TRANSFER im Gespräch mit Hartmut Welck und Matthieu Grosjean, Experten der Steinbeis 2i GmbH für internationales Innovationsmanagement
Innovieren und internationalisieren – diesen beiden Schwerpunkten haben sich die Experten der Steinbeis 2i GmbH verschrieben, die eng mit dem Steinbeis-Europa-Zentrum zusammenarbeiten. Als Teil des Steinbeis-Verbundes bilden die Steinbeis-Experten gemeinsam mit dem Enterprise Europe Network für Unternehmen, Forschungseinrichtungen, Hochschulen, Verwaltung und Politik die Brücke nach Europa. Hartmut Welck ist als Senior Projektleiter Ansprechpartner rund um die Themen Bioökonomie, Ernährung, industrielle Biotechnologie und Innovationsmanagement, sein Kollege Matthieu Grosjean leitet die Projektthemen Smart Cities, Transport, Logistik und Elektromobilität. Die TRANSFER hat sich mit den beiden Europa-Spezialisten zum Interview getroffen.
Herr Welck, Sie begleiten insbesondere KMU beim Innovationsprozess, an welche Unternehmen wenden Sie sich konkret?
Wir wenden uns vor allem an kleine und mittlere Unternehmen aber auch Start-ups in Baden-Württemberg, die dabei sind zu wachsen und vor der Frage stehen, womit und wie sie wachsen wollen – also ganz konkret mit welchen Produkten oder Dienstleistungen und mit welchem entsprechenden Geschäftsmodell.
Wie gehen Sie bei der Beratung konkret vor?
In einem ersten Schritt betrachten wir Unternehmenskompetenzen und Innovationspotenziale, wir schauen, wo mögliche Barrieren liegen. Hier spielen auch die Werte, die Kultur und die Vision eines Unternehmens eine wichtige Rolle. Im Anschluss wird das Unternehmensumfeld im Hinblick auf Trends, Markt und Wettbewerber analysiert. Anhand dieser Erkenntnisse werden die Innovations- und Unternehmensziele gespiegelt und ein Strategiekonzept entwickelt, wie Innovationsziele effektiver erreicht werden können. Dies kann dazu führen, dass inkrementelle Innovationen zu verwandten und neuen Produkten oder Dienstleistungen führen beziehungsweise verwandte oder neue Marktsegmente adressiert werden. Es kann aber auch der Bedarf an bisher nicht genutzten Technologien oder Prozessen aufgedeckt werden, die zu Veränderungen in Geschäftsprozessen oder zu komplett neuen Produktfamilien führen. Durch Systematisierung kann das Unternehmen dann sein Vorgehen besser priorisieren.
Herr Grosjean, werfen wir einen Blick in die Welt der europäischen Projektzusammenarbeit. Wie gestaltet sich hier Ihre Beratung zum Innovationsmanagement? Wo liegen die Herausforderungen?
Die Zusammenarbeit in europäischen Projekten und deren Förderung folgt den Leitlinien der Innovationspolitik aber auch beispielsweise der Klima- und Energiepolitik. Die Europäische Kommission finanziert Projektkonsortien mit dem Ziel, Innovationen zu beschleunigen und nachhaltig auf den europäischen Markt zu bringen. Hier begleiten wir als Berater und Projektpartner die Entwicklung von Lösungen und Innovationen. Dabei betrachten und diskutieren wir die geistigen Eigentumsrechte, entwickeln in Zusammenarbeit mit dem Konsortium eine Verwertungsstrategie, Aktionspläne und Geschäftsmodelle. Darüber hinaus übernehmen wir die Rolle der Kommunikation und das administrative und finanzielle Projektmanagement. Als Experten für Innovationsmanagement arbeiten wir im Steinbeis-Europa- Zentrum und in der Steinbeis 2i GmbH als Katalysator für die Europäische Kommission und für das Projektkonsortium. Wir beschleunigen den lösungsorientierten Austausch zwischen den Partnern. Die Herausforderung liegt vor allem in der Komplexität der unterschiedlichen Erwartungen und Ziele der einzelnen Partner. Die Zahl dieser Partner liegt in EU-Projekten zwischen 10 und 30 Partnern aus mehreren Ländern.
Herr Welck, wie profitieren Unternehmen aus Ihrer Sicht von Ihrer Beratung? Welche Wege kann ein KMU einschlagen?
