Steinbeis-Team koordiniert Initiative zur Energieeffizienz in Pflegeeinrichtungen
Das Thema Energie wird in Altenhilfeeinrichtungen oft nicht weiter beachtet. Das ist verständlich, denn zu viele andere Themen fordern die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter in allen Bereichen. So kommt es, dass die Heizung weiterläuft, während das Fenster für frische Luft den ganzen Tag gekippt ist. Aus Gewohnheit werden die Wärmewagen gleich bei Arbeitsbeginn eingeschaltet, obwohl sie erst einige Stunden später genutzt werden. Genau an diesen Kleinigkeiten setzt die Initiative „Energieeffizienz für Pflegeeinrichtungen“ an, die das Steinbeis- Forschungszentrum Solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites) 2015 gemeinsam mit dem Amt für Umweltschutz in Stuttgart und dem Beratungsbüro Nowak begonnen hat. Sie wird fachlich und finanziell von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück gefördert und unterstützt Einrichtungen bei der Umsetzung von Energiesparmaßnahmen. Elf Senioren- und Pflegeheime aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen haben an der Initiative teilgenommen. Das Ergebnis: Bis zu 21% Wärme und je 12% Strom und Wasser konnten 2017 durch einfache Maßnahmen gespart werden.
Studien zufolge verbrauchen Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen bis zu vier Mal so viel Heizenergie und bis zu sechs Mal so viel Strom wie eine Person, die in einem Vier-Personen-Haushalt lebt. Bei rund 800.000 Menschen, die bundesweit in diesen Einrichtungen leben, ist das Potenzial für den Klimaschutz entsprechend hoch. Und die Ergebnisse der Initiative zeigen, dass durch energiebewusstes Verhalten sowie mit einfachen organisatorischen und technischen Maßnahmen beträchtlich Energie eingespart werden kann.
Finanzielle Anreize, ihren Energieverbrauch zu senken, haben Pflegeeinrichtungen leider kaum, denn die Energiekosten werden über die Pflegesätze abgerechnet und Einsparungen verbleiben somit nicht in der Einrichtung. Andererseits erhöhen Investitionen in effiziente Anlagentechnik die Kosten für die Pflegebedürftigen und sind schwer durchsetzbar. Nur durch eine Veränderung dieser Strukturen könnten effektive Anreize für Energieeffizienz in der Pflegebranche geschaffen werden.
„Der Handlungsspielraum ist also gering“, resümiert Steinbeis-Projektleiterin Magdalena Berberich. „Deshalb fokussieren wir auf das energiebewusste Verhalten und geringinvestive Maßnahmen“. Adressiert werden vor allem die Mitarbeiter. Für die Pflegebedürftigen darf der Komfort natürlich nicht eingeschränkt werden. „Viele sind körperlich oder geistig nicht fit genug, um sich zu beteiligen. Manche sind aber auch interessiert und haben gleich Verbesserungsvorschläge parat“, sagt Magdalena Berberich. Darüber hinaus gibt es Einschränkungen bei der Bedienung der haustechnischen Anlagen. Für die Einrichtungsleitung ist die Haustechnik nur eines von vielen Themen. Die Betreuung der Haustechnik ist oft nur mit einer halben Stelle besetzt und auf externe Wartungsfirmen angewiesen. Die komplexen Heizungssysteme in manchen Einrichtungen haben jedoch einen hohen Wartungs- und Regelungsaufwand und sind selten optimal eingestellt. Ein Überblick über den Energieverbrauch des Gebäudes ist oft nicht vorhanden und die Energieabrechnungen werden bei der Trägerorganisation gesammelt. „Um Einsparpotenziale oder technische Fehler erkennen zu können, ist es sehr wichtig, den Energieverbrauch der Einrichtung zu kennen und auch regelmäßig zu kontrollieren“, stellt Dr. Jürgen Görres, Leiter der Energieabteilung beim Amt für Umweltschutz der Stadt Stuttgart fest. Daher arbeitet das Amt für Umweltschutz seit vielen Jahren eng mit den städtischen Pflegeeinrichtungen zusammen. Durch das kontinuierliche Energiemanagement werden die Einrichtungen regelmäßig über Abweichungen im Energieverbrauch informiert und gezielt im energieeffizienten Anlagenbetrieb beraten. Im Rahmen des Projektes flossen diese langjährigen Erfahrungen auch in das Energiemanagement der Piloteinrichtungen ein.
