© istockphoto.com/Ilya Babii

Von unternehmerischen Chancen und fairem Mitein­ander zwischen Industriestaaten und Schwellen­ländern

Steinbeis-Unternehmer Professor Dr. Brando Okolo und sein Team haben ein Netzwerk zur Förderung der digitalen Produktion in Afrika aufgebaut

Laut dem World Economic Outlook Report 2024 des Internationalen Währungsfonds (IWF) finden sich neun der 20 am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt in afrikanischen Ländern, die übrigen 11 Länder liegen in Südamerika und Asien. Keines der 20 in diesem Report führenden Länder liegt damit in Europa. Dieser wirtschaftliche Trend ist schon seit zehn Jahren zu beobachten. Einige dieser wachsenden Volkswirtschaften haben Wachstumsraten von bis zu 11 % und Deutschland muss mit diesen Ländern effektiv zusammenarbeiten. Dies ist unter anderem die Motivation für die Arbeit des Steinbeis-Beratungszentrums IMAPS Institut für Materialanwendungen & 3D-Druck-Lösungen zur Förderung von Geschäftsaktivitäten zwischen Deutschland und Afrika. Steinbeis-Unternehmer Professor Dr. Brando Okolo gibt für die TRANSFER einen Einblick in die momentanen Aktivitäten seines Unternehmens.

Berichte mehrerer internationaler Organisationen prognostizieren, dass bis 2050 in Afrika, dem geografisch nächsten Handelspartner Europas, ein Markt mit 2,5 Milliarden Menschen entstehen wird. Es ist daher wichtig, dass wir alle beginnen, diesen Markt zu gestalten und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen, die ein faires und gewinnbringendes Umfeld für alle Beteiligten garantieren.

Die verarbeitende Industrie ist einer der Sektoren, in denen wir glauben, dass wir in einer sehr jungen afrikanischen Wirtschaft etwas bewirken können. Die Beschaffung von Ersatzteilen für Produktionsmaschinen und den Transportsektor ist beispielsweise ein Bereich, in dem wirtschaftliche Wertschöpfung aufgebaut werden kann.

Aber auch im Bereich des bezahlbaren Wohnraums sehen wir Wachstumspotenziale, da die Verstädterung in Verbindung mit dem weltweiten Bevölkerungswachstum im nächsten Jahrzehnt zu einem Wohnungsdefizit von etwa 2,8 Milliarden Wohnungen führen wird. Bis zum Jahr 2030 werden 42 % der jugendlichen Weltbevölkerung in Afrika leben. Obwohl dort bereits Stadterweiterungen stattfinden und neue Städte gebaut werden, erfordert die Schließung der riesigen Wohnungslücke den Einsatz neuer Technologien wie den 3D-Baudruck als Ergänzung der bestehenden Bauweisen. Die digitale Fertigung bietet den aufstrebenden Volkswirtschaften die Möglichkeit, auf eine Fertigungsplattform aufzuspringen. Unter digitaler Fertigung verstehen wir die Kombination von 3D-Scannen, computergestütztem Design, 3D-Druck, CNC-Fräsen, Oberflächenbeschichtung, Wärmebehandlung und Materialressourcen.

Afrika: Wirtschaftspartner der Zukunft

Ein produktionsfähiges Afrika ist für Deutschland von hohem strategischem Interesse. Das sind die Gründe dafür:

