…oder wie Management-Mindsets die Zukunft des Unternehmertums sichern können
Seit den 1970er-Jahren laufen zwei Entwicklungen mit zunehmender Geschwindigkeit immer weiter auseinander: einerseits die technisch getriebene Transformation aller Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft, die im Kontext einer globalen Konkurrenz und der aufkommenden Wissensökonomie stattfindet, und andererseits die abnehmende Fähigkeit von Institutionen und Unternehmen, diese Transformationsgeschwindigkeit verarbeiten zu können. Welche Folgen diese Entwicklung für die Wirtschaft hat, wie Unternehmen die daraus resultierenden Herausforderungen meistern können und welche Rolle dabei Management-Mindsets zukommt, hat der Steinbeis-Experte Professor Dr. Mario Vaupel für die TRANSFER zusammengefasst.
Die mangelnde Fähigkeit von Unternehmen, Transformationen zu nutzen, drückt sich drastisch in der abnehmenden Lebensdauer von Unternehmen (Rückgang von durchschnittlich 35 auf 18 Jahre in den letzten 50 Jahren)[1], aber auch in der stark erodierenden Motivation von Mitarbeitern [2] aus.
Die Antworten, wie Unternehmen vermeiden können, dass sie den „Zug der Zeit verpassen“, liegen nicht im Lamentieren über unerwartete Technologiesprünge, unfaire internationale Konkurrenz oder fehlende Fachkräfte, sondern in zukunftsfähigen Denk- und Handlungsmustern der Führungskräfte: Management-Mindsets. Sie sind die Treiber für eine effektive Führung, ohne die Unternehmen die Transformationen häufig nicht überleben können, und unterscheiden sich von den ausgedehnten Katalogen der Managementkompetenzen, die ohnehin nicht in die Praxis übersetzbar sind. Dabei lassen sich – aus einer Marktperspektive abgeleitet – sieben Mindsets beschreiben und entwickeln, die eine zukunftsfähige Aufstellung des Managements ermöglichen.
Überleben sichern und Zukunft gestalten
Besonders relevant für Unternehmen im Umgang mit der beschleunigten Transformation sind das reflexive und das innovative Mindset. Dabei sind die Leistungen, die die Management-Mindsets ermöglichen müssen, nicht psychologisch, sondern aus den Marktanforderungen (outside-in) abgeleitet.
Das reflexive Management-Mindset trägt wesentlich dazu bei, die Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu sichern, indem es den Blick für die geschäftsrelevanten Entwicklungen schärft. Um dies leisten zu können, muss dieses Management-Mindset im Wesentlichen drei Leistungen erbringen: Distanzierung, Antizipation und Adaption. Diese Leistungsanforderungen lassen sich direkt in den strategischen und operativen Managementalltag übersetzen: Die Distanzierungsleistung bedeutet, sich vor dem Hintergrund eines hinreichenden Verständnisses der marktbedingten Veränderungsanforderungen von den etablierten Strategien, Prozessen, Strukturen und Produkten des Unternehmens distanzieren zu können. Gelingt dies nicht, droht der sogenannte „cultural lock-in“, das heißt, die alten Lösungen werden unter Missachtung der Marktentwicklungen weiter fortgeschrieben oder sogar intensiviert („active inertia“). [3] Die Distanzierung von den etablierten Lösungen, die zukünftig nicht mehr marktgerecht sind, ermöglicht es, neue Entwicklungen nicht als Bedrohung, sondern als Geschäftsoptionen wahrzunehmen. Damit wird es möglich, die strategische Neuausrichtung an den Marktveränderungen zu orientieren (Antizipation) und die entsprechende Anpassung der Ressourcen zu vollziehen (Adaption).
Im Zusammenwirken mit dem reflexiven Mindset trägt auch das innovative Management-Mindset wesentlich dazu bei, die Überlebensfähigkeit von Unternehmen durch spezifische Leistungen zu ermöglichen. Die erste Funktion, die das innovative Management-Mindset in den Managementalltag tragen muss, ist die Bereitschaft zu lernen. Die Erklärung, warum die Lernleistung das Fundament für das innovative Mindset darstellt, liegt in der Kehrseite der Lernbereitschaft, nämlich der Verschlossenheit oder dem Nicht-Lernen. Dieses „Negativ-Mindset“ führt zu einer mangelnden Veränderungsbereitschaft, dem Ignorieren von Chancen durch Unwissenheit und schließlich zu einer wachsenden Unsicherheit. [4] Deshalb ist die Bereitschaft einer Führungskraft sich neues Wissen anzueignen, um die technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen verstehen und unternehmerische Antworten geben zu können, für ihr innovatives Handeln elementar.
