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„Vertrauen ist die Grundvoraussetzung für funktionierende Netzwerke“

Im Gespräch mit Steinbeis-Urgestein Peter Wittmann

Vier Jahrzehnte Steinbeis, das sind auch vier Jahrzehnte von Menschen, die den Verbund geprägt haben: mit ihren Ideen, ihren unternehmerischen Aktivitäten und ihrem Engagement. Peter Wittmann hat die Entwicklung des Löhn’schen Steinbeis-Modells von Anfang an begleitet. Seit 1983 ist er im Verbund aktiv, zu Beginn in der Steinbeis-Zentrale, über die Jahre in zahlreichen verantwortungsvollen Positionen im Verbund. Heute ist er Associate Partner des Ferdinand-Steinbeis-Instituts, das Unternehmen in den Bereichen Innovation, Digitalisierung und Ökosysteme begleitet. Was trotz aller Transformation und technischer Weiterentwicklung konstant geblieben ist, ist für ihn die Bedeutung persönlicher Netzwerke auf Augenhöhe.

Herr Wittmann, „Digitalisierung ist für mich die größte technologische und gesellschaftliche Herausforderung dieses Jahrhunderts“ haben Sie im Gespräch mit dem Ferdinand-Steinbeis-Institut einmal gesagt. Als Diplom-Informatiker haben Sie 1983 als erster Mitarbeiter der „Löhn-Ära“ in der Steinbeis-Zentrale begonnen. Werfen Sie für uns bitte einen Blick zurück: Was waren die damaligen technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen?

Wir haben uns damals in einer ähnlichen Situation wie heute befunden: Transformation hieß „Strukturwandel durch Schlüsseltechnologien“. Die Schlüsseltechnologien waren Mikroelektronik, neue Fertigungstechnologien, Biotechnologie, neue Werkstoffe und die Kommunikationstechnologie. Das Auflösen der Grenzen zwischen den Technologien und das neue Denken vom Produkt hin zum System ist den Unternehmen sehr schwergefallen. Ganze Branchen sind während dieser Transformation verschwunden, wie die Uhrenindustrie, Hifi und TV, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Chancen und den Nutzen der Schlüsseltechnologien haben die meisten Unternehmen nicht erkannt. Zu spät haben wir uns vom Ingenieurdenken – erst wenn wir die 100 %-Lösung haben, gehen wir an den Markt – verabschiedet, das gilt für viele Bereiche auch heute noch.

In Ihrer beeindruckend langen Zeit bei Steinbeis bildet das Netzwerken die Basis für Ihr sehr erfolgreiches Wirken. Der Markt an technischen Tools zur Unterstützung des Vernetzens ist heute beinah unüberschaubar, im Virtuellen spielen tatsächliche Entfernungen keine Rolle mehr. Aber reicht das aus? Arbeiten wir aus Ihrer Sicht heute enger, vernetzter, agiler und effizienter zusammen als in den letzten vier Jahrzehnten?

Ja, das tun wir. Viele Prozesse in den Unternehmen sind so organisiert, dass egal wo die Mitarbeiter sitzen, die Zusammenarbeit gut funktioniert. Das hat sich auch während der Pandemie gezeigt. Aber viele der Kreativprozesse leiden an fehlenden Präsenztreffen. Der Austausch an der Kaffeemaschine oder die Diskussion am Flipchart oder Whiteboard sind notwendig für den Innovationsprozess.

Grundlage für Netzwerke wie auch netzwerken sind Vertrauen und Vertrauensräume. Kritiker vertreten die Auffassung, dass die digitale Zusammenarbeit und die Virtualität diesem Vertrauen entgegenstehen und Anonymität wie auch Vertrauensverlust fördern. Was ist Ihre Erfahrung?

Vertrauen ist die Grundvoraussetzung für funktionierende Netzwerke. Wenn man sich nicht persönlich kennt und schätzen gelernt hat, bleibt es oberflächlich und wenig tragfähig. Ist diese persönliche Basis vorhanden, funktioniert in meiner Erfahrung auch die digitale Zusammenarbeit.

Mit dem Netzwerken ist es wie mit der Teamarbeit: Der Erfolg steht und fällt mit den Mitwirkenden. Was sind Ihre Erfahrungen, wie das Geben und Nehmen im Netzwerk nicht Gefahr läuft, Schlagseite zu bekommen und die einen mehr profitieren als sie einbringen während die anderen sich weit über dem Durchschnitt engagieren?