Gemeinsam mit den teilnehmenden Einrichtungen wurde ein Umweltkommunikationskonzept entwickelt, das das Bewusstsein für Energie in der Pflege stärken und den Energieverbrauch über Verhaltensänderung sowie geringinvestive technische und organisatorische Maßnahmen langfristig senken soll. Das Konzept besteht aus einer Initialanalyse der Gebäudetechnik und der Energieverbräuche, Schulungen des Personals, Kampagnenmaterialien zur Sensibilisierung und Workshops zum Erfahrungsaustausch über Effizienzmaßnahmen. In der Summe soll das Konzept ein langfristiges Energiemanagement ermöglichen.
Das Maskottchen Eddie motiviert in der begleitenden „Energie-schenkt- Freude“ Kampagne an Stellen wie Lichtschalter, Fenster und Wärmewagen mit freundlichen Hinweisen zum effizienten Handeln.
Um die Fortschritte zu dokumentieren, werden die Energiedaten kontinuierlich erfasst und ausgewertet. Die Einrichtungen tragen die monatlichen Zählerstände im geschützten Bereich des dafür entwickelten Internetportals ein. Hier werden sie automatisiert ausgewertet und mit den vorhergehenden Monaten und Jahren verglichen. Durch die Visualisierung wird in den Einrichtungen teilweise erstmals ein Gefühl für die eigenen Energieverbräuche entwickelt.
Während der zweijährigen Erprobung des Konzepts in den Piloteinrichtungen wurde sichtbar, dass schon mit geringem Aufwand Einsparungen möglich sind. So wurden 2017 im Vergleich zu den Jahren 2013 bis 2015 insgesamt 380 Tonnen Kohlenstoffdioxid-Emissionen vermieden. Die in Summe eingesparten Energiemengen entsprechen dem Wärmeverbrauch von 11 Einfamilienhäusern, dem Wasserverbrauch von 26 Einfamilienhäusern und dem Stromverbrauch von 55 Einfamilienhäusern mit Vier-Personen-Haushalten.
Die Beteiligten aus den Pilotheimen berichteten, dass sich durch die Kampagne etwas verändert habe und mehr auf ein energiebewusstes Verhalten geachtet und auch darüber gesprochen werde. Als sehr wichtig wurde die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch zwischen den Piloteinrichtungen bewertet, denn dadurch konnten Ideen angestoßen werden. In diesem Rahmen wurde über die gängige Praxis, Reinigungstextilien aus hygienischen Gründen zu trocknen, bevor sie am gleichen Tag wiederverwendet werden, diskutiert. Durch den nun angepassten Ablauf, bei dem die Textilien morgens gewaschen und dadurch ohne Lagerzeit direkt wiederverwendet werden, spart eine Einrichtung zwölf Trocknergänge wöchentlich. So wurden je nach Situation und Möglichkeiten vor Ort in jeder Einrichtung andere Maßnahmen ergriffen. In allen Einrichtungen wurden die Mitarbeiter regelmäßig über energiebewusstes Verhalten beispielsweise in Bezug auf Heizen und Lüften, Beleuchtung und Betrieb von elektrischen Geräten informiert. Neben dem energiebewussteren Verhalten wurden die Einsparungen unter anderem durch die Absenkung der Heiztemperatur, einen hydraulischen Abgleich der Raumheizung und den Einsatz von LED-Lampen erreicht.
„Es braucht Zeit, bis sich etwas verändert, aber die Mühe lohnt sich“, zieht Magdalena Berberich Bilanz. Und auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt zeigte sich zufrieden mit den Ergebnissen. „Man kann den Energieverbrauch in Alten- und Pflegeeinrichtungen auch ohne große Investitionen verringern, wenn alle Beteiligten sich im Alltag energiebewusst verhalten“, so DBU-Referatsleiterin Verena Exner. Das Projekt lief bis Ende Oktober, das nun erprobte Konzept soll in den Piloteinrichtungen und auch in anderen Einrichtungen weiterleben.
Kontakt
Magdalena Berberich
Steinbeis-Forschungszentrum Solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites) (Stuttgart)
www.solites.de