Ausnahmesituationen bieten die einmalige Chance für einen Neuaufbau, meint Steinbeiser Uwe Haug
Haben Sie sich diese Frage schon einmal gestellt? Auf die Frage, wofür/warum man etwas tut, haben viele keine tragende Antwort – seien es Unternehmer, Führungskräfte oder Mitarbeiter. Es sind vielmehr die „Wie machen wir etwas“- und „Was machen wir“-Fragen, die unser Denken und Handeln bestimmen. Machen Sie den Selbstversuch! Stellen Sie diese Frage den Führungskräften Ihres Unternehmens (und Ihnen selbst?). Sie werden vermutlich feststellen, dass der „Unternehmenskontext“, der übergeordnete Handlungsrahmen, vielen nicht wirklich klar ist. Was heißt das aber in einer den Alltag völlig auf den Kopf stellenden Situation wie der momentanen? Darüber hat sich Uwe Haug, Prokurist in der Steinbeis-Zentrale, Gedanken gemacht.
Die aus den Folgen der als Corona-Pandemie deklarierten Umstände entstandenen aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen und die daraus resultierenden Rahmenbedingungen haben uns gezeigt, dass jedes Unternehmen, jeder Selbstständige, ja jeder Einzelne sich diese Frage stellen muss. Wie schnell sind wir doch alle aus diesem „Wie/was“-Modus herausgerissen und zurückgeworfen worden auf das Nachdenken über die persönlichen Motive für unser Handeln.
Was lernen wir nun in der Krise? Nur das in der alten Normalität Bestehende wieder aufzubauen ist so nicht mehr vollumfänglich möglich und mit den aus dem Lösungsmodus gereiften Erkenntnissen auch nicht sinnvoll. Der Fokus und das Mindset haben sich durch die Krise verändert. Wir müssen so manches loslassen, damit wir Neues ergreifen können! Gerade in den anstehenden Neuaufbauprozessen reicht es nicht mehr aus, nur die bestehenden Strukturen und Geschäftsmodelle zu verändern oder zu perfektionieren. Es geht jetzt vielmehr darum, die Menschen in ihrer jetzigen Situation abzuholen, das kreative Potenzial jedes Einzelnen zu erschließen und für den Neuaufbau zu gewinnen. Wie kommt es üblicherweise zu Veränderung? Nun, entweder ist der Leidensdruck groß genug oder die Begeisterung für ein neues Ziel. Ersteres ist vermutlich für viele gegeben, aber schaffen wir auch den zweiten Teil?
Drei „e“: effektiv, effizient und emotional
Gehen wir für die Neuaufbauphase vom Positiven, vom Gestaltbaren aus: „Wer die Herzen der Menschen erreicht, braucht sich um die Köpfe nicht zu sorgen“, sagt Trainer und Coach Dieter Lange. Als eine Erkenntnis aus der Krise ist deutlich geworden, dass wir die immer noch gültige Handlungsmaxime „effektiv und effizient“ zur Gestaltung von Prozessen um ein drittes „e“ für emotional erweitern müssen. In den jetzt anstehenden Neuaufbauprozessen besteht daher auch eine große Chance für die Entwicklung der Unternehmensfähigkeit einer drei-(e)-dimensionalen „emotionalen Effektizienz“.
Was ist nun die (neue) Überschrift Ihres Unternehmens? Es geht nicht um die Frage nach den Unternehmenszielen, auch nicht um das Mission-Statement oder darum, welches Produkt, welche Dienstleistung Ihr Unternehmen anbietet. Es geht um die Frage nach dem Wofür und Warum, um das Produkt hinter dem Produkt.
→ Ein kleines Rätsel: Erkennen Sie hier spontan und ohne Hilfe das Unternehmen/die Marke?
„We sell your dream, the bike is for free”
„Freude am Fahren”
„Don’t go with less.”
„…., perfectly you“
„Wofür stehst du auf?“
„Transfer Visions into Business!“
Hat eine Aussage eine besondere Emotion bei Ihnen ausgelöst? Unternehmensneuaufbau ohne Emotion ist wie Duschen ohne Wasser! Laut dem amerikanischen Graphikdesigner Milton Glaser gibt es drei Reaktionen auf ein Design: „Ja, nein und wow!“ Übertragen auf einen Neuaufbauprozess brauchen wir mehr von diesem „wow“, von der Begeisterung für Neues, vom Staunen über Außergewöhnliches. Wir wollen raus aus der Gleichförmigkeit, die das Handeln vor der Krise bestimmt hat, raus aus der zwanghaften Wiederholungsschleife ständig immer wieder das Gleiche tun zu müssen. Doch dazu bedarf es mehr als nur rein wissensbasierter Managementmethoden, wir brauchen emotionale Reflektion statt pausenlosem Einsatz, gestaltende Synthese und nicht nur Analyse. Das Zusammenführen von scheinbar Unvereinbarem und die Sache vom Ende her zu denken sind wichtige Markierungslinien auf dem Weg des verändernden Neuaufbaus.
Interessant: Die Krise hat auch durch die veränderten Arbeitsbedingungen gezeigt, dass sich viele Menschen wieder nach einer altbekannten Emotion, dem „Werk-Stolz“ sehnen. In Zeiten von massenhaft bearbeiteten E-Mails und bis zur mentalen Ermüdung geführten Videokonferenzen, unter zunehmend entpersonalisierten Formen der Kommunikation wollen viele doch gerne wieder das Werk erkennen und würdigen, das sie am Ende eines Tages geschafft und geschaffen haben. Das eigene Tun in das große Ganze, eben in den Unternehmenskontext, einordnen zu können, ist erfüllend. Nachhaltige Veränderung, Neuaufbau mit motivierten Mitarbeitenden bekommen wir nur dann hin, wenn wir als Unternehmen/Unternehmer unseren Mitarbeitenden den Sinn ihres Tuns wieder vermitteln können. Wenn diese Idee eines Neuaufbaus im Inneren trägt, müssen wir niemanden von außen motivieren. Ich grüße Sie mit mutmachender Neuaufbau-„e-motion“!
Auflösung: Harley Davidson, BMW, Mey (Wäsche), Wella, Hohes C, Steinbeis
Kontakt
Uwe Haug (Autor)
Prokurist
Steinbeis-Zentrale (Stuttgart)
Als Geschäftsführer mehrerer zentraler Steinbeis-Unternehmen ist Uwe Haug als Prokurist Mitglied der Geschäftsleitung der Steinbeis GmbH & Co. KG für Technologietransfer in Stuttgart. Er ist zentral als Unternehmensentwickler für Steinbeis-Unternehmen tätig. Zudem koordiniert er das internationale Steinbeis-Netzwerk.