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Grüne Patente und Marken zur Messung des Nachhaltigkeitsimpacts

Steinbeis-Experten für intelligente IP-Analysen helfen Innovationen nachhaltiger zu gestalten

Mit dem „European Green Deal“ möchte die Europäische Union (EU) Europa bis 2050 zu einem klimaneutralen Kontinent machen. Dazu wird der Übergang zu erneuerbaren Energien, erhöhter Energieeffizienz und die Förderung von kohlenstoffarmen Technologien vorangetrieben. Als Teil des Green Deals hat die EU die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erlassen, wonach Unternehmen umfassender und transparenter über ihren jeweiligen positiven Nachhaltigkeitsimpact berichten müssen. Das Team um den Steinbeis-Experten Professor Dr. Jörn Block skizziert die Möglichkeiten, die insbesondere Patent- und Markendaten für die Impactmessung im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung bieten.

Patente in Y-02 sowie SDG 7 (saubere Energie) und SDG 13 (Klimaschutz)
[Quelle: LexisNexis Intellectual Property Solutions, PatentSight und Business Intelligence, 2024. Die Anzahl bezieht sich auf die Anzahl an Patentfamilien, die die gleiche Erfindung in unterschiedlichen Regionen schützen]

 

Gemäß der EU-Taxonomie gelten Aktivitäten eines Unternehmens dann als nachhaltig, wenn sie einen Beitrag zu einem der sechs von der EU definierten Umweltziele leisten: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasserressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Kontrolle der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Die im Rahmen der CSRD und der EU-Taxonomie erfassten Tätigkeiten und ermittelten Kennzahlen gehen jedoch nicht explizit auf Innovationen ein. Das ist eine Schwäche, da Innovationen in vielen Industrien als Schlüssel zur Klimatransformation gelten. Die Erfassung von Innovationsoutputs im Rahmen der Unternehmensberichterstattung ist ohnehin schwierig, da diese oftmals unsicher und schwer zu prognostizieren sind. Außerdem lassen sich für Innovationsoutputs aufgewendete Kosten nur schwer einem konkreten Innovationsobjekt, Produkt oder erzieltem Umsatz zurechnen. Nichtsdestotrotz ist es für die Adressaten der Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung wichtig zu verstehen, wie sich der Innovationsoutput eines Unternehmens im Zeitverlauf und im Vergleich zum Wettbewerb darstellt. Die empirische Forschung zeigt, dass solche Informationen für Kapitalmärkte wertrelevant sind.

In den letzten Jahren sind daher einige Unternehmen wie zum Beispiel die Symrise AG und BASF SE dazu übergegangen, ihren Innovationsoutput mithilfe von Intellectual Property (IP)-Daten und hier insbesondere mit Patentdaten zu beschreiben. Der Vorteil dabei ist, dass es sich um objektive, transparente und vergleichbare Daten handelt. Zudem werden Patente und Marken durch die Patent- und Markenämter nur nach gründlicher Prüfung vergeben. IP-Daten lassen sich grundsätzlich auch zu Zwecken der Nachhaltigkeitsberichterstattung und zur Messung eines positiven Impacts beziehungsweise Impactpotenzials nutzen.

Grüne Patente

Wenn sich Patente aufgrund ihres Inhalts bestimmten grünen Innovationen zuordnen lassen, werden sie als „grüne Patente“ bezeichnet. So ermittelt die OECD seit dem Jahr 2005 grüne Innovationen anhand von Patentdaten, indem sie ausgewählte IPC-Klassifikationen [1] der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) verwendet. [2] Seit 2013 hat zudem das Europäische Patentamt (EPO) zusammen mit dem United States Patent and Trademark Office (USPTO) die Y-02-Kategorie in den CPC-Klassifikationen [3] eingeführt, die Erfindungen im Bereich Klimaschutz und Klimawandel erfasst.

Fortschrittlichere Ansätze, wie der von LexisNexis Intellectual Property Solutions, nutzen eine Kombination aus Schlüsselwörtern und IPC/CPC-Klassifikationen, um Patente den Nachhaltigkeitszielen (SDG) der Vereinten Nationen zuzuordnen. Dadurch können gezielt Patente identifiziert werden, die einzelnen grünen Nachhaltigkeitszielen wie dem Ziel „Saubere Energie“ (SDG 7) oder „Klimaschutz“ (SDG 13) zugeordnet werden. Solche detaillierten Klassifikationsmethoden werden bereits von Unternehmen wie der Siemens AG, der Merck KGaA und Organisationen wie der WIPO in der Praxis eingesetzt. [4] Die Datenauswertungen zeigen, dass die den Nachhaltigkeitszielen SDG 7 und 13 zugeordneten Patente im Zeitverlauf stark ansteigen.

