Steinbeis-Unternehmerin Dr. Karen Dittmann und parsQube-Geschäftsführer Mehrschad Zaeri im Gespräch über hybrides Projektdesign
Der Bau eines Krankenhauses, die Einführung neuer Software in einem Unternehmen, die Umorganisation eines Geschäftsbereichs – so unterschiedlich diese Vorhaben sind, was sie eint ist der Projektcharakter. Während man in der Vergangenheit bei der Durchführung oft auf das klassische, plangetriebene Projektmanagement zurückgegriffen hat, tritt heute „agiles Projektmanagement“ immer mehr in den Vordergrund. Motivatoren, um agil zu arbeiten, sind eine zunehmende Dynamisierung der Vorhaben und die Intention mit Komplexität besser umzugehen. Viele Unternehmen sind jedoch mit der Agilisierung ihrer Projekte noch überfordert oder brauchen sie nicht in dem Maße, wie agiles Projektmanagement dies propagiert. Hier punktet das hybride Projektmanagement, das den klassischen mit dem agilen Ansatz kombiniert. Dr. Karen Dittmann, Steinbeis-Unternehmerin am Steinbeis-Transferzentrum IT-Projektmanagement, und Mehrschad Zaeri, Geschäftsführer der parsQube GmbH, arbeiten seit Langem bei der Umsetzung von Projekten zusammen und haben vor Kurzem ihren „HybridBlog“ auf YouTube ins Leben gerufen, in dem sie sich über Dos und Don‘ts, Philosophie und Best Practices der Projektarbeit unterhalten. Die TRANSFER hat in den Blog reingehört und sich mit den beiden Profis im Projektmanagement unterhalten.
Frau Dr. Dittmann, Herr Zaeri, die Premiere Ihres YouTube-Blogs liegt hinter Ihnen, wie waren Sie auf die Idee gekommen, einen Blog über hybrides Projektdesign ins Leben zu rufen?
Mehrschad Zaeri: Mit unserer langen Erfahrung im Projektmanagement haben wir zwei Dinge festgestellt: Es ist sehr wichtig, die klassischen Methoden zu beherrschen, aber angesichts wachsender Herausforderungen und steigender Komplexität von Projekten sind gleichzeitig auch agile Herangehensweisen unerlässlich. Wir kennen beide die verschiedenen Welten – klassisch und agil – und wollen eine Brücke schlagen, um das Beste aus diesen zusammenzubringen und Synergien zu schöpfen.
Karen Dittmann: Für mich ist auch wichtig, die Erfahrungen aus unterschiedlichen Branchen, in denen ich unterwegs bin, einzubringen. Als Unternehmerin am Steinbeis-Transferzentrum IT-Projektmanagement kenne ich die IT-Branche mit all ihren Ausprägungen, den Maschinen- und Anlagenbau, den Agrarsektor, aber auch die medizinische Forschung, die alle ganz unterschiedliche Kulturen, Herangehensweisen und Anforderungen haben. Durch diese Fülle an Unterschieden entwickelt man einen breiten Blickwinkel, der dazu einlädt hybrid zu denken.
Sie orientieren sich in Ihrer Beratungsarbeit bei Kunden an einem ganz speziellen Kompass, erzählen Sie uns mehr davon!
Mehrschad Zaeri: Unser Kompass ist ein mächtiges Werkzeug, mit dem wir in Organisationen Veränderungen hin zu hybriden Vorgehensmodellen angehen. Wir unterscheiden bei diesem Ansatz verschiedene Himmelsrichtungen. Der Norden steht für die Haltung, das Mindset: Welche Haltung existiert in einem Unternehmen, und was muss bei einem Veränderungsprojekt berücksichtigt werden? Die Organisation steht im Osten: In welchen Organisationseinheiten finden Projekte statt, welche Rollen sind vergeben, welche Prozesse und Qualitätsstandards müssen berücksichtigt werden? Im Süden steht die vorhandene praktische Erfahrung mit Projekten im Unternehmen: Wieviel Kompetenz ist hier bereits erworben worden? Im Westen kommen schließlich die Theorie und der Methodenkoffer, der schon so eingespielt und geläufig ist, dass leicht darauf zurückgegriffen werden kann.
Karen Dittmann: Jetzt kann man sich vielleicht fragen, was das mit hybridem Projektdesign zu tun hat. Was wir am Steinbeis-Transferzentrum IT-Projektmanagement aus unseren Beratungen gelernt haben, ist, dass die Einführung einer hybriden Vorgehensweise immer ganzheitlich angegangen werden muss. Es reicht nicht aus, alle Mitarbeiter auf eine Schulung zu schicken und dann zu verlangen, dass hybrid gearbeitet wird – der Westen in unserer Kompassanalogie. Ist in der Unternehmenskultur ein „Fail“ oder sogar „Fail fast“ noch gar nicht als Haltung – der Norden im Kompass – angekommen, dann wird es schwierig, agile Prinzipien zu integrieren. Und ist die Organisation, der Osten, auf hierarchische Projektleitung eingeschworen, dann wird es mit dem Prinzip des „Servant Leader“ im Agilen schwierig. Nicht zuletzt muss der Süden, die praktische Erfahrung, berücksichtigt werden, denn wenn noch keine Erfahrung mit Projekten vorliegt, muss die Organisation grundlegend Gesetzmäßigkeiten und Strategien der Projektarbeit einführen.
Mehrschad Zaeri: Generell gilt, dass ein hybrider Ansatz schwierig ist, wenn wenig Erfahrung mit Projektarbeit vorliegt, denn er ist die herausforderndste der drei Vorgehensweisen – agil, klassisch und hybrid.
Karen Dittmann: Genau, und das unterschätzen viele. Denn bei hybridem Vorgehen muss man nicht nur das klassische Projektmanagement so beherrschen, dass man es blind anwenden kann. Man muss auch die Palette der agilen Frameworks kennen – inklusive eines Mindset-Wechsels.
Das klingt anspruchsvoll – haben denn Projektleiter im Normalfall dieses Know-how?
Karen Dittmann: Nein, und da kommen wir an einen wichtigen Punkt. Wenn wir hybrides Projektdesign anwenden, dann sprechen wir nicht über kleine und mittlere Projekte, die in einer Organisation das Grundrauschen verursachen. Sondern wir sehen den Einsatz vor allem bei großen, herausfordernden, komplexen Vorhaben. Oder beim Design von Vorgehensmodellen für eine spezifische Organisation. Dafür werden Projektleitungsprofis gebraucht, die dann auch über das nötige Wissen und die Skills verfügen.
Mehrschad Zaeri: Hybrides Projektdesign ist die Königsdisziplin im Projektmanagement.
Karen Dittmann: Das sehe ich genauso. Sie macht aber auch am meisten Spaß!
In folgendem Video erfahren Sie mehr über hybrides Projektdesign:
Kontakt
Dr. Karen Dittmann (Autorin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Transferzentrum IT-Projektmanagement (ITPM) (Ludwigsburg)
www.stz-itpm.de
Mehrschad Zaeri (Autor)
Geschäftsführer
parsQube GmbH (Karlsruhe)