Im Gespräch mit Dr.-Ing. Petra Püchner, Europabeauftragte der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg und Steinbeis-Expertin
Dr.-Ing. Petra Püchner ist das, was man mit Fug und Recht eine überzeugte Europäerin nennen kann. Und damit erklärt sich auch die Begeisterung und Leidenschaft, die sie für ihr Amt als Europabeauftragte der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg hat. Was auf dem Papier recht sperrig klingt, ist seit inzwischen sieben Jahren ein Networking-Job par excellence. Petra Püchner ist viel in Europa unterwegs, um Unternehmen und Menschen aus angewandter Forschung und Praxis zusammenzubringen und den Innovationsstandort Baden-Württemberg zu stärken. Als Steinbeis-Unternehmerin am Steinbeis IDEA Europe Institut setzt sie sich mit ihrem Team für die Belange baden-württembergischer Unternehmen in Europa ein. Im Gespräch mit der TRANSFER macht sie deutlich, wo sie aktuell die größten Hürden und Handlungsbedarf sieht, damit Unternehmen fit für die Herausforderungen der Zukunft werden.
Frau Dr. Püchner, welche Fähigkeiten und welche Einstellung halten Sie für entscheidend, um den Erfolg von Unternehmen in der Zukunft zu sichern?
Wir sind gerade in schwierigen Zeiten. Das gilt insbesondere für die Unternehmen, die sich von den Regulierungen sehr getroffen fühlen und die Mitarbeiter freistellen müssen, um der Umsetzung dieser Regulierungen überhaupt nachkommen zu können.
Bei den Unternehmen herrscht daher momentan große Unzufriedenheit. Was es jetzt aus meiner Sicht braucht, ist, dass die Unternehmen nach vorne schauen und die relevanten Themen erkennen, die für ihren Bestand in der Zukunft wesentlich sind. Dazu gehört sicher die Digitalisierung. Es gehört aber auch dazu, dass man ganz neue Themen in den Blick nimmt, beispielsweise den Bereich Quantentechnologie. Es gibt hier schon jede Menge Unterstützungsangebote, zum Beispiel von Fraunhofer, die auch gerade KMU ansprechen. Ein prominentes Beispiel ist das Unternehmen Trumpf. Die Zusammenarbeit mit Fraunhofer in Stuttgart half Trumpf, dass durch Quantentechnologie noch bessere Ergebnisse erreicht werden können.
Quanten sind nur ein Thema von vielen, die KMU noch mehr nutzen können, um Erfahrungen mit den neuen Technologien zu machen. Dabei geht es darum, zu erfahren, wie diese angewendet werden können und zu einer Steigerung der eigenen Ergebnisse führen können.
Entscheidend für die Zukunft sind auch Fachkräfte. Wir sehen, wie zur Zeit nicht nur Arbeitskräfte entlassen werden, sondern auch ganze Bereiche in den Unternehmen stark reduziert werden, weil sie auf dem Markt weniger erfolgreich sind und damit Produktivität abgebaut wird. Mit den neuen Technologien werden auch wieder neue Chancen eröffnet und die Unternehmen werden wieder Arbeitskräfte benötigen. Die Unternehmen sollten sich überlegen, ob Entlassungen die Lösung sind oder stattdessen Weiterbildungsmaßnahmen in die neuen Technologien stärker in den Blick zu nehmen sind.
Sie sehen, es gibt verschiedenste Baustellen. Wichtig ist, dass dabei nicht vergessen wird, welche Entwicklungen momentan stattfinden, die die Zukunft prägen werden. Hier gibt es viele Start-ups, die helfen können: die neue Technologien entwickeln, die sie auch bei Unternehmen einsetzen möchten. Unternehmen haben gerade keine leichten Zeiten. Insbesondere die KMU, die als Zulieferer und Technologieentwickler wichtige Partner für die großen Unternehmen sind. Abrupte Veränderungen verlangen nach neuen Aussichten. Die Lösung kann nur der Blick nach Vorne sein. Gerade jetzt ist es wichtiger denn je, Innovation im Fokus zu haben.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf sowohl bei Unternehmen als auch bei Mitarbeitenden?