  • Neue Handelsmöglichkeiten würden entstehen, da die Nachfrage in Bereichen, in denen Deutschland weltweit führend ist, steigen würde: bei Industriemaschinen, technischem Know-how und Hightech-Ausrüstung.
  • Die deutsche Industrie könnte ihre Lieferketten diversifizieren und damit die Abhängigkeit von weit entfernten Märkten in Asien und anderen Regionen verringern. Afrikanische Hersteller könnten Halbfabrikate, Teile oder Rohstoffe effizienter und kostengünstiger bereitstellen und so widerstandsfähigere Versorgungsnetze schaffen.
  • Afrikas Bodenschätze, von denen einige für die deutsche Industrie von entscheidender Bedeutung sind, könnten vor Ort in Afrika kostengünstig verarbeitet werden. Das bedeutet einen Mehrwert für den Handel und senkt die mit der Rohstoffgewinnung, dem Transport und der Raffination verbundenen Kosten.
  • Neue Investitions- und Expansionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen werden unmittelbar in Afrika geschaffen. Auf diese Weise könnten deutsche Firmen Zugang zu wachsenden Verbrauchermärkten und einer aufstrebenden Mittelschicht erhalten. Deutsche Unternehmen könnten auch von afrikanischen Märkten als Testmärkte für innovative Technologien profitieren, insbesondere in Bereichen wie grüne Energie und nachhaltige Produktion.
  • Der Migrationsdruck, dem Deutschland derzeit ausgesetzt ist, kann durch eine starke verarbeitende Industrie in Afrika gemildert werden, da Arbeitsplätze vor Ort geschaffen werden. Dies trägt zur Stabilisierung der Region bei und ermöglicht es Deutschland, die Zuwanderung kontrollierter und kooperativer zu steuern und sich wo sinnvoll auf qualifizierte Zuwanderung zu konzentrieren.
  • Deutschland als weltweit führendes Land in den Bereichen Nachhaltigkeit und grüne Technologien könnte mit einem industrialisierten Afrika in den Bereichen grüne Produktion, erneuerbare Energien und Umweltschutz effektiver zusammenarbeiten. Deutschland könnte die afrikanische Industrie bei der Entwicklung sauberer Technologien unterstützen, die globalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels fördern und gleichzeitig neue Märkte für seine ökologischen Innovationen erschließen.
  • Die wirtschaftliche Entwicklung ist ein Schlüsselfaktor für die Aufrechterhaltung der geopolitischen Stabilität. Ein wohlhabendes, industrialisiertes Afrika würde zur Verringerung von Armut, Ungleichheit und Konflikten und damit zu einer stabileren und sichereren Region beitragen. Stabilität in Afrika käme Deutschland und Europa zugute, da sie die Risiken im Zusammenhang mit konfliktbedingter Migration, Piraterie und instabilen globalen Handelsrouten verringert.
  • Da Afrika zu einem immer wichtigeren Akteur in der Weltwirtschaft wird, wird die Fähigkeit Deutschlands, mit afrikanischen Ländern auf Augenhöhe zu verhandeln, die diplomatischen Beziehungen verbessern. Eine solide Wirtschaftspartnerschaft kann Deutschland den Weg zu langfristigen strategischen Allianzen, zur Zusammenarbeit bei der globalen Governance und zum gegenseitigen Nutzen in Bereichen wie Handel, Sicherheit und Klimaschutz ebnen.

Vertrauen: Grundlage für den Aufbau von Geschäfts­beziehungen

Vor dem Hintergrund unserer Expertise am Steinbeis-Beratungszentrum IMAPS Institut für Materialanwendungen & 3D-Druck-Lösungen haben wir vor sieben Jahren damit begonnen, uns mit den verschiedenen Einstiegspunkten in eine aufstrebende Wirtschaft zu befassen und zu untersuchen, wie man in einem solchen sozioökonomischen Umfeld agieren kann. Obwohl die Kultur vor Ort eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Geschäftsbeziehungen in einer solchen Wirtschaft spielt, erweist sich der Aufbau von Vertrauen als der effektivste Einzelfaktor. Bis Vertrauen für eine erfolgreiche Tätigkeit in einem internationalen Schwellenland aufgebaut ist, kann es einige Stunden, aber auch mehrere Jahre dauern. Wir haben festgestellt, dass Aufklärung und Sensibilisierung die besten Ansätze sind, wenn wir einem unternehmerischen Umfeld die Bedeutung der digitalen Produktion vermitteln wollen.