Grüne Marken

Jährlich werden mehr als 140.000 EU-Marken beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragen. Der Anteil der grünen Markenanmeldungen („green trademarks“) steigt seit Jahren kontinuierlich an und lag im Jahr 2022 bei fast 14 % (EUIPO, 2024). Das EUIPO klassifiziert grüne Marken anhand der Verwendung von grünen beziehungsweise umweltbezogenen Begriffen in der zur Markenanmeldung eingereichten formalen Waren- und Dienstleistungsbeschreibung. Besonders häufig stammen die Begriffe aus den Bereichen Energieproduktion, Energiespeicherung, Transportsektor sowie Verschmutzungs- und Abfallmanagement. Das EUIPO sowie andere Markenämter, wie das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) oder das USPTO, stellen die in ihren Registern enthaltenen Markeninformationen im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags grundsätzlich kostenfrei zur Verfügung. Allerdings werden grüne Marken dabei nicht explizit gekennzeichnet, was eine eigenständige Identifikation erfordert. Dieser Prozess ist jedoch komplex und zeitaufwendig.

Den Nachhaltigkeitsimpact mithilfe von grünen IP-Indikatoren messen

Obwohl die Anzahl von Patenten oft als Indikator für die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Technologien, Industrien oder ganzen Ländern herangezogen wird, erfolgt eine systematische Analyse ihrer Inhalte und Eigenschaften noch vergleichsweise selten. In diesem Bereich bleiben die praktischen Anwendungen hinter den vorhandenen Möglichkeiten zurück. Dabei wäre es machbar, beispielsweise den Anteil grüner Technologien am Gesamtportfolio zu ermitteln, das Wachstum bestimmter grüner Technologien zu analysieren oder die Wettbewerbsposition eines Unternehmens in Bezug auf spezifische grüne Technologien zu bewerten.

In der Praxis wird zunehmend erkannt, dass das bloße Zählen von Patenten nicht ausreicht, um fundierte, datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Entscheidend ist nicht nur die absolute Anzahl der Patente, sondern auch deren Innovationsgrad, technologische Breite und Tiefe sowie ihr Reifegrad. Kennzahlen wie die der Patent-Asset-Index-Methode (vgl. Ernst & Omland, 2011) setzen genau hier an, indem sie verschiedene Patentindikatoren kombinieren, um die Stärke oder den Wert einzelner Patente und Patentportfolios zu bewerten. Diese Kennzahl, die beispielsweise von LexisNexis Intellectual Property Solutions in deren Datenbank zur Verfügung gestellt wird, erfasst mithilfe von Patentindikatoren sowohl den technologischen Einfluss als auch die Marktabdeckung eines Patents.

Ergänzende Erkenntnisse zu Patentinformationen können durch die systematische Analyse von Markenanmeldungen gewonnen werden. Im Gegensatz zu Patenten schützen Marken auch nichttechnische Innovationen wie zum Beispiel innovative Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle. Die systematische Auswertung von Markendaten liefert wertvolle Einblicke in das Wettbewerbs- und Innovationsverhalten von Unternehmen. Geplante Markteintritte, Expansionen in neue Marktsegmente, Produkterweiterungen sowie die Einführung neuer Geschäftsmodelle und komplementärer Dienstleistungen lassen sich auf Basis dieser Daten fundiert prognostizieren.

Ähnlich wie bei Patenten werden die Analysepotenziale von grünen Marken in der Marktforschung, im Nachhaltigkeitsmanagement und in der strategischen Planung bisher kaum ausgeschöpft. Dies ist überraschend, da eine systematische Auswertung von Anmeldungen grüner Marken den Beitrag von Markenunternehmen zur gesellschaftlichen Transformation hin zu einer grünen Wirtschaft messbarer und transparenter machen könnte. Grüne Marken können auch zur Identifizierung von Unternehmen genutzt werden, die sich auf grüne Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle konzentrieren oder in diese Richtung transformieren. Dies gilt sowohl für etablierte Unternehmen als auch für Neugründungen und Start-ups. Darüber hinaus ermöglicht die Verknüpfung von Markendaten mit Umsatz-, Kapitalmarkt- und/oder Emissionsdaten die Bestimmung des (finanziellen) Werts einer grünen Marke, der anschließend mit anderen Marken verglichen werden kann.

Intelligente IP-Analysen und fundierte Messung des Nachhaltigkeitsimpacts

Das Steinbeis-Transferzentrum Technologie- und IP-Management hat sich auf die quantitative Patent- und Markenanalyse spezialisiert und arbeitet dabei mit der LexisNexis Intellectual Property Solutions/PatentSight GmbH zusammen. Das Expertenteam unterstützt Technologieunternehmen (von Start-ups über den Mittelstand bis hin zu Großunternehmen), Investoren (zum Beispiel Risikokapitalgeber, Private Equity Firmen und Family Offices) sowie M&A- und Technologieberatungen dabei, fundierte, datenbasierte Entscheidungen auf der Grundlage intelligenter IP-Analysen zu treffen.