Ich glaube, dass die Mitarbeitenden inzwischen bereit dazu sind, wieder mehr zu lernen. Sie arbeiten gern in ihren Unternehmen und haben ein Interesse daran, das auch weiterhin tun zu können. Sie wollen bei den neuen Technologien mit dabei sein, aber dafür braucht es natürlich sehr viel Weiterbildung. Hier in Baden-Württemberg unterstützen wir da auch schon sehr viel, aber möglicherweise reicht es nicht auf allen Ebenen. Und wie gesagt, die Gefahr ist, dass die Unternehmen eher Mitarbeiter aus klassischen Bereichen entlassen, und stattdessen Mitarbeitende beispielsweise aus der IT oder anderen zukunftsträchtigen Bereichen holen – die wiederum auch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Hinzu kommt, dass an vielen Stellen in der Politik wichtige Fachkräfte eingestellt werden, die den Unternehmen fehlen. Die Politik sollte noch mehr als bisher lieber mit Start-ups arbeiten, die sowieso schneller die notwendigen Produkte oder Services liefern können. Dann kann sich die Politik auf Rahmenbedingungen fokussieren, die den Unternehmen Klarheit für die Zukunft geben. Aus meiner Sicht sollten Unternehmen stärker und selbstbewusster auftreten und deutlich machen, dass die Unternehmen, die ja auch das Risiko tragen, am besten selbst entscheiden, wie und was sie für die Zukunft entwickeln – dabei sollte die Technologieoffenheit ein Selbstverständnis sein. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es nicht sinnvoll ist, nur auf eine Technologie zu bauen.
Das sind Dinge, die mich sehr bewegen. Wir alle hören und sehen, wie die immer mehr dazu kommenden Regulierungen den Unternehmen zu schaffen machen. Und wir hören und sehen, dass die Umsetzung für die Unternehmen sehr viel Zeit benötigt und manche Unternehmen dazu bringt, ans Aufhören zu denken. Das ist nicht das, was wir für die Unternehmen wollen. Ich habe dazu zwei wichtige Themen.
Das eine ist, dass die Regulierungen immer mehr in kleinste Details einsteigen und damit den Aufwand immer mehr erhöhen. Der Hintergrund ist die immer stärker zunehmende Kontrolle, die jegliche mögliche Gefahr ausschließen soll. Wir können aber nie alles kontrollieren, noch dazu in technologischen Bereichen, die wir zum Teil noch gar nicht durchschauen. Etwas mehr Freiheit für die Unternehmen und gute Angebote für die Nutzung von Regulatory Sandboxes würden schon eine Hilfe für die Unternehmen darstellen.
Stattdessen haben wir beispielsweise im Bereich der Medizintechnik unsere Unternehmen in Bezug auf die Regulierungen so eingebunden, dass die entsprechenden Unternehmen ihre Innovationen nicht mehr in Deutschland auf den Markt bringen können, weil die Ressourcen dafür nicht da sind. Innovationen passieren in den USA, China und anderen Staaten der Welt.
Eine erste Verbesserung geschieht, wenn Unternehmen und die EU-Behörden, wie zum Beispiel die EU-Kommission, sich treffen und voneinander hören. Medical Mountains hat dafür eine gute Plattform für beide Seiten und damit ein gegenseitiges Verständnis ermöglicht. Dazu gehörte auch, dass die Probleme konkret angesprochen wurden und erste Überlegungen zu Veränderungen in der Regulierung stattfanden.
Die beste Lösung aber ist, wenn Forschung und Unternehmen gleich zu Beginn, wenn eine Regulierung geplant ist, sich einbringen und die eigenen möglichen Hindernisse genau benennen. Die EU-Kommission ist darauf angewiesen, diese Informationen zu bekommen. Neben “Have your say” können jederzeit – insbesondere in den ersten Monaten, in denen die Regulation zur Prüfung für alle geöffnet wird – Fragen und Bedenken eingereicht werden.
Das sind für mich sehr wichtige Themen, die im Moment noch sowohl an Mitarbeitenden als auch an den Unternehmen vorbeigehen. Ich verstehe den aktuell vorherrschenden Ärger, aber es gibt auch Möglichkeiten, daran etwas zu ändern. Als Europabeauftragte steht meine Tür hier für die Unternehmen offen, um im Austausch mit den europäischen Organisationen wichtige Elemente der Regulierungen anzusprechen und mögliche Hindernisse auszuräumen. Wir haben schon mit kleinen Unternehmen einen kurzen Austausch mit der Kommission organisiert, in dem das Unternehmen sein Problem darlegen konnte. Die Kommission kann mit dieser Rückmeldung dann neu auf eine getroffene Regulierung schauen und bei einer Aktualisierung reagieren.
Welche Bedeutung messen Sie dem Networking in diesem Zusammenhang bei?
Wenn wir von Networking sprechen: Ich glaube generell ist man am besten beraten, wenn man für jede Innovation, für jede neue Technologie in Kooperation mit anderen geht, die auch noch Ideen einbringen. Die einfachste Möglichkeit ist über ein EU-Projekt. Hier helfen wir am Steinbeis Europa Zentrum, Partner zu finden. Ich bekomme so oft Rückmeldung von Unternehmen, die zu Beginn skeptisch und am Ende positiv überrascht waren, wie viel sie gelernt haben. Schon aus Gründen der Geschwindigkeit, in der neue Technologien entstehen, ist es wichtig, dass man seine Kompetenzen und Erfahrungen bündelt, zusammenarbeitet und das möglichst nicht nur innerhalb Baden-Württembergs, sondern mit anderen europäischen Regionen. Auch über das Enterprise Europe Network gibt es die Möglichkeit, an entsprechenden Plattformen teilzunehmen. Es lohnt sich, dafür Zeit zu investieren. Und natürlich muss ein KMU dann auch bereit sein, dafür die Kapazitäten von Mitarbeitern freizuschaufeln, denn der Chef alleine kann so eine Kooperation nicht stemmen. Ich glaube, es ist wichtig, dass die Unternehmen die Dienstleistungsangebote, die es gibt, besser kennen. Im Bereich Digitalisierung gibt es in Deutschland beispielsweise die Digital Hubs, in Europa die European Digital Innovation Hubs. Drei Hubs sind allein in Baden-Württemberg Ansprechpartner für Fragen rund um Digitalisierung und KI im Unternehmen.