Mit Hilfe unseres Netzwerks in Afrika haben wir innerhalb von vier Jahren wichtige Meilensteine erreicht:

  • Einrichtung von zwei Zentren für additive Fertigung (AM),
  • Einrichtung eines universitären AM-Postgraduiertenprogramms,
  • Einrichtung von zwei AM-Forschungslabors,
  • Einrichtung von zwei Prototyping-Labors im Privatsektor,
  • Aufbau eines auf die Wasserstoffwirtschaft ausgerichteten Konsortiums,
  • Mentoring mehrerer Personen und kleiner Unternehmen bei der Einführung von Technologien zur Steigerung der Effizienz in ihren Unternehmen,
  • Gründung einer Plattform für die additive Fertigung, die sich aus Mitgliedern aus dem akademischen Bereich und der Industrie zusammensetzt.

Als Beratungsteam, das sich auf den Aufbau von Produktionskapazitäten in Afrika konzentriert, dreht sich unsere Arbeit um die Etablierung starker, nachhaltiger Beziehungen zu verschiedenen Interessengruppen und die Bereitstellung maßgeschneiderter Lösungen, die die lokalen industriellen Kapazitäten verbessern. Dieser Prozess ist sowohl komplex als auch auf Kooperation angewiesen und erfordert die Einbindung nationaler und lokaler Interessengruppen, die Einführung von innovativem Know-how und den Aufbau langfristiger Partnerschaften, die das Wachstum fördern. Unser Ansatz ist strukturiert und umfasst mehrere Schritte:

  1. Aufbau von Beziehungen zu den Stakeholdern
  2. Einführung von Know-how, Dienstleistungen und Produkten
  3. Austausch von Fallstudien und Best Practice
  4. Erörterung der Finanzierung mit Interessenvertretern
  5. Analyse von Finanzierungs­modellen
  6. Vorbereiten und präsentieren eines Angebots
  7. Ausführen von Logistik- und Lieferplänen
  8. Installation, Inbetriebnahme und Schulung
  9. Unterstützung nach der Implementierung und Benutzer-Feedback
  10. Gemeinsame Nutzung von Newslettern und Updates
  11. Aufbau eines Ökosystems

Lokale Gegebenheiten respektieren statt ignorieren

Während diese Schritte von entscheidender Bedeutung dafür sind, wie wir Geschäftsaktivitäten in unseren Projekten formulieren, entwickeln und umsetzen, besteht ein immaterieller Aspekt unserer Arbeit auf internationaler Ebene darin, uns auf Veränderungen durch das Umfeld vorzubereiten, in dem wir Geschäfte tätigen möchten. Es gibt bestimmte Gegebenheiten, die wir in neuen Geschäftsumgebungen nicht ändern können, aber wir müssen innerhalb dieses Rahmens mitgestalten. Daher ist es unabdingbar, diese Gegebenheiten zunächst zu verstehen, bevor wir versuchen, etwas zu bewirken, und uns an die Gegebenheiten anzupassen, bevor wir unsere Ideen umsetzen.

Um in einem internationalen Schwellenland, insbesondere in einem scheinbar informellen Markt, erfolgreich zu sein, muss man sich die grundlegende Frage stellen: Bin ich hier, um Methoden, Regeln und Konzepte durchzusetzen oder um auf diesem ungeregelten Markt eine ökonomische Wertschöpfung zu erzielen? Wir haben akzeptiert, dass das Umfeld, in dem wir Geschäfte machen wollen, uns ebenso verändern kann, wie wir versuchen, dieses Umfeld zu verändern.

Unsere Steinbeis-Arbeit als Berater im verarbeitenden Gewerbe Afrikas ist getrieben von den Zielen des Aufbaus dauerhafter Partnerschaften, der Einführung innovativer Lösungen und der Unterstützung eines langfristigen Kapazitätsaufbaus. Durch einen systematischen Ansatz bei der Projektakquise und -durchführung stellen wir sicher, dass jedes Engagement nicht nur den tatsächlichen Bedürfnissen entspricht, sondern auch die Grundlage für künftiges industrielles Wachstum in der jeweiligen Region in Afrika schafft.

Kontakt

Prof. Dr. Brando Okolo (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum IMAPS Institut für Material­anwendungen & 3D-Druck-Lösungen (Karlsruhe)
www.steinbeis-imaps.de

227256-27