Im Kontext der Messung des Nachhaltigkeitsimpacts ermöglichen die Steinbeis-Experten es ihren Kunden mithilfe von Patent- und Markendaten Umweltinnovationen zu identifizieren. Dabei wird eine Unterscheidung nach verschiedenen Innovationsobjekten, Innovationszielen und Technologien vorgenommen. Zusätzlich werden Informationen aus grünen Patenten und grünen Marken mit Daten aus anderen Quellen kombiniert, um den Impact beziehungsweise das Impactpotenzial einer Innovation oder Technologie systematisch und nachvollziehbar zu bewerten. Solche Einschätzungen des Nachhaltigkeitsimpacts können beispielsweise im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung eines Unternehmens oder einer Organisation veröffentlicht werden.


[1] IPC steht für International Patent Classification. Es handelt sich hierbei um ein von der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) der Vereinten Nationen entwickeltes Patentklassifikationsschema, das Patente Technologien auf unterschiedlichen Abstraktionslevels hierarchisch zuordnet. Weitere Informationen:
https://www.wipo.int/classifications/ipc/en

[2] Die OECD verwendet die von Ivan Haščič und Mauro Migotto entwickelte Klassifikation: https://doi.org/10.1787/5js009kf48xw-en

[3] CPC steht für Cooperative Patent Classification. Es handelt sich hierbei um eine den IPC-Klassifikationen ähnliche, hierarchische Technologieklassifikation, die vom Europäischen Patentamt mit dem US-amerikanischen Patentamt entwickelt wurde. Y-02 beinhaltet Technologien zur Behebung oder dem Umgang mit dem Klimawandel. Weitere Informationen: https://www.cooperativepatentclassification.org/home; Angelucci et al., 2018

[4] World Intellectual Property Organization (2024); Siemens AG (2023). Sustainability Report 2023. https://assets.new.siemens.com/siemens/assets/api/uuid:00095b96-4712-4cd1-b045-19d5df704358/sustainability-report-fy2023.pdf; Merck KGaA (2023). Sustainability Report 2023. https://www.merckgroup.com/en/sustainability-report/2023/_assets/downloads/entire-merck-sr23.pdf

Kontakt

Prof. Dr. Jörn Block (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Technologie- und IP-Management (Trier)

Professur für Unternehmensführung
Universität Trier (Trier)

Dr. Carsten C. Guderian (Autor)
Senior Project Leader
LexisNexis Intellectual Property Solutions/PatentSight GmbH (Bonn)

Dr. Silvia Moyses-Scheingruber (Autorin)
Lehrbeauftragte für Strategie
Fakultät für Wirtschafts­ingenieurwesen Hochschule München (München)

Weiterführende Literatur und Quellen:
  1. Angelucci, S., Hurtado-Albir, F. J., & Volpe, A. (2018). Supporting global initiatives on climate change: The EPO’s “Y02-Y04S” tagging scheme. World Patent Information, 54, Supplement, 85-92.
  2. Block, J., Lambrecht, D., Willeke, T., Cucculelli, M., & Meloni, D. (2025). Green patents and green trademarks as indicators of green innovation. Research Policy, 54(1), 105138.
  3. Ernst, H., & Omland, N. (2011). The Patent Asset Index – A new approach to benchmark patent portfolios. World Patent Information, 33(1), 34-41.
  4. Guderian, C. C., Bican, P. M., Riar, F. J., & Chattopadhyay, S. (2021). Innovation management in crisis: patent analytics as a response to the COVID-19 pandemic. R&D Management, 51(2), 223-239.
  5. Haščič, I. & Migotto, M. (2015). Measuring environmental innovation using patent data. OECD Environment Working Papers, No. 89, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/5js009kf48xw-en.
  6. Mendonça, S., Pereira, T. S., & Godinho, M. M. (2004). Trademarks as an indicator of innovation and industrial change. Research Policy, 33(9), 1385-1404.
  7. Sandner, P. G., & Block, J. (2011). The market value of R&D, patents, and trademarks. Research Policy, 40(7), 969-985.
  8. Van der Waal, J. W., Thijssens, T., & Maas, K. (2021). The innovative contribution of multinational enterprises to the Sustainable Development Goals. Journal of Cleaner Production, 285, 125319.
  9. World Intellectual Property Organization (2024). Mapping Innovations. Patents and the United Nations Sustainable Development Goals. https://www.wipo.int/publications/en/details.jsp?id=4716.
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