Wie kann das Steinbeis Europa Zentrum Unternehmen dabei gezielt unterstützen?
Es gibt Hilfestellung über das Enterprise Europe Network, das zahlreiche Anlaufstellen in Baden-Württemberg hat – auch wir am Steinbeis Europa Zentrum gehören dazu. Es gibt so viele Möglichkeiten und die sollten auch genutzt werden. In Kooperation mit anderen laufen Projekte viel schneller und vor allem besser ab, weil unterschiedliche Fähigkeiten zusammen kommen. Wir haben am Steinbeis Europa Zentrum inzwischen fast 100 Mitarbeitende, die in den verschiedensten Themen unterwegs sind. Das sind technologische Themen wie auch soziale Innovationen. Wir agieren auch sehr stark im Donauraum, um hier Städte, Kommunen und Universitäten zu unterstützen. Technologisch decken wir eine große Bandbreite ab und bieten insbesondere KMU, aber auch generell Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit den EU-Projekten eine große Chance mit anderen zusammenzuarbeiten und dadurch das Risiko zu teilen. Die Fördersummen in EU-Projekten betragen je nach Forschungsstadium des Projektes 70 bis 100 %. Die Projektpartner können mehrere Millionen Euro von der EU erhalten. In diesen Beträgen sind auch die Personalkosten enthalten, sowie Reisekosten und natürlich Kosten für die entsprechenden Maßnahmen.
Etwas schwieriger wird es, wenn Unternehmen die Start-up-Phase hinter sich haben und nun scalen wollen. Beim Scaling sind Summen in anderen Größenordnungen nötig, die dann nicht mehr in so großem Umfang zu bekommen sind. Es gibt zwar den EU-Accelerator, aber hier werden sehr viele Anträge eingereicht, sodass der Anteil der genehmigten Anträge leider recht gering ist. Wir versuchen auch hier zu helfen, aber es ist umso wichtiger, möglichst früh Technologiepartnerschaften mit anderen einzugehen. Das können kleine wie auch große Unternehmen sein, die noch nie an EU-Projekten teilgenommen haben und das einfach einmal ausprobieren wollen. Oft können wir auch die Teilnahme an schon bestehenden Konsortien vermitteln, dann müssen die Unternehmen selbst weniger organisieren. Natürlich unterstützen wir aber auch, wenn einfach ein Kooperationspartner für ein Projekt in einem anderen Land oder auch Kontinent gesucht wird. Hier kommt auch wieder das Enterprise Europe Network ins Spiel. Kurzum: Es gibt eigentlich kein Thema, das Unternehmen betrifft, zu dem wir nicht einen kompetenten Ansprechpartner kennen oder meist auch die Antworten selbst geben können.
Soziale Innovationen spielen heutzutage eine große Rolle, werden aber im Hinblick auf Förderung anders behandelt als Wirtschaftsunternehmen. Ist das aus Ihrer Sicht gerechtfertigt?
Sie werden überrascht sein, wie viele Unternehmen im sozialen Innovationsbereich agieren. Wir arbeiten beispielsweise mit einer Unternehmerin, die sich vor allem um das Thema Plastikabfall in den Meeren kümmert. Sie agiert als gGmbH, um ihre Vielzahl an wichtigen Patenten schnell und unbürokratisch weiterzugeben, damit sie weltweit möglichst rasch zum Einsatz kommen. Es ist ärgerlich, dass sie als gGmbH nicht die Zugänge zu Finanzierungen erhält wie es die GmbHs bekommen. Auch wir als Steinbeis Europa Zentrum sind Teil einer gGmbH und damit sind viele Aktivitäten zugunsten von Unternehmen verbunden. Ich denke man sollte bei der Förderung nicht zwischen wirtschaftlich und gemeinnützigen Unternehmen trennen, sondern eher auf deren Themen und Impact schauen, statt die gGmbHs aus dem Spiel der möglichen Finanzierungen zu nehmen.
Kontakt
Dr.-Ing. Petra Püchner (Interviewpartnerin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis Europa Zentrum | Steinbeis EU for YOU (Stuttgart)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis IDEA Europe / Institut der Europabeauftragten der Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg (Stuttgart)