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Unternehmensprozesse hinterfragen, verstehen und kontinuierlich verbessern – darin liegt der Schlüssel zum Erfolg

Im Gespräch mit Professor Dr.-Ing. Jörg W. Fischer, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Rechnereinsatz im Maschinenbau (STZ-RIM)

Wie gelingt es uns, die komplexesten geschäftlichen und technologischen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen und die Unternehmen fit für die Zukunft zu machen? Steinbeis-Experte Professor Dr.-Ing. Jörg W. Fischer hat mit der TRANSFER darüber gesprochen. Er ist überzeugt: Unternehmen können nur dann erfolgreich sein und auch bleiben, wenn sie einerseits alles Bestehende hinterfragen und sich agil an neue Anforderungen anpassen und andererseits dennoch die eigene Identität bewahren.

Herr Professor Fischer, welche strategischen Prioritäten sollten Unternehmen heute setzen, um morgen erfolgreich zu sein?

Diese Frage ist komplex, da Unternehmen heute mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert sind. Einerseits gibt es die „klassischen“ Themen wie die wachsende Marktkomplexität, das Management dieser Komplexität, kundenindividuelle smarte Produkte und die Digitalisierung. Andererseits treten ständig neue Themenfelder auf, wie beispielsweise das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und das Thema Resilienz, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. So wird viel über resiliente Lieferketten und widerstandsfähige Unternehmen diskutiert. Diese Entwicklungen tragen dazu bei, dass die Tendenz zu Werkverbunden zunehmen wird. Beispielsweise könnte ein Unternehmen dazu übergehen, besonders energieintensive Produktionsschritte an Standorte mit niedrigeren Energiekosten zu verlagern. Auch lokale rechtliche Rahmenbedingungen spielen hierbei eine erhebliche Rolle.

Aktuell stehen Unternehmen unter enormem Druck: Sie müssen einerseits laufend innovative Produkte liefern, sehen sich jedoch andererseits mit vielen Problemen wie zum Beispiel Lieferkettenproblemen konfrontiert. Die zentrale Frage lautet daher: Was können Unternehmen tun, um sich langfristig zu behaupten? Bei der Antwort gilt es zwei Dimensionen zu betrachten: Die erste ist die Fristigkeit der Maßnahmen, also ob der Fokus auf kurzfristige Erfolge, mittelfristige Zielsetzungen (in drei bis fünf Jahren) oder langfristige Perspektiven (fünf bis zehn Jahre) gerichtet ist. Die zweite Dimension ist die aktuelle Marktsituation des jeweiligen Unternehmens. Auf Basis dieser Überlegungen lassen sich dann gezielte Maßnahmen ableiten, die je nach Situation kurzfristige Effekte erzielen oder mittel- bis langfristige Auswirkungen haben.

In Ihrer Beratung setzen Sie auf den „Strategy Cascading“-Ansatz. Können Sie uns genauer erklären, was dahintersteckt?

Für Unternehmen ist es entscheidend, sich gezielt mit der Frage auseinanderzusetzen: Was sind unsere Ziele und wohin wollen wir? Als ich begann, mich intensiv mit Digitalisierungsthemen zu beschäftigen, fiel mir auf, dass die Produktstruktur eines Unternehmens maßgeblich durch dessen Strategie beeinflusst wird. Als ich meine Kunden dann nach ihrer Unternehmensstrategie fragte, waren die Antworten oft erschreckend unklar. So kamen wir zur Strategieberatung und entwickelten die Methoden, die für eine effektive Strategiearbeit notwendig sind.

Mit unserem „Strategy Cascading“-Ansatz begleiten wir unsere Kunden im gesamten Prozess der Strategieentwicklung. Dieser beginnt bei der Formulierung der Strategie, umfasst die Definition von Zielbildern und reicht bis hin zur Erfolgsmessung. Dadurch helfen wir unseren Kunden, die erforderlichen Kompetenzen zu identifizieren, die relevanten Handlungsfelder zu definieren und die Aufgaben in diesen Feldern klar zu strukturieren und zu formulieren. Darüber hinaus unterstützen wir sie auch bei der Umsetzung der Strategie. Wir bieten unseren Kunden also ein umfassendes Rundumpaket an. Ich vergleiche diesen Ansatz gerne mit einem Nordstern: Zunächst helfen wir dem Unternehmen, diesen „Nordstern“ – das übergeordnete Ziel – klar zu definieren. Anschließend begleiten wir den Aufbau einer Stufe-für-Stufe-Treppe, die den Weg zu diesem Stern ebnet.

Wie profitieren Ihre Kunden konkret von diesem Ansatz?

