Ausbildung und Unternehmertum sind wichtiger denn je, ist sich Dr.-Ing. Peter Schupp sicher
VUCA umfasst als Akronym die wesentlichen dynamischen und komplexen Bedingungen einer sich schnell verändernden Welt: Unsicherheit, Unbeständigkeit, Komplexität und Mehrdeutigkeit – dass Unternehmen und ganze Gesellschaften vor völlig neuen Herausforderungen stehen, ist nicht neu. Die Geschwindigkeit, mit der diese Herausforderungen auf uns zukommen, sehr wohl. Die Zukunft der deutschen Wirtschaft hängt stark davon ab, wie gut es gelingt, das Ausbildungssystem an die modernen Herausforderungen anzupassen, meint Steinwurf-Autor und Steinbeis-Unternehmer Dr.-Ing. Peter Schupp in seinem Beitrag. Traditionelle Muster wie das Meister-Gesellae-Prinzip haben ihren Wert, müssen jedoch weiterentwickelt werden, um auch in einer Welt ständiger Veränderung Bestand zu haben. Mit innovativen Konzepten wie dem Projekt-Kompetenz-Studium (PKS) kann es gelingen, die nächste Generation von Fachkräften nicht nur auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, sondern ihnen auch das unternehmerische Denken und die Kreativität zu vermitteln, die nötig sind, um in einer komplexen Welt zu bestehen. Nur so kann die Resilienz von Unternehmen und Gesellschaft langfristig gesichert werden.
Disruption beschreibt radikale, oft unerwartete Veränderungen, die bestehende Strukturen, Märkte oder Technologien aufbrechen oder ablösen. Resilienz umfasst die Fähigkeit, auf solche radikalen Veränderungen zu reagieren, sich anzupassen und gestärkt daraus hervorzugehen. Die Resilienz von Unternehmen und Gesellschaften wird heute nicht mehr nur durch finanzielle Ressourcen oder eine solide Marktstellung gesichert, sondern immer stärker durch die Fähigkeit, flexibel, innovativ und nachhaltig zu agieren. Diese Fähigkeiten müssen gezielt aufgebaut und kontinuierlich weiterentwickelt werden – und dabei spielt das Bildungssystem eine zentrale Rolle.
Unternehmertum als Eckpfeiler der Wirtschaft
In Deutschland ist das Unternehmertum die treibende Kraft hinter wirtschaftlichem Erfolg. Besonders der Mittelstand mit seinen pyramidenartigen mehrschichtigen Lieferketten und einer breiten Basis stabilisiert und sichert ab. Das Modell hat sich über Jahrhunderte bewährt, ist Grundlage für eine stabile Wirtschaft und schafft Sicherheit für Arbeitsplätze und Einkommen. Diese Sicherheit ist nicht nur aus ökonomischer Sicht essenziell, sondern ein zentraler Baustein für eine stabile Gesellschaft.
Doch diese Stabilität darf nicht als selbstverständlich angesehen werden. Innovationen sind der Schlüssel, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und die Resilienz der gesamten Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Ein hohes Bildungsniveau und eine qualifizierte Arbeitskraft sind entscheidend, um diese Innovationskraft zu entfalten.
Das Meister-Geselle-Prinzip: Ein Traditionsmodell mit Zukunft?
Ein bewährtes Modell in der deutschen Wirtschaft ist das Meister-Geselle-Prinzip. Einhergehend mit Unternehmertum und mittelständischen Strukturen sichert dieses Modell der traditionellen Ausbildung die Qualität und Handwerkskunst, die den Ruf des Wirtschaftsstandorts Deutschland weltweit gefestigt haben. Bewundert und oft kopiert – besonders in Ländern, die die duale Ausbildung zu schätzen gelernt haben. Im Wust moderner Begrifflichkeiten wie Employability, Skill-Gaps, Blended Learning, Re-/Up-Skilling, Bachelor und Master scheinen wir längst bekannte Werte allzu schnell zu vergessen.
Ausbildung denkt vor. In einer Zeit, in der sich Wissen mit atemberaubender Geschwindigkeit vervielfältigt und Technologien wie künstliche Intelligenz die Arbeitswelt und das Lernen revolutionieren, muss ein Ausbildungssystem nicht nur Schritt halten, sondern den Schritt in die Zukunft wagen. Der Ansatz, nicht alles zu wissen, sondern nur wissen zu müssen, wo etwas steht, hat sich in Windeseile überholt. Wertschöpfung durch akribisches Zusammentragen von Informationen zu generieren, ist veraltet. Die eigentliche Leistung besteht nicht mehr im Erwerb von Wissen, sondern mehr denn je in der kreativen Auseinandersetzung mit Problemen und der Fähigkeit, Wissen anzuwenden und in echte Problemlösungen zu transferieren. Wie wir seit „Per Anhalter durch die Galaxis“ und der „42“ wissen, machen selbst exakte Antworten ohne das Verständnis der eigentlichen Frage, des Problems, keinen Sinn.
