Kooperationen als Strategie für die Zukunft des Unternehmertums

Das Zusammenspiel traditioneller und innovativer Ansätze verspricht Erfolg

Der Wandel des Unternehmertums in Deutschland wird durch mehrere signifikante Faktoren vorangetrieben. In den letzten Jahren ist ein deutlicher Rückgang der Innovatorenquote in etablierten deutschen Unternehmen zu verzeichnen, was auf eine mögliche Stagnation in der Innovationskraft hinweist. Gleichzeitig stehen Familienunternehmen sowie viele kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) vor erheblichen Herausforderungen bei der Sicherung der Unternehmensnachfolge. Im selben Zuge erleben wir einen Aufschwung von Jungunternehmen und Start-ups, die häufig durch staatliche Förderprogramme unterstützt werden und mit innovativen Geschäftsmodellen den Markt betreten. Steinbeis-Experte Professor Dr. Norbert Zdrowomyslaw und Christian Wulf (Assecor GmbH) plädieren dafür, dass traditioneller Mittelstand wie auch innovative Start-ups gemeinsam an einer resilienten und nachhaltigen Zukunft arbeiten.

Megatrends und regionale Herausforderungen: ein omnipräsenter Transformationsdruck

 

Die Unternehmenslandschaft in Deutschland ist geprägt von einer bemerkenswerten Vielfalt. Traditionelle Großunternehmen und mittelständische Betriebe koexistieren mit dynamischen Jungunternehmen und Start-ups. Diese unterschiedlichen Unternehmensformen sehen sich derzeit mit einer Reihe komplexer Herausforderungen konfrontiert.

Auf globaler Ebene beeinflussen Geopolitik und Klimawandel die strategischen Entscheidungen von Unternehmen erheblich. Die zunehmende Globalisierung erfordert eine flexible Anpassung an internationale Märkte und regulatorische Rahmenbedingungen. Regional betrachtet spielen der demografische Wandel und der Wertewandel der Gesellschaft eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Gestaltung von Arbeitskräften und Unternehmenskulturen. [1]

Die Digitalisierung stellt Unternehmen vor die Aufgabe, technologische Innovationen zu integrieren und gleichzeitig die bestehende Wertschöpfung im Unternehmen zu optimieren. Nachhaltigkeit wird zunehmend zu einem zentralen Aspekt unternehmerischen Handelns, nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern auch im Hinblick auf soziale Verantwortung und langfristige Wirtschaftlichkeit. Die Sicherung qualifizierter Arbeitskräfte und die Entwicklung von resilienten Geschäftsmodellen sind essenziell, um den volatilen Marktbedingungen standzuhalten. Unternehmen müssen daher ein effektives Veränderungsmanagement implementieren, um flexibel auf externe und interne Einflüsse reagieren zu können.

Vor dem Hintergrund vielfältiger gesellschaftlicher und ökonomischer Herausforderungen und des volatilen Marktumfelds besteht ein enormer Transformationsdruck. Für die Entscheider in Unternehmen gilt deshalb, verstärkt Risiken und Krisen zu managen. Klare nachhaltige Unternehmensstrategien, kurzfristige Reaktionsfähigkeit und eine mittel- und langfristige Stärkung der Resilienz – das heißt der Anpassungsfähigkeit, Belastbarkeit und Widerstandskraft – sind wichtige Erfolgsfaktoren der Unternehmensentwicklung und -sicherung. Der ständige Wandel in der Unternehmens- und Arbeitswelt erfordert zusehends die Fähigkeit, sich flexibel an Veränderungen anzupassen und gestärkt aus Krisen hervorzugehen. Allerdings reagieren Menschen in unterschiedlicher Weise auf verschiedene Stresssituationen. Was für eine Person stressig ist, kann für eine andere Person weniger belastend sein. Es liegt zu einem erheblichen Teil am Einzelnen, Resilienz zu entwickeln. Dies bedarf einer Reihe an Charaktereigenschaften, die die Stress- und Krisenbewältigung erleichtern. In diesem Zusammenhang sprechen Psychologen und HR-Manager häufig von den sieben Säulen der Resilienz: Optimismus, positive Zukunftsplanung, lösungsorientierte Ziele verfolgen, Verantwortung übernehmen, Netzwerke aufbauen und pflegen, Opferrolle verlassen und Akzeptanz. [2]