Die notwendige Lernbereitschaft für Manager kann jedoch funktionale Schwerpunkte haben, das heißt, hauptsächlich darauf gerichtet sein, welche Marktentwicklungen von Geschäftsmodellen, Strategien, Strukturen, Prozessen, Techniken und Produkten verstanden und aufbereitet werden müssen. Neben der grundlegenden Lernbereitschaft muss das innovative Management-Mindset darauf ausgerichtet sein, die marktorientierten Anpassungsleistungen nicht spontanen kreativen Prozessen zu überlassen, sondern in eine geplante Innovationsarbeit für das Unternehmen zu übersetzen.
Sieben Mindsets – ein Ziel
Dieser Aufriss zu zwei ausgewählten Mindsets darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein effektives Management zur Überlebenssicherung in turbulenten Marktbedingungen das Zusammenwirken der sieben zukunftsfähigen Management-Mindsets benötigt. Neben den zwei beschriebenen Mindsets müssen im Managementalltag fünf weitere Mindsets performen: Das analytische Mindset muss Manager befähigen, wesentliche Informationen für das Unternehmensmanagement – heute häufig durch die Nutzung von AI und Data Analytics unterstützt – abgreifen und einsetzen zu können. Durch das zielorientierte Mindset gilt es für das Unternehmen, eine klare strategische Ausrichtung und damit für die Mitarbeiter eine klare Orientierung zu schaffen. Das netzwerkorientierte Management-Mindset befähigt Führungskräfte, in den neuen wirtschaftlichen Netzwerkstrukturen die notwendigen Ressourcen, Innovationen und die Entwicklungsgeschwindigkeit zu generieren. Da sich Konkurrenzmaßstäbe nicht mehr national definieren, hilft das weltgewandte Mindset bei der Beschaffung und dem Einsatz von menschlichen Ressourcen sowie bei der Entwicklung marktfähiger Produktlösungen das Denken und Handeln international auszurichten. Schließlich gilt das „Managementgesetz“: Ohne ein effektives aktionsorientiertes Mindset, das dafür sorgt, dass eine effektive Entscheidungs- und Umsetzungsorientierung gelebt wird, haben die anderen Mindsets eher philosophischen Wert. [5]
Die Steinbeis University – Schools of Next Practices GmbH hat sich im Steinbeis-Verbund darauf spezialisiert, Führungskräfte durch wirkungsvolle Programme bei der Entwicklung und Stärkung ihrer Management-Mindsets zu unterstützen. Dafür setzt das Steinbeis-Unternehmen professionelle Learning Journeys ein, die in sogenannten Talent Pipelines für alle Führungsebenen oder in speziell designten Executive Programmen abgebildet werden.
Kontakt
Prof. Dr. Mario Vaupel (Autor)
Geschäftsführer
Steinbeis University – Schools of Next Practices GmbH (Berlin)
Literatur
[1] Viguerie, S. Patrick / Calder, N., / Brian Hindo, B. (2021): Innosight. Corporate Longevity Forecast
[2] Gallup Engagement Index Germany (2023)
[3] Foster, R. / Kaplan, S. (2001): Creative destruction. Why companies that are built to last underperform the market and how to successfully transform them, New York
[4] Schein, E. (2002): Blut, Schweiß und Tränen – von der Angst zu lernen, Edgar H. Schein im Gespräch mit Diane L. Coutu. In: Harvard Business Manager, 5/2002, S. 72-79
[5] Vaupel, M. (2011): Rising Stars – welche Mindsets zukunftsfähige Führung braucht. In: Wirtschaftspsychologie aktuell, 1/2011, 21-2 und Vaupel, M. (2008): Leadership Asset Approach: Von den Herausforderungen der Führung zur Steuerung der Führungsperformance, Wiesbaden
227256-17