Steinbeis-Team entwickelt Verfahrenstechnologie zum thermischen Fügen von Multimaterial und Bauteilverbundwerkstoffen
Der Bedarf an Multimaterial-Werkstoffen, sogenannte „Multimaterialmixe“, steigt stetig: Das gilt insbesondere für Leichtbauwerkstoffe aus Verbünden von Metall und Kunststoffen für den Leicht- und Apparate- aber auch den Fahrzeug- oder Flugzeugbau. Das wesentliche Ziel dabei ist, durch Gewichtseinsparungen den Energiebedarf zur Fortbewegung deutlich zu verringern. Die zunehmende Verwendung der Multimaterialmixe stellt aber auch werkstoffliche und technisch-technologische Anforderungen an die thermischen Fügeprozesse, beispielsweise eine Prozessautomatisierung mit einer definierten Festigkeit der Fügeverbindungen. Diese Anforderungen an Verbundwerkstoffe machen eine neuartige Lichtbogenschweißtechnologie mit der entsprechenden Hardwaretechnik notwendig. Das Team des Steinbeis-Innovationszentrums Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation in Dresden hat sich dieser Herausforderung gestellt – mit Erfolg!
Das neue Verfahren löst die wesentlichen werkstofflich-technologischen Probleme: Das sind ungenügende Festigkeiten, die Zerstörung thermisch sensibler Bauteilkomponenten durch zu hohe thermische Belastungen und Materialdelaminationen aufgrund des starken Wärmeeintrags. Das Projektteam bezog bei den Arbeiten das Metallschutzgasschweißverfahren (MSG) mit nicht-übertragenem Lichtbogen mit ein. Das Team profitierte dabei von Erfahrungen, die es im Rahmen eines abgeschlossenen F&E-Projekts mit der Weber Schweißmaschinen GmbH gesammelt hatte.
Im Fokus des folgenden Projekts stand nun die Entwicklung einer Verfahrensprozesstechnologie als Hybrid aus Lichtbogenlöten und MSG-Schweißen und der entsprechenden Brenntechnik für das Verbinden thermisch-sensibler Multimaterial-Werkstoffe. Die entwickelte kompakte Schweißbrennertechnik auf Basis des nicht-übertragenen Lichtbogens mit nicht-schmelzender und abschmelzender Elektrode wurde als Brennerprototyp technisch-konstruktiv aufgebaut, untersucht und evaluiert. Anhand der erarbeiteten technisch-werkstofflichen Konzepte entstand ein definiertes Anforderungsprofil für die entwickelten MSG-Hybrid-Lötbrenner und deren Peripherietechnik.
Basis MIG- und WIG-Schweißen
Das erste erarbeitete Konzept basiert auf dem Prinzip des Metall-Inertgasschweißens (MIG) mit einem nicht-übertragenen Lichtbogen, bei dem der Zusatzwerkstoff – eine Drahtelektrode – als Kathode (plus gepolt) und eine gekühlte Kupferdüse als Anode (minus gepolt) definiert wurden. Das zweite Konzept beruht auf dem Prinzip des Kaltdraht-Wolfram-Inertgas-Schweißens (WIG) mit einem nicht-übertragenen Lichtbogen, bei dem der Lichtbogen zwischen der Wolframelektrode (Kathode, minus gepolt) und einer gekühlten Gasanode (Kupferringdüse, plus gepolt) brennt.
Die dafür benötigte Drahtzuführeinheit entwickelte das Steinbeis-Team wieder gemeinsam mit dem Industriepartner Weber Schweißmaschinen. In einem ersten Schritt entstanden Brennerköpfe, die mehrere Anforderungen zu erfüllen hatten: eine problemlose Lichtbogenzündung, eine gute Lichtbogenstabilität, ein reproduzierbarer und funktionssicherer Lichtbogen-Lötprozess und eine zuverlässige Brennerfunktion durch den Aufbau eines effektiven Kühlsystems und kompakten Brennerkopfs. Bei der Brennerkopfvariante für das MIG-Schweißen wurde seitlich eine Wolframelektrode an der Stromkontaktdüse angebracht, um einen leichten Zündvorgang und stabilen Lichtbogenprozess gewährleisten zu können. Bei der Brennervariante mit externer Drahtzuführung wurde der Brennerkopf so konstruiert, dass die gekühlte Kupferringdüse als Anode und die Wolframelektrode als Kathode definiert werden. Das Zusatzmaterial wird seitlich zugeführt und schmilzt in den Lichtbogenbereich hinein. Diese Variante stellt eine hohe Lichtbogenstabilität sicher. Da die Anode hier stark thermisch belastet wird, muss sie dementsprechend stark gekühlt werden.
Mit den durchgeführten Untersuchungen konnte das Projektteam die Prozessdaten in mehrerlei Hinsicht bewerten: Das umfasste das physikalische Wirkprinzip des nicht-übertragenen Lichtbogens bei beiden technischen Brennerkonzepten, die Wirkung von Prozessparametervariationen auf den Schmelzprozess, den Tropfenübergang/-ablauf und dessen Temperaturverteilung, die Energiebilanz und das Verhältnis zwischen der Lichtbogenemission und der Bauteiloberflächenaktivierung. Eine gute Synchronisation zwischen dem Drahtvorschub und der Fügegeschwindigkeit sowie den Leistungsparametern wie Schweißstrom, -spannung und Tropfentemperatur führt zu optimalen Schweißprozessrandbedingungen.
