Steinbeiser Jürgen Raizner berät Unternehmen auf dem Weg der Internationalisierung
Die zunehmende Vernetzung und Globalisierung stellen Unternehmen vor die Herausforderung, sich an schnell wandelnde geopolitische Bedingungen anzupassen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sehen sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihre Produktionsstrategien zu überdenken, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Denn für den stark exportorientierten Mittelstand ist die Frage der Auslandsproduktion von entscheidender Bedeutung. Dabei ist eine zunehmende Polarisierung erkennbar: Während einige Unternehmer die Auslandsproduktion strikt ablehnen, meist in der guten Absicht die Tradition von „Made in Germany“ zu wahren, haben andere längst Produktionsstätten im Ausland etabliert. Jürgen Raizner, seit 30 Jahren Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Ost-West-Kooperationen, ist überzeugt: Resilient ist, wer im Ausland produziert. Dabei stehen die Unternehmen vor der Herausforderung, nicht nur erfolgreich, sondern auch zukunftsfähig zu sein.
Für Jürgen Raizner ist eine Trendwende deutlich erkennbar: „Seit Beginn der Transformation Mittel- und Osteuropas waren die niedrigen Personalkosten die Hauptmotivation für die Produktionsverlagerung. Die momentanen Anfragen zeigen mir, dass nun Kundennähe, Nachhaltigkeit und die Verfügbarkeit von Ressourcen in den Vordergrund gestellt werden“. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Unternehmen wissen, dass die Personalkosten an den Produktionsstandorten Mittel- und Osteuropas gestiegen sind und weiter steigen werden. Zwar sind bei der richtigen Standortwahl noch immer Kostenvorteile zu finden. Wer aber bei der Standortwahl allein auf niedrige Personalkosten setzt, verliert.
Kundennähe versus geopolitische Risiken
So mancher hatte die Entscheidung getroffen, Kostenvorteile weiter im Osten zu suchen. Produktion in Südostasien lag im Trend. Jetzt haben die Unsicherheiten, die durch geopolitische Spannungen wie den Konflikt zwischen China und Taiwan entstehen, weitreichende Auswirkungen auf die internationale Geschäftswelt. Unternehmen müssen ihre Lieferketten und Produktionsstrategien überdenken, um Risiken zu minimieren. Das von den Kunden geforderte De-Risking geht am besten durch Rückverlegung der Produktion nach Europa, wobei Deutschland bislang nicht als Investitionsziel gesehen wird.
Jürgen Raizner betreut an seinem Steinbeis-Transferzentrum aktuell mehrere Zulieferbetriebe für die Automobilindustrie. Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die Nähe zum Kunden. „Wenn beispielsweise Mercedes, Audi, VW und BMW in Ungarn und in der Slowakei produzieren, ist die Belieferung deren Werke von Deutschland aus nicht wirtschaftlich, schon gar nicht nachhaltig und zumindest immer weniger gewünscht. Zulieferbetriebe sind gefordert, ihre Produktion nicht nur näher an die Hauptkunden zu verlagern, sondern auch ihren CO2-Fußabdruck signifikant zu reduzieren“, erläutert der Steinbeis-Unternehmer. Diese doppelte Herausforderung erfordert innovative Ansätze und eine strategische Neuausrichtung, um sowohl den ökonomischen als auch den ökologischen Anforderungen gerecht zu werden.
Es geht dabei nicht um die Überlegung, ob die Produktion im Ausland sinnvoll ist, sondern allenfalls darum, welches der optimale Standort ist. Bei dieser Frage unterstützt das Steinbeis-Team um Jürgen Raizner, das bisher in 24 Ländern erfolgreich Projekte durchgeführt hat und die Vor- und Nachteile einzelner Standorte kennt. Deren Bewertung ist für jedes Unternehmen individuell und variiert je nach spezifischen Geschäftsanforderungen und strategischen Zielen.
An drei Investitionsbeispielen macht Jürgen Raizner deutlich, wie Investoren die Outsourcing-Kompetenz des Steinbeis-Teams für ihre internationalen Produktionsstrategien nutzen. Obwohl die Ziele der Auslandsproduktion bei allen drei Investoren identisch sind, zeigen sich deutliche Unterschiede in den Formen ihrer Auslandsinvestitionen:
- Projekt 1: Bei der Schaffung von 600 Arbeitsplätzen und dem Aufbau einer Großserienproduktion von Drehteilen ist die Wahl des optimalen Produktionsstandorts von entscheidender Bedeutung. Eine Greenfield-Investition bot dem Kunden die Möglichkeit, Gebäude nach höchsten Standards zu gestalten und an spezifische Produktionsanforderungen anzupassen. Zudem können lokale Vorteile, wie die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, logistische Anbindungen und Steuervergünstigungen, optimal genutzt werden.