Wenn ein Unternehmen mit einem Thema beziehungsweise einem Problem zu uns kommt, starten wir mit einem Methodenworkshop, um Probleme und Ziele zu identifizieren. Dabei nutzen wir ein eigens dazu entwickeltes „Landkarten“-System – das sogenannte Company Cubing – das Unternehmen hilft, ihre Ziele klar zu formulieren und Handlungsfelder zu identifizieren. Dabei definieren wir gemeinsam mit unserem Kunden auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen den aktuellen Stand und das Ziel. Am Ende haben wir eine Kaskade von diesen Landkarten, die dem Unternehmen ermöglichen, Strategien präzise zu planen und zu priorisieren, was gerade für KMU wichtig ist. Ein Beispiel ist die Klassifizierung von Materialien nach Verfügbarkeit, um die Materialien immer in der benötigten Menge zu haben, ohne einerseits viel zu große Lagerbestände anzuhäufen, und andererseits, um Engpässe zu vermeiden.

Wir arbeiten wie ein Ärzteteam: Wir analysieren den Zustand des Unternehmens, identifizieren Prioritäten und entwickeln gezielte Maßnahmen – von Strategie bis zur Softwareimplementierung. Unser Ziel ist es, Beratung, Management, Methoden und IT-Umsetzung zu vereinen, um maßgeschneiderte und nachhaltige Lösungen zu schaffen.

Ihr Dienstleistungsportfolio umfasst auch den Bereich „Industrial Data Science“, was ist das Besondere daran und wie profitieren Unternehmen davon?

Industrial Data Science ist eine spezielle Methode, die industrielle Prozesse mit modernen Datenanalysetools kombiniert. Ziel ist es, tiefere Einblicke in Unternehmenssysteme zu gewinnen und präzise, aussagekräftige Analysen zu liefern. Dabei geht es nicht nur darum, Daten zu sammeln, sondern auch darum, sie im Kontext der Unternehmensprozesse richtig zu interpretieren und gezielt Entscheidungen zu unterstützen.

Viele Unternehmen messen ihre Kennzahlen wie Lieferzeiten, aber oft ohne den richtigen Kontext. Mit unserer Methode können wir solche Daten statistisch bewerten und den wahren Zustand transparent machen – das ist quasi wie ein Ultraschallgerät für Unternehmen. Wir helfen, nicht nur zu beschreiben, was passiert, sondern auch zu verstehen, warum es so ist und wie man es verbessert.

Unser Ansatz geht weit über einfache Business Intelligence hinaus: Wir zeigen nicht nur, wie gut ein Unternehmen läuft, sondern auch, welche Hebel es anpacken muss, um langfristig erfolgreicher zu werden. Dabei sind wir wie „Unternehmensärzte“, die genau hinsehen, die richtigen Fragen stellen und Lösungen entwickeln, die maßgeschneidert und umsetzbar sind.

Eine abschließende Frage an Sie: Worin sehen Sie persönlich den Schlüssel zu mehr Resilienz und Nachhaltigkeit im Unternehmertum?

Resilienz im Unternehmertum bedeutet vor allem, gegen verschiedene Herausforderungen gewappnet zu sein – sei es durch Marktanforderungen, Lieferkettenprobleme oder Produktionskapazitäten. Der Schlüssel dazu liegt in einer fundierten Portfolio-Steuerung, die es ermöglicht schnell auf Veränderungen zu reagieren, und der Fähigkeit, Produktionsprozesse flexibel und vorausschauend zu gestalten. Eine effektive Steuerung der Lieferkette und die Auswahl kritischer Materialien sind ebenso essenziell. Ein „hybrider Baukasten“ für die Supply Chain kann helfen, die Produktion flexibel an veränderte Marktbedingungen anzupassen.

Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein zentrales Thema, das immer mehr in den Fokus rückt. Hier gilt es, auf allen Ebenen – von der Produktentwicklung bis zur Lieferkette – zu überlegen, wie man ressourcenschonender und umweltfreundlicher agieren kann. Dies umfasst nicht nur die Wahl von Materialien mit geringeren CO₂-Emissionen, sondern auch die Optimierung von Prozessen, wie zum Beispiel die Nutzung von Druckluft in der Produktion, die viel Energie kostet. Kleine Anpassungen an vielen Stellen können große Einsparungen bringen und die Nachhaltigkeit eines Unternehmens steigern. Der Schlüssel liegt darin, Nachhaltigkeit gezielt und strategisch umzusetzen – etwa durch bewusste Entscheidungen bei der Produktentwicklung, in der Prozessgestaltung und in der Auswahl von Lieferanten. Eine nachhaltige Unternehmensführung sollte sich nicht nur auf oberflächliche Maßnahmen beschränken, sondern auf einer tiefgreifenden Analyse und einem klaren Plan basieren.

Resilienz und Nachhaltigkeit erfordern ein tiefes Verständnis der Unternehmensprozesse und die Fähigkeit, diese kontinuierlich zu hinterfragen und zu verbessern. Unternehmen müssen in der Lage sein, ihre Entscheidungen transparent zu treffen und auf Fakten aufzubauen. Nur so können sie sich langfristig auf dem Markt und gegen externe Herausforderungen behaupten.

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Jörg W. Fischer (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Rechnereinsatz im Maschinenbau (STZ-RIM) (Karlsruhe)

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