Brennerprototypen im Test
Die beiden gebauten Brennerprototypen wurden hinsichtlich der Zündung, der elektrischen Isolierung, der Abdichtung des Kühlsystems und des Wasser-/Gasflusses geprüft. Die Ergebnisse überzeugten, sie zeigten eine problemlose Zündung mit der verwendeten Stromquelle als Hochfrequenzgerät, es entsteht ein stabiler Lichtbogenprozess bei niedriger Leistung. Die Wasserdichtung der Brennerköpfe war fehlerfrei und das Kühlsystem funktioniert gut. Dabei hängt die Lichtbogenstabilität stark von Drahtvorschub und Fügegeschwindigkeit ab. Die Drahteigenschaften wie Steifigkeit, elektrische Leitfähigkeit und Durchmesser spielen ebenfalls eine wichtige Rolle und beeinflussen stark die Stabilität und Produktivität des Lötprozesses. Das Projektteam erreichte hohe Lötgeschwindigkeiten bis zu 1,5 m/min bei einer sehr guten Lötbarkeit.
Die gelöteten Versuchsproben mit den beiden Lötdrahttypen (SnCu3 und CuAl8) und der WIG-Brennervariante zeigten fehlerfreie Lötverbindungen. Bei Verwendung des Zusatzwerkstoffes CuAl8 mit unterschiedlichen Durchmessern zeigten die Lötproben eine sehr gute Verbindung sowie eine hohe Zugfestigkeit von bis zu 90 % des Grundwerkstoffes. Es wurde eine solide Verbindung mit einer hohen Haftfestigkeit des Lotes am Substrat-Material erreicht. Durch das Löten von Multimaterial/Sandwichmaterial in vielen Verbindungsdesigns mit dem gleichen Multimaterial beziehungsweise mit verzinkten Stählen bleibt die Polymerschicht ohne jegliche Zerstörung erhalten.
Bei der MIG-Brennervariante fand die Lichtbogenzündung durch eine Stromquelle mit einer Hochfrequenzzündeinheit statt. Dabei zeigte sich: Wenn der voreingestellte Abstand zwischen Wolframelektrode und Draht konstant bleibt, zündet der Lichtbogen schnell und gleichmäßig an, sodass der Abstand zwischen Anode und Kathode keinen kritischen Wert mehr für den Zündprozess darstellt. Die durchgeführten Experimente und Brennerversuche zeigten, dass der Brenner über ein effektives Kühlsystem verfügt, wasserdicht ist und der Prozessgasfluss die funktionellen Anforderungen erfüllt. Bei Verwendung von Schweißstrom und Schweißspannung mit den Werten 150 A und 27 V wird eine Lötgeschwindigkeit bis zu 1,5 m/min erreicht. Bei niedriger Brennerleistung (30-50 A und 20-30 V) ist der Lichtbogen stabil, die Fügegeschwindigkeit muss aber angepasst werden. Sie sollte daher schon am Anfang optimal eingestellt und mit der Drahtvorschubgeschwindigkeit gut synchronisiert werden. Die durchgeführten Lötversuche wurden mit unterschiedlichen Naht-Verbindungsgeometrien wie I-Naht, Blind- und Bördelnaht getestet. Bei keinen Lötnähten sind Lötnahtfehler bei Gefügeaufbau und Nahtverbindungen aufgetreten und das Polymermaterial wurde erhalten.
Die gemeinsame Entwicklung des Drahtvorschubsystems des Steinbeis-Teams mit Weber Schweißmaschinen erreichte, dass die Schweiß-Zusatzwerkstoffzuführung problemlos die technischen Anforderungen hinsichtlich einer fehlerfreien Vorschubgeschwindigkeit bis zu 10 m/min bei Durchmessern ≤ 0,8 mm oder bei Durchmessern ≥ 0,8 mm erfüllte. Die Lichtbogenstabilität ist in diesem Fall stark von der Position der Drahtenden und deren Geometrie abhängig, daher ist eine konstante Drahtvorschubgeschwindigkeit dringend erforderlich. Die Verwendung des entwickelten Drahtvorschubsystems führte zu einer Lichtbogenstabilität sowie zur Synchronisierung der geschmolzenen Tropfen mit der Fügegeschwindigkeit.
Die beiden entwickelten und aufgebauten Brennerkopfprototypen auf Basis des nicht-übertragenen MSG-Lichtbogens funktionieren prozesstechnisch fehlerfrei und sind einfach an Schweißroboter anzuschließen. Die Brennerkühlsysteme sind sehr effektiv und erfüllen die definierten Brennerleistungen, die Zündvorgänge können durch den Einsatz von einfachen Schweißstromquellen mit Hochfrequenzzündeinheiten fehlerfrei betrieben werden. Die Lichtbogenstabilität wird durch das entwickelte Drahtvorschubsystem mit einer gleichmäßigen und kontinuierlichen Drahtzuführung realisiert, sodass eine hohe Lötverbindungsqualität erreichbar ist.
Kontakt
PD Dr.-Ing. habil. Khaled Alaluss (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
Dr.-Ing. Hayder Al-Mashhadani
Projektmitarbeiter
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
Friedemann Sell
Projektmitarbeiter
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
Karl-Martin Weber
Geschäftsführer
WSM Weber Schweißmaschinen GmbH (Buseck, Hessen)