Steinbeis und die Hochschule Pforzheim analysieren den digitalen Reifegrad von KMU
Die Rolle produzierender Unternehmen wandelt sich grundlegend: Während bisher Entwicklung, Produktion und Vertrieb qualitativ hochwertiger Sachprodukte im Mittelpunkt standen, erwarten Kunden künftig komplette Problemlösungen – Produkte angereichert mit Services oder komplette Services, in denen die Produkte zur Lösung der Kundenbedürfnisse weiterhin beitragen, jedoch für den Kunden nicht mehr im Vordergrund stehen. Solche sogenannten Produkt-Service-Systeme (PSS) gilt es für Unternehmen zur Wettbewerbssicherung in der Zukunft aufzubauen. Im Forschungsprojekt Use-PSS, einem Verbundprojekt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Förderschwerpunktes „Mittelstand Digital“, steht die Entwicklung betrieblicher Produkt-Service-Systeme im Vordergrund. Hierzu wird ein innovativer Gestaltungsrahmen und Methodenbaukasten zur Generierung von PSS für KMU entwickelt und erprobt. Hierfür ist es für Unternehmen als Ausgangsbasis erforderlich, ihre aktuelle Situation hinsichtlich der bisherigen Produkte und Dienstleistungen, der Kundenbedürfnisse sowie der digitalen Unternehmensstrategie zu analysieren. Das Team der Hochschule Pforzheim hat gemeinsam mit der bwcon GmbH als Steinbeis-Konsortialführer im Projekt eine digitale Reifegradanalyse bei baden-württembergischen KMU durchgeführt.
Franziska Blatz ist Studentin der Hochschule Pforzheim und hat sich in ihrer Bachelorarbeit intensiv mit der Frage befasst, welche Kriterien den Reifegrad eines Unternehmens beeinflussen. In einem von ihr entwickelten Fragebogen hat sie sechs Dimensionen zur Messung bestimmt:
- Strategie & Leadership
- Firmenkultur & Organisation
- IT-Infrastruktur
- Daten-Reifegrad
- Prozesse & Operationen
- Produkt (nach Auslieferung an den Kunden)
„In jeder dieser Dimensionen haben wir wiederum Fragen entworfen, die innerhalb einer jeden Dimension wichtige Aspekte der Digitalisierung beleuchten“, erläutert Franziska Blatz. Unter der Betreuung von Prof. Dr. Rebecca Bulander entstand so ein Fragebogen aus 58 Fragen, die mit einer Likert-Skala (fünf Ausprägungen) von „absolut nicht zutreffend (0)“ bis „absolut zutreffend (4)“ beantwortet werden konnten.
Seinen Praxistest erfuhr der Fragebogen im Netzwerk der bwcon GmbH: 55 Unternehmen in Baden-Württemberg nahmen an der initialen Studie teil und füllten den Fragebogen aus. „In der Studie wurden für jedes Unternehmen der digitale Reifegrad über alle sechs Dimensionen ermittelt und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet“, erklärt bwcon- Projektleiter Rudolf Mietzner das Vorgehen der Studie.
Anhand der beantworteten Fragebögen analysierte das Projekt-Team drei typische Antwortmuster der Unternehmen. Unternehmen des Antworttyps I (49%) sind punktuell beim Thema Digitalisierung schon weit fortgeschritten. Allerdings ist das Thema nicht flächendeckend in einer Dimension und/oder dimensionsübergreifend im Unternehmen eingeführt. Diesen Unternehmen empfehlen Franziska Blatz und Rudolf Mietzner, alle Aspekte der Digitalisierung in jeder Dimension systematisch ganzheitlich und nachhaltig anzugehen.
Unternehmen des Typs II (22%) weisen in spezifischen Bereichen (also mehreren zusammenhängenden Fragen) sehr hohe Werte und damit einen hohen Digitalisierungsgrad auf. Andere Bereiche und Dimensionen sind jedoch deutlich schlechter bewertet. Dies bedeutet zum Beispiel, dass das Unternehmen in den Dimensionen Strategie, Kultur und IT-Infrastruktur schon auf einem hohen digitalen Stand ist. Das Unternehmen hat es aber noch nicht geschafft, den Daten-Reifegrad, die Prozesse und das Produkt auf einen ähnlich hohen digitalen Stand zu bringen. Solche Unternehmen verfügen bereits über eine digitale Basis: Das Unternehmen verfolgt eine entsprechende Strategie; die Mitarbeiter und die Geschäftsleitung sind von den Potenzialen und der Relevanz der Digitalisierung überzeugt und die IT-Infrastruktur ist ebenfalls auf einem relativ hohen digitalen Stand. Diese digitale Basis muss nun genutzt werden, um die verbleibenden Dimensionen auf einen ebenfalls hohen digitalen Stand zu bringen.
Unternehmen, deren Fragebogen das Antwortmuster von Typ III (18 %) zeigte, weisen einen generell hohen Digitalisierungsgrad auf. Sie haben hohe Werte zu den verschiedenen Fragen über viele Dimensionen hinweg abgegeben. Nur vereinzelt sind noch Fragen zu erkennen, die den vollständigen Kreis aus hohen Werten unterbrechen. An diesen Stellen hat ein Unternehmen von Typ III noch Aufholbedarf hinsichtlich der Digitalisierung.
Das Projekt Use-PSS ist Teil der Förderinitiative „Einfach intuitiv – Usability für den Mittelstand“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Die Hochschule Pforzheim, die bwcon GmbH und das Steinbeis- Innovationszentrum 2 Digital Business arbeiten im Projekt gemeinsam an der Entwicklung eines Best Practice-Modells für KMU zur Generierung von digitalen Produkt-Service-Systemen.
Kontakt
Rudolf Mietzner
bwcon GmbH (Stuttgart)
Franziska Blatz, Prof. Dr. Rebecca Bulander
Hochschule Pforzheim (Pforzheim)