- Projekt 2: Zeit war hier der kritische Faktor. Um die Produktion in weniger als einem Jahr hochzufahren, entschied sich der Auftraggeber gegen einen Neubau. Stattdessen wurde ein bestehendes Fabrikgebäude genutzt, wodurch die Notwendigkeit neuer Genehmigungen entfiel. Die Standortwahl war zwar durch die Verfügbarkeit einer geeigneten Gewerbeimmobilie eingeschränkt, die schnelle Inbetriebnahme erwies sich jedoch als entscheidend für den unternehmerischen Erfolg.
- Projekt 3: Ob Green- oder Brownfield – der dritte Investor war offen für beides, wollte die Investition aber keinesfalls alleine ausführen. Das zuvor nur in Deutschland produzierende Unternehmen wünschte die Kooperation mit einem etablierten Industriebetrieb vor Ort. Das Steinbeis-Team wurde beauftragt, ein aktives Unternehmen zu finden, das ganz oder teilweise übernommen oder mit dem ein Joint-Venture-Unternehmen gegründet werden konnte.
Diese Kombination aus strategischer Planung und individueller Anpassung bildet das Fundament für eine erfolgreiche und stabile Entwicklung der Auslandsproduktion. Weitere Gemeinsamkeiten der drei Projektbeispiele: Die Investoren sind Automobilzulieferbetriebe, bestens etabliert in Baden-Württemberg, und sie gehören dem größeren Mittelstand an, sind aber allesamt Familienunternehmen. Zudem haben sie sich alle für Rumänien als Produktionsstandort entschieden.
Während große Unternehmen oft in der Lage sind, eigene Fertigungsbetriebe in verschiedenen Ländern zu etablieren, stehen KMU vor der Herausforderung, mit begrenzten Ressourcen zu operieren. Dies eröffnet allerdings auch eine Chance: Durch strategische Kooperationen können KMU ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam effizienter zu agieren. Das Steinbeis-Transferzentrum unterstützt Partnerschaften von KMU, um ihre geografische Reichweite zu vergrößern und die Abhängigkeit von einzelnen Standorten zu verringern.
Vorteile kooperativer Internationalisierung
Die kooperative Internationalisierung bietet KMU zahlreiche Vorteile:
- Erweiterte geografische Präsenz: Durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen können KMU ihre Produktionsstandorte auf mehrere Länder ausweiten, was die Resilienz gegenüber lokalen Störungen
erhöht. Diese Strategie ermöglicht es, schnell auf Veränderungen zu reagieren und Nachteile effektiv zu kompensieren. - Risikodiversifikation: Die Verteilung der Produktion auf verschiedene Standorte reduziert das Risiko, das mit der Abhängigkeit von einem einzigen Standort verbunden ist. Dies ist besonders wichtig in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten, in denen Flexibilität und Anpassungsfähigkeit entscheidend sind.
- Positive Synergien: Aufgrund der häufig starken Spezialisierung der beteiligten Unternehmen sind Interessenkonflikte unwahrscheinlich. Stattdessen können positive Synergien entstehen, die den gemeinsamen Erfolg fördern. Dies eröffnet neue Möglichkeiten zur Innovation und Effizienzsteigerung nicht nur im Ausland, sondern auch in Deutschland.
Internationale Investitionen: Ein globaler Wettbewerb
Der Wettbewerbsdruck um die optimalen Standorte in den Ländern Mittel- und Osteuropas nimmt zu. Auch Investoren aus außereuropäischen Ländern haben diesen Teil Europas als attraktiven Produktionsstandort erkannt. China und zunehmend auch Südkorea sehen beispielsweise Rumänien als Tor nach Europa: Investitionen laufen oder sind angekündigt. Die Investoren suchen Grundstücke und Fachkräfte und verstärken den Wettbewerb um die besten Standorte. Die weitergehende Gefahr besteht darin, dass diese Investoren für den europäischen Markt produzieren werden und durch die Vorteile an ihrem neuen Produktionsstandort noch erheblich wettbewerbsfähiger werden.
Diese Entwicklung zwingt die deutsche Industrie praktisch dazu, im Ausland zu produzieren. Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, müssen sich dieser Realität stellen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Verlagerung der Produktion ins Ausland wird nicht nur eine Option, sondern eine strategische Notwendigkeit. Die Vorteile, die sich durch niedrigere Produktionskosten, bessere logistische Anbindungen und den Zugang zu Kunden vor Ort ergeben, sind zu bedeutend, um sie zu ignorieren. In einer globalisierten Wirtschaft, in der Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit entscheidend sind, wird die Produktion im Ausland zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Unternehmensstrategie.
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Jürgen Raizner (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum OST-WEST-Kooperationen (Deggingen)
www.stz-ost-west.de