Das muss man ständig abwägen. Mein Ziel war immer den Nutzen für alle Beteiligten zu sehen. Wer ständig nachrechnet, ob das immer gerecht ist, wird keinen Erfolg haben. Wenn man allerdings feststellt, dass ein Netzwerkpartner das Netzwerk ausnutzt, dann nimmt man ihn aus dem Spiel.

Sie stehen beispielhaft für die Vielfalt an Aktivitäten, die mit und bei Steinbeis möglich sind: Als Mitarbeiter der ersten Stunde in der Steinbeis-Zentrale, Steinbeis-Unternehmer, Geschäftsführer einer Steinbeis-Beteiligung waren Sie und sind heute noch als Experte im Ferdinand-Steinbeis-Institut aktiv. Was war das Verbindende, das Alleinstellungsmerkmal, das für Sie die Arbeit im Steinbeis-Verbund bis heute ausmacht?

Der hohe Freiheitsgrad! Ich kenne keine andere Organisation als Steinbeis, in der man selbstbestimmt und selbstorganisiert das tun kann, was einen persönlich weiterbringt und erfüllt.

Als einer der Köpfe, die Steinbeis mitgeprägt haben und der Transformationen sowie Strukturwandel durchlebt hat: Was geben Sie der heutigen Generation der Steinbeiser für deren Herausforderungen mit in einer Zeit von grundlegenden Transformationen bei gleichzeitig zunehmender Bürokratie und härter werdendem Wettbewerb für die für Steinbeis wichtigen Wissensquellen und Unternehmen?

Es gab bisher kein Jahrzehnt in meiner beruflichen Laufbahn, in der es nicht neue Herausforderungen, Krisen oder Umwälzungen gab – denken Sie nur an die Maschinenbaukrise in den 1980er-Jahren, den Zusammenbruch des neuen Marktes oder die Bankenkrise. Meine Devise war und bleibt: Keine Zeit mit Jammern verbringen und der scheinbar guten alten Zeit nachtrauern, sondern den Blick nach vorne richten und die anstehenden Probleme als Chancen erkennen.


Netzwerken mit Erfolg

Peter Wittmann hat in seiner langen Erfahrung im Netzwerken vor allem eines festgestellt: Ohne Disziplin und ein paar wenige, umso wesentlichere Regeln geht es nicht. Das sind seine Grundsätze:

# 1: Vertrauen aufbauen – ohne gegenseitiges Vertrauen funktioniert ein Netzwerk nicht

# 2: Beziehung auf Augenhöhe: Funktion, Position, Titel, etc. spielen keine Rolle

# 3: Zuhören! Hinterfragen! Verstehen!

# 4: Nutzen stiften ohne Gegenrechnung

# 5: Achtsamkeit. Auch in schwierigen Situationen und wenn es gerade nicht passt, da sein.

# 6: Pflegen der Beziehungen unter den Netzwerkpartnern solange es gewollt ist

# 7: Beenden, wenn das Netzwerken keinen Sinn mehr stiftet

 


Peter Wittmann | Stationen

  • Ausbildung zum Elektromechaniker in Villingen-Schwenningen
  • Studium der Ingenieur-Informatik an der Fachhochschule Furtwangen
  • Projektleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA)

Seit 1983 war und ist Peter Wittmann bei Steinbeis in zahlreichen Funktionen aktiv und erfolgreich:

  • Assistent des Vorstandsvorsitzenden der Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung
  • Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Technologiemanagement und Innovation
  • Geschäftsführender Gesellschafter der Steinbeis Beteiligungsberatung GmbH
  • Geschäftsführender Gesellschafter der Saphir-Kompetenz GmbH
  • Associate Partner des Ferdinand-Steinbeis-Instituts

Peter Wittmann hielt bis 2013 mehrere Beirats- und Aufsichtsratsmandate. Seit 2008 leitet er den Arbeitskreis Unternehmensführung der Schmalenbach Gesellschaft, die den Dialog zwischen betriebswirtschaftlicher Forschung, Lehre und Praxis initiiert und koordiniert.

Interviewpartner

Peter Wittmann
Associate Partner des Ferdinand-Steinbeis-Instituts (Stuttgart/Heilbronn)

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