Unternehmensentwicklung durch effektives Veränderungsmanagement

In einer zunehmend schnelllebigen Gesellschaft und Wirtschaft intensiviert sich der Wettbewerb um Märkte und Kunden erheblich. Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, müssen kontinuierlich mit Unsicherheiten und Risiken umgehen. Sowohl externe als auch interne Umwelteinflüsse unterliegen einem ständigen Wandel, der eine proaktive und adaptive Unternehmensführung erfordert. Das bedeutet: Menschen gestalten die Unternehmenszukunft und Veränderungsmanagement ist angesagt! [3]

Effektives Veränderungsmanagement umfasst zentrale Themenbereiche wie Innovationsmanagement, Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Leadership und Unternehmensnachfolge. [4] Diese Bereiche sind entscheidend, um die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftssicherheit von Unternehmen zu gewährleisten.

In der Wissenschaft und Wirtschaftspraxis ist man sich einig, dass die Entwicklung eines Unternehmens kein Automatismus ist. Es gilt die Chancen des Wandels zu erkennen. Jedes Unternehmen hat eine eigene DNA und wird von Menschen gestaltet und entwickelt. Deren Aufgabe ist es, das Unternehmen als „Schiff” zu verstehen, das Kapitän, Steuermann und Besatzung (also Führungskräfte und Mitarbeiter) durch sämtliche Wetter, Strömungen und Tiefen so steuern müssen, dass es seinen Zielhafen (Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterbindung, Existenzsicherung, Erfolg, Umsatz, Rendite) erreicht. Allgemein definieren wir daher Unternehmensentwicklung folgendermaßen: Unternehmensentwicklung bezeichnet das systematische Bemühen des Managements, das System Unternehmen in Zeiten des Wandels so zu entwickeln, dass zum einen die Stakeholder in die Gestaltung des Veränderungsprozesses eingebunden werden und zum anderen geeignete Instrumente und Maßnahmen eingesetzt werden, um sowohl die kurz- und mittelfristigen als auch vor allem die langfristigen Ziele zu erreichen.

Zufall und Glück können zwar eine Rolle spielen, ein nachhaltiger und wertstiftender Unternehmenserfolg wird jedoch vor allem durch strategisches Handeln und gezieltes Veränderungsmanagement erreicht. [5]

Unternehmertum in Zukunft: Resilient, nachhaltig und wertstiftend

Der traditionelle Mittelstand in Deutschland, bekannt für seine regionale Verwurzelung, Tradition und Stabilität, steht vor erheblichen Veränderungen und scheint Strahlkraft und Zukunftsausrichtung zu verlieren. Diese Wahrnehmung wird durch die wachsende Vielfalt innerhalb des Mittelstands verstärkt, was neue Denkmuster und Anpassungen erforderlich macht. [6]

Existenzgründer sind die „Lieblingskinder“ deutscher Politiker. Sie versprechen sich von den innovativen (Neu-)Unternehmern ein Aufbrechen verkrusteter Unternehmensorganisationen, neue dynamische Wachstumspotenziale und eine Belebung auf dem Arbeitsmarkt („Jobmaschine“). Diese neuen Unternehmen bringen innovative und kreative Geschäftsmodelle ein, die bestehende Strukturen herausfordern und aufbrechen. Technologieorientierte und wissensbasierte Start-ups haben das Potenzial, die Lebensqualität in Gemeinschaften signifikant zu verbessern. Ebenso tragen Sozialunternehmen, die sich auf gesellschaftlich gemeinnützige Ziele fokussieren, zur nachhaltigen und wertstiftenden Entwicklung bei. [7]

Ein vielversprechender Ansatz für eine nachhaltige Zukunftswirtschaft ist der verstärkte kooperative Wissensaustausch zwischen traditionellen Mittelständlern und innovativen Start-ups. Diese Zusammenarbeit kann die Stärken beider Unternehmensformen vereinen: die Stabilität und Erfahrung des Mittelstands mit der Agilität und Innovationskraft der Start-ups. Durch solche Synergien können Unternehmen besser auf die dynamischen Marktanforderungen reagieren und nachhaltiges Wachstum fördern. [8]

Obwohl KMU und Start-ups sich in Strategien, Führungsstilen und Unternehmenskulturen unterscheiden, bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur gegenseitigen Bereicherung. Allerdings ist ein integrierter Strategie- und Kulturwandel notwendig, um diese Unterschiede erfolgreich zu überbrücken und die Transformation zu meistern.

