Chancengleichheit in der Energietechnik
In welcher Form hat die Teilhabe von Frauen an technischen Innovationsprozessen einen Einfluss auf das Ergebnis und den Markterfolg? Diese Frage hat das Steinbeis-Europa-Zentrum mit dem Projekt GENergie für den Bereich Energietechnik gestellt und mit Männern und Frauen aus der Wissenschaft, Forschung und Entwicklung diskutiert. Ergänzt wurden die Erkenntnisse durch Diskussionen in Expertengruppen aus dem Bereich Energieforschung und Gender der Europäischen Kommission. Dr. Petra Püchner und Saskia Heyde geben einen Einblick in die aktuellen Erkenntnisse.
Schon Tom Peters, der amerikanische Unternehmensberater und Autor von „Der Innovationskreis“ (1997) hat in seinem Buch dem Thema Frauen und Innovation ein Kapitel gewidmet. „Es gibt nur ‚lächerlich‘ wenige Unternehmen, die die Möglichkeiten von Frauen zu ihrem Vorteil nutzen. Was für ein kostspieliger Fehler“, so Peters. Rund die Hälfte der Konsumenten ist weiblich. Die meisten Kaufentscheidungen in Familien werden von Frauen getroffen.
Dennoch werden, bis auf wenige Ausnahmen, Produkte und Dienstleistungen insbesondere in den technischen Bereichen bevorzugt von Männern entwickelt – von der Idee bis zum Design. Dies hat sich seit Peters Publikation nur wenig geändert. Die Zielgruppe der Nutzer hingegen besteht aus Männern und Frauen. Im Projekt GENergie fragte sich das Steinbeis-Europa-Zentrum: Welche Stellen im Innovationsprozess sind relevant für Unterschiede? Wie kann man Heterogenität und Vielfalt berücksichtigen? In der Forschung sind Genderaspekte nicht sofort offensichtlich: Eine Brennstoffzelle oder die Entwicklung neuer chemischer Brennstoffe erschließen sich nicht sofort als genderrelevant. Jedoch zeigt sich anhand einiger Beispiele, dass besonders in den Bereichen „Mobilität“, „Gebäude und Städtebau“ und „Produkt- und Dienstleistungsentwicklung“ Genderaspekte durchaus eine Rolle spielen.
Die Initiative „Gendered Innovation“ der Stanford University, Kalifornien, und der Europäischen Kommission benennt Kriterien, die bereits für die Fragestellungen zu Beginn eines Forschungsprojekts einen Unterschied machen können. Denn bereits der Forschungsansatz bestimmt die Richtung, die unter Umständen Heterogenität und Vielfalt ausklammert und so zu Fehlannahmen führen kann. Das Beispiel Nahverkehr zeigt, dass die Zielgruppe in der Regel auf zwei Personengruppen zugeschnitten ist: Arbeitnehmer und Schüler, die morgens und abends zu Stoßzeiten unterwegs sind. Professorin Inés Sánchez de Madariaga von der Technischen Universität Madrid hat die Nahverkehrsströme aus neuer Sicht betrachtet und eine mindestens gleichgroße Nutzergruppe von hauptsächlich Frauen identifiziert, die eher vernetzt unterwegs sind. Wege zur Arbeit werden verbunden mit Wegen zum Einkaufen und zur Versorgung von Familienmitgliedern. So entstehen völlig andere Anforderungen an das Nahverkehrssystem. Es geht nicht darum, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen, sondern auf dem Weg von A nach B bequem und schnell die Verbindungen zu C und D einzubinden und dabei auch mit Kindern oder Älteren unterwegs zu sein.
Nutzerverhalten und Bedarfe unterscheiden sich also – das zeigt sich auch in der Anwendung von Energietechnik. Eine Studie über die Bedienungsanleitung zur Behebung von Störungen von Pelletheizungen zeigt, dass für die meisten Frauen im Haushalt die Vorgehensweisen unverständlich sind. Dies gilt möglicherweise auch für Männer, die aber eher mit Versuch und Irrtum arbeiten und so ihr Ziel erreichen. Verständliche Anleitungen und ein bedienungsfreundliches Design spielen daher eine deutlich große Rolle, wenn man alle Nutzer erreichen möchte. Eine Studie des dänischen Unternehmens Danfoss über die Bedienbarkeit der Klimaregulierung in Wohnräumen zeigt, dass das Design dieser Geräte die Zielgruppen Frauen, Kinder, ältere Menschen und Lehrer in Klassenräumen nicht berücksichtigt. Die Studie empfiehlt daher, das Design stärker an den Nutzern und deren Bedarfen zu orientieren, um eine deutlich höhere Akzeptanz und damit korrekte Nutzung der Geräte zu erreichen. Allein die Tatsache, dass ein Innovationsteam aus Männern und Frauen zusammen sitzt, ist keine Garantie dafür, dass andere Sichtweisen bei den Herangehensweisen einbezogen und untersucht werden. Die Teilhabe von Männern und Frauen in Innovationsteams ist ein Anfang – genauso wie die Einbeziehung verschiedener Kulturen und Altersgruppen. Ein entscheidender Aspekt aber ist das Bewusstsein und die Fragestellung nach möglichen Kriterien und Auswirkungen des Innovationsprojektes in Bezug auf unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen – zum Beispiel Frauen und Männer.
Für den Bereich Aus- und Weiterbildung in der Energiebranche gilt, dass mögliche Arbeitsplätze in ihrer gesamten thematischen Bandbreite aufgezeigt werden müssen, wenn man Frauen für Energietechnik gewinnen möchte. Zum Beispiel wäre zu zeigen, dass das Thema Energie mit Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz sowie mit der Gestaltung der Zukunft verbunden ist; Themen, die durchaus im Interesse von Frauen liegen. Darüber hinaus sollten die Inhalte der Studiengänge mit Anwendungsbeispielen greifbarer gemacht werden. Durch die gezielte Einbeziehung von Frauen auf allen Führungsebenen kann die Branche attraktiver für andere Frauen werden und dadurch auch ihr Image aufwerten.
Kontakt
Dr. Petra Püchner ist Geschäftsführerin und Saskia Heyde Mitarbeiterin der Steinbeis 2i GmbH. Steinbeis 2i verpflichtet sich den Themen Innovieren und Internationalisieren und ist Partner im Enterprise Europe Network der Europäischen Kommission mit rund 600 Partnern in über 50 Ländern. Ziel des Netzwerks ist es, den Unternehmen bei allen Fragen zu Europa, zu Innovation, Forschung und Technologietransfer zur Seite zu stehen sowie die Nutzung der Ergebnisse europäischer Forschung zu fördern. Steinbeis 2i agiert als Partner im baden-württembergischen Konsortium in Kooperation mit Handwerk International, bw-i, dem Wirtschaftsministerium und sechs Industrie- und Handelskammern.
Dr. Petra Püchner, Saskia Heyde
Steinbeis-Europa-Zentrum/ Steinbeis 2i GmbH (Stuttgart/Karlsruhe)