. Die zweite Dimension stellt den individuellen und nach außen messbaren Beitrag ins Netzwerk dar, schaut also auf das sichtbare Verhalten der Netzwerkpartner sowie auf Zahlen, Daten und Fakten. Die dritte Dimension beinhaltet den kollektiven und nach innen gerichteten Beitrag ins Netzwerk, also Aspekte der Gestaltung der Zusammenarbeit und Koordination. Die vierte Dimension betrachtet schließlich den kollektiven und nach außen messbaren Beitrag, also die sichtbare Zusammenarbeit und Koordination, vor allem die Kundensicht [1].

 

Eigenes Modell der Unternehmenskultur in heterogenen Kooperationsbeziehungen

 

Dieses Modell ist eine Hilfestellung für unsere Netzwerkmanagerinnen und -manager, um alle Facetten des Netzwerkmanagements zu verstehen und stellt hervorragend die Komplexität dieser Aufgabe dar. Erst wenn dies verstanden wurde, können neue Moderationsformate zur Begleitung von neu entstehenden Wertschöpfungsnetzwerken wirklich gut umgesetzt werden. Der komplette Maßnahmenkatalog wurde veröffentlicht und kann von anderen Netzwerken übernommen werden.

Die Kolleginnen, die im Projekt gearbeitet haben und die die Modelle, das Methodenwissen sowie die Formate mit dem Konsortium entwickelt haben, haben nun eine tragende Rolle in der bwcon inne, um dieses Wissen intern weiterzugeben.

Warum es nicht nur auf das Netzwerkmanagement ankommt

Der Erfolg eines Netzwerks hängt nicht nur vom Netzwerkmanagement ab, sondern genauso von den Mitgliedsunternehmen im Netzwerk. Nur wenn sie eine aktive Rolle im Netzwerk einnehmen, werden sie den maximalen Nutzen daraus ziehen. Dann lebt das Netzwerk und es entstehen Kooperationen, die wiederum zu neuer Wertschöpfung führen. Auch dafür bedarf es auf Seiten der Mitgliedsunternehmen der entsprechenden Haltung sowie Kompetenzen, um im Netzwerk zu agieren:

  • Die Fähigkeit im Netzwerk eigene Erfahrungen authentisch zu teilen: Dazu gehören auch Fehler, von denen andere lernen können. Wir agieren im Innovationsumfeld, das bedeutet ein Umfeld, in dem alle permanent Neues lernen und somit jedes Unternehmen unter Ungewissheit agiert. Wenn sich die Mitglieder eines Netzwerks dies gegenseitig zugestehen, haben sie die größte Chance voneinander zu lernen.
  • Kooperations- statt Vertriebshaltung: Im Vordergrund sollte nicht stehen, sich im Netzwerk zu offensichtlich zu vermarkten. Stattdessen bedeutet Kooperationsfähigkeit, auf andere Mitglieder zuzugehen, zu verstehen, was ihre Herausforderung ist und dann – wenn notwendig mit dem Netzwerkmanagement – zu eruieren, wie diese Herausforderung gemeinsam gelöst werden kann.
  • Teilungsbereitschaft: das eigene Wissen mit anderen Mitgliedern teilen zu wollen, auch wenn manchmal im ersten Schritt noch nicht erkennbar ist, wie das dem eigenen Unternehmen nutzt.
  • Gestalten statt konsumieren: Das Netzwerk ist nur so gut, wie die Themen, die die Mitglieder einbringen. Nur wenn sich das Netzwerkmanagement um Themen kümmert, die die tatsächlichen Bedürfnisse und Herausforderungen der Mitgliedsunternehmen tangieren, kann die Arbeit des Netzwerkmanagements einen Impact generieren. Dies bedeutet, dass die Netzwerkmitglieder ihr Netzwerkmanagement permanent mit neuen Themen „füttern“ müssen.

Auch hier zeigt sich: Netzwerke sind immer auch Lernplattformen. Denn auch das Agieren in einem Netzwerk ist kein Selbstläufer und will gelernt sein. Oder wie Prof. Jörg Menno Harms, der Ehrenvorsitzende des Vereins Baden-Württemberg: Connected e. V., in der Jubiläumsausgabe zu unserem 25-jährigen Bestehen formuliert hat: „Connecting – das ist keine einfache Sache, weil jedes Unternehmen gerne für sich alleine arbeitet, aber gerade in dieser Vernetzung liegt sehr viel interessantes Wertschöpfungspotenzial”. Dies gilt insbesondere auch innerhalb eines Verbundes wie Steinbeis mit seinen Unternehmen – als Chance und Herausforderung für sie selbst, aber auch als Ermöglicher für Unternehmen außerhalb.

Autoren

Alexandra Rudl und Dr.-Ing. Jürgen Jähnert
Geschäftsführer der bwcon GmbH (Stuttgart)

Literatur
[1] https://ferdinand-steinbeis-institut.de/wp-content/uploads/2020/11/Massnahmenkatalog_AgileTeams-1.pdf
223476-02-02