Angesichts der aktuellen Herausforderungen stellt sich die Frage: Hat der Mittelstand eine Zukunft? Professor Dr. Friederike Welter, Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn, beantwortet dies im „Forschungsnewsletter zum Mittelstand“ Ausgabe 2/2023 eindeutig positiv: „Den Mittelstand wird es auch in Zukunft geben – da bin ich mir sicher. In den vergangenen Jahrzehnten ist er jedoch vielfältiger geworden. Für die Mittelstandspolitik bedeutet dies, dass sie die Rahmenbedingungen der Heterogenität des Mittelstands anpassen muss. Auch muss sie sich bei der Zielgruppenansprache neu aufstellen: Nicht jeder, der qua Definition zum Mittelstand gehört, empfindet sich als mittelständisch. Denken Sie nur an die Soloselbstständigen oder die Gründer innovativer Start-ups. Auf der anderen Seite gibt es aber viele große Familienunternehmer, die aufgrund ihrer Struktur eigentlich nicht mehr zum Mittelstand gehören, sich aber gleichwohl als Mittelstand bezeichnen.”

Der Wandel des Unternehmertums in Deutschland ist unausweichlich und wird durch vielfältige gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Faktoren vorangetrieben. Traditionelle Mittelständler und innovative Start-ups müssen gemeinsam an einer resilienten und nachhaltigen Zukunft arbeiten. Die Kooperation zwischen etablierten Unternehmen und neuen Marktteilnehmern bietet enormes Potenzial für Innovation und Wachstum.

Friederike Welter fasst dies treffend zusammen: „Gerade in den jüngsten Krisen haben viele mittelständische Unternehmen wieder gezeigt, was den Mittelstand so besonders macht: Sie haben flexibel und kreativ auf die Herausforderungen reagiert und beispielsweise ihr Geschäftsmodell und interne Prozesse an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst.“

Diese Resilienz und Anpassungsfähigkeit sind entscheidend, um den kommenden Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und eine nachhaltige Unternehmensentwicklung sicherzustellen. In den kommenden Jahren wird die erfolgreiche Integration von traditionellen und innovativen Ansätzen im Unternehmertum maßgeblich darüber entscheiden, welche Unternehmen sich langfristig behaupten können. Veränderungsmanagement und strategische Kooperationen werden dabei eine zentrale Rolle spielen.

Kontakt

Prof. Dr. Norbert Zdrowomyslaw (Autor)
Freiberuflicher Projektleiter
Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken (Stralsund)

Christian Wulf (Autor)
Standortleitung
Assecor GmbH (Stralsund)

Quellen
[1] Vgl. Zdrowomyslaw, N./Stütz, B./Wulf, Ch.: Nachhaltigkeit regional und lokal gedacht, in: Transfer Das Steinbeis-Magazin 2/2021, S. 36-37.
[2] Vgl. Auerbach, H./Zdrowomyslaw, N.: Unternehmensentwicklung und Management im Mittelstand. Einblicke in die Praxis von A bis Z, Greifswald 2023, S. 86f.
[3] Vgl. Zdrowomyslaw, N./Klotz, M./Freyer, M./Wedell, D.: Unternehmensentwicklung durch Veränderungsmanagement. Mit Mitarbeitern Wandel erfolgreich gestalten, in: Der Betriebswirt. Management in Wissenschaft und Praxis 4/2019, S. 26-32.
[4] Vgl. Zdrowomyslaw, N. und Team: Unternehmensnachfolge in Mecklenburg-Vorpommern. Mit der Praxis für die Praxis! Greifswald 2020.
[5] Vgl. Auerbach, H./Zdrowomyslaw, N.: Unternehmensentwicklung und Management im Mittelstand. Einblicke in die Praxis von A bis Z, Greifswald 2023, S. 32-167.
[6] Vgl. Zdrowomyslaw, N./Auerbach, H./Wulf, Ch.: Neue Denkmuster sind gefragt: Der Mittelstand im Wandel, in: Transfer Das Steinbeis-Magazin 2/2023, S. 13-15.
[7] Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: GründerZeiten 27: Soziales Unternehmertum, Berlin 4/2016.
[8] Vgl. Zdrowomyslaw, N./Auerbach, H./Wulf, Ch.: Neue Denkmuster sind gefragt: Der Mittelstand im Wandel, in: Transfer Das Steinbeis-Magazin 2/2023, Tabelle S. 14.
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