Projekt-Kompetenz-Studium: Ein Modell für die Zukunft
Um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt gerecht zu werden, müssen innovative Bildungskonzepte entwickelt werden. Ein solches Konzept könnte das „Projekt-Kompetenz-Studium“ der Steinbeis Hochschule sein. Dabei wird traditionelle Ausbildung mit modernen Technologien und neuen Lehrmethoden kombiniert. Das PKS zielt darauf ab, nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern vor allem den Transfer und die konkrete Anwendung dieses Wissens zu fördern.
Die Ausbildung im PKS basiert auf realen Projekten und Problemen. Eng geführt und begleitet – vergleichbar dem traditionellen Meister-Geselle-Prinzip – entstehen im und für Unternehmen Lösungen mit Mehrwert bei gleichzeitiger Entwicklung eines Problemverständnisses, praxisorientierter Kompetenzen und Problemlösungsstrategien. Durch die Arbeit an realen Herausforderungen wird nicht nur theoretisches Wissen erlangt, sondern direkt erlebt, wie Wissen angewendet werden kann, um Innovationen und damit Resilienz zu fördern.
In einem solchen Ausbildungssystem darf sich nicht die Frage stellen, ob künstliche Intelligenz eingesetzt werden darf. Vielmehr muss die Anwendung solcher Werkzeuge eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Routinearbeiten übernehmen und den Lernenden ermöglichen, sich auf die wirklich kreativen und wertschöpfenden Aufgaben zu konzentrieren. Gleichzeitig bleibt das traditionelle Modell des Meisters, der als Mentor die Lernenden begleitet, bestehen. Er fördert kritisches Denken, Kreativität und den Mut neue Wege zu gehen – Eigenschaften, die in einer sich schnell verändernden Welt unerlässlich sind.
Bildung als Schlüssel zur Resilienz
Die Verbindung von Tradition und Innovation ist nicht nur im Ausbildungssystem notwendig, sondern auch für die Resilienz von Unternehmen von zentraler Bedeutung. Ein Ausbildungssystem auf Basis des PKS hilft, die Qualifikationen zu schaffen, die für die Unternehmen von morgen entscheidend sind. Dabei geht es nicht nur um technisches Wissen oder Fachkompetenzen, sondern unternehmerisches Denken an sich. Eine Vielzahl von höheren Bildungseinrichtungen bereitet hauptsächlich auf Aufgaben im mittleren Management vor. Wenn jedoch keine Anreize für Unternehmertum geschaffen werden, wird die Innovationskraft langfristig leiden.
Die heutige Arbeitswelt steht vor großen Herausforderungen. Homeoffice und die Digitalisierung haben zu einer Veränderung der Arbeitskultur geführt. Gleichzeitig scheint der Leistungswille in Teilen der Gesellschaft abzunehmen, während der Komfort in den Vordergrund tritt. In einer „Komfortgesellschaft“ verlieren Werte wie Einsatzbereitschaft, Kreativität und das Anpacken von Herausforderungen zunehmend an Bedeutung.
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Bildung wider. Die Start-up-Kultur, die ursprünglich für kreatives Denken und Unternehmergeist stand, hat sich in vielen Fällen zu einer künstlichen Blase entwickelt, in der Kreativität nur noch unter sehr speziellen, „künstlichen“ Bedingungen gefördert wird. Grillplätze, Bauwagen und das „Garagen-Format“ scheinen die einzigen Orte zu sein, an denen Innovationen entstehen dürfen. Diese Inszenierung führt jedoch dazu, dass kreative Lösungen oftmals abgekoppelt von der realen Arbeitswelt entwickelt werden.
Die neue Rolle der Bildung
In einer Welt, in der die Arbeitsanforderungen sich so schnell verändern wie nie zuvor, müssen Bildungseinrichtungen umdenken. Es reicht nicht, Wissen zu vermitteln – Bildung muss aktiv den Transfer und die Anwendung dieses Wissens in der Praxis begleiten. Dazu gehört es, die Studierenden nicht nur auf theoretische Prüfungen vorzubereiten, sondern ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie reale Probleme lösen können.
Das Projekt-Kompetenz-Studium schlägt hier eine Brücke: Es kombiniert die wertvollen Aspekte der traditionellen Meister-Geselle-Ausbildung – die enge Betreuung durch erfahrene Mentoren und die Vermittlung von Handwerkskunst – mit den Möglichkeiten der modernen Technologie. Durch die Verknüpfung von Projekten mit Unternehmen und der aktiven Nutzung von KI können Studierende lernen, wie man in einer VUCA-Welt resilient bleibt und gleichzeitig echten Mehrwert schafft.
Kontakt
Dr.-Ing. Peter Schupp (Autor)
Geschäftsführer
SCMT Steinbeis Center of Management and Technology GmbH (Filderstadt)
www.scmt.com
Dr.-Ing. Peter Schupp ist Geschäftsführer der SCMT Steinbeis Center of Management and Technology GmbH, die seit über 20 Jahren im Consulting und Recruiting aktiv ist. Als Kooperationspartner der School of Management and Technology an der Steinbeis Hochschule unterstützt sie bei der Auswahl und Weiterentwicklung von Projektmitarbeitenden und Nachwuchsführungskräften.