Im Ganzen eröffnet sich dem Unternehmen eine strukturiertvalidierte und umfassende Sicht auf seine Innovationspotenziale, -chancen aber auch -risiken. In einem Coachingprozess begleiten wir die Unternehmen bei weiteren Schritten. So bieten wir Coaching zur Sicherung von Finanzmitteln durch FuE-Fördermittel, zum Aufbau eines Innovations-Ökosystems mit potenziellen Partnern, bei der Verwertung und dem Schutz von geistigem Eigentum sowie bei der Entwicklung neuer Ideen an. Sich aus unterschiedlichen Sichtweisen mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen, ermöglicht es dem Management, neue Erkenntnisse für die Entwicklung oder Anpassung einer Innovationsstrategie zu gewinnen.
Herr Grosjean, Sie wirken unter anderem in großen Smart Cities Leuchtturmprojekten mit. Welche Partner spielen hier die tragende Rolle für die Umsetzung von Innovationen in den Städten und wie begleiten Sie diese?
Unternehmen sind im Zuge der Entwicklung zu Industrie 4.0 und Wirtschaft 4.0 dank neuer Technologien schon sehr weit fortgeschritten. Es ist eine besondere Herausforderung für Städte und Gemeinden diese Innovationen aufzugreifen. Als Projektpartner der Smart Cities Leuchtturmprojekte werden die Städte aufgefordert, eine zukunftsorientierte Stadtentwicklungsstrategie zu definieren, die sowohl erneuerbare Energien, nachhaltige Mobilität und ICT-Lösungen berücksichtigt. Zugleich müssen die Bürger informiert und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Allgemein gilt: Ohne einen Treiber, sei es Bürgermeister, Forscher oder Unternehmer, ist ein solches Projekt nicht zu stemmen.
Wir helfen den Städten hier, sich an die Vorgaben der EU zu halten, vermitteln zwischen den unterschiedlichen Interessensvertretern und der EU, holen innovative Unternehmen mit ins Boot und entwickeln Geschäftsmodelle. Der Erfolg eines Projekts ist komplett abhängig von der Zusammenarbeit des Konsortiums, dem Zusammenspiel von Stadt, Unternehmen, Entwicklern, Investoren und Beratern. Alle Partner sind wichtig und keiner könnte allein eine Lösung finden. Letztendlich sind es aber die Städte selbst, die über die Zukunft entscheiden.
Gibt es Beispiele für neue Märkte oder neue Produkte, die auf Grund der Smart Cities Projekte entstanden sind?
Smart Cities sollen und wollen den Klimaschutz voranbringen und Mobilität gesünder und umweltfreundlicher gestalten indem sie CO2-Emissionen und Energieverbrauch im Gebäude reduzieren. Im Rahmen der Smart Cities Leuchtturmprojekte wurden hierfür technologische Innovationen für beispielsweise Sanierung, Energieeffizienz, Fernwärmenutzung und die Verwendung erneuerbarer Energien entwickelt. Neue Märkte für IKT-Plattformen, die Daten sammeln, auswerten und steuern, Konzepte für Parkleitsysteme, Car- und Bike Sharing sowie Methoden schneller energieeffizienter Sanierung sind entstanden. Im Rahmen des EU-Projekts Triangulum wurde in Eindhoven ein Parkleitsystem entwickelt, das Autofahrer schnell zu einem freien Parkplatz lotst, digital das Autokennzeichen erfasst und verarbeitet und so unnötiges Fahren in der Stadt vermeidet. Im EU-Projekt REMOURBAN wurde ein ganzheitliches Stadterneuerungsmodell entwickelt, das von anderen Städten genutzt werden kann. Es berücksichtigt effiziente Heiz- und Kühlungslösungen in Gebäuden und die Integration von Smart Grids und nachhaltigen Verkehrsmanagementsystemen durch IKT-Anwendungen. In den Demonstrationsstadtteilen der drei Leuchtturmstädte Valladolid (Spanien), Nottingham (Großbritannien) und Tepebasi/Eskisehir (Türkei) ist es bereits gelungen, den Energieverbrauch im Stadtviertel um 50-53 % zu senken und den CO2-Ausstoß um 80 % in Valladolid und um 63 % in Tepebasi zu senken. Einen guten Überblick über alle Maßnahmen bietet das Smart Cities Information System (SCIS), eine Plattform, die aktuell unter anderem vom Steinbeis-Europa-Zentrum betreut wird. SCIS ist eine Begleitmaßnahme der Generaldirektion Energie und bringt Projektentwickler, Städte, Institutionen, Industrie und Experten aus ganz Europa zusammen, um Erfahrungen, Wissen und Daten auszutauschen.
Kontakt
Hartmut Welck, Matthieu Grosjean
Steinbeis 2i GmbH (Stuttgart/Karlsruhe)
www.steinbeis-europa.de | www.smartcities-infosystem.eu | www.triangulum-project.eu |
www.remourban.eu