Bianca Brinner und ihr Vater Andreas veröffentlichen ein Wimmelbuch, das die Herstellung und Nutzung von Wasserstoff erklärt
Für unzählige Alltagssituationen gibt es heute Wimmelbücher: In meist großformatigen Illustrationen stellen sie Kindern zahllose Details einer Situation dar, kurzum, es wimmelt nur so vor bildhaft vermittelten Informationen. Dass sich damit aber weitaus komplexere Themen als Stadtleben, die Feuerwehr oder ein Tag im Zoo beschreiben lassen, wollen Bianca und Andreas Brinner zeigen: Im Herbst erscheint in der Steinbeis-Edition ihr Wimmelbuch „Grüner Wasserstoff für Anfänger“ rund um das Thema Wasserstoff. Die TRANSFER hat sich mit dem Vater-Tochter-Duo über dieses ungewöhnliche Publikationsprojekt unterhalten.
Frau Brinner, Elektrolyse und Wasserstoffgewinnung sind eine komplexe, technisch anspruchsvolle Thematik – da denkt man zur Erklärung nicht als erstes an ein Wimmelbuch. Als Illustratorin haben Sie aber genau diesen Ansatz verfolgt: Wie entstand die Idee zu diesem nicht alltäglichen Projekt?
Bianca Brinner:
Wasserstoff war schon immer Teil unseres Familienalltags, denn das Thema begleitete meinen Vater beruflich seit Jahrzehnten. Die Idee zu diesem Projekt kam uns, nachdem ich letzten Sommer mein erstes Wimmelbuch fertiggestellt habe. Zu dieser Zeit wurde nicht nur viel über die damaligen hohen Energiekosten diskutiert, sondern in unserer Familie auch über den anstehenden Ruhestand meines Vaters.
In der Diskussion in meinem Umfeld war mir aufgefallen, wie wenig Menschen eigentlich über das Thema Wasserstoffgewinnung und generell Wasserstoff wissen. Schnell entstand dabei die Idee, das Fachwissen meines Vaters zu nutzen und daraus ein Kinderbuch zu entwickeln. Denn aktuell gibt es nicht viele einfach zu verstehende Inhalte zum Thema Wasserstoffgewinnung. Es ist ein komplexes Thema, das auch ich bisher gescheut habe – aber durch die gemeinsame Arbeit mit meinem Vater habe ich festgestellt, wie vergleichsweise einfach die Prozesse der Herstellung sind. Wir haben uns Fotos seiner Arbeit angeschaut und er hat mir die Prozesse erklärt. So durfte ich zum Beispiel das Projekt in Esslingen kennenlernen, bei dem der Wasserstoff in Kombination mit einem Bauprojekt genutzt wird. Das hat mich begeistert.
Wimmelbilder und -bücher sind tolle Medien, da es darin nicht nur viel zu entdecken gibt, sondern auch etwas erklärt wird ohne Sprache zu verwenden und zu benötigen. Man muss nicht zwangsweise lesen können, sondern lernt durch das Entdecken der Bilder. Und so kamen wir auf die Idee, die technischen Inhalte mit Leben zu füllen und tatsächlich in bereits umgesetzten Projekten zu verorten. Es ist eben kein Thema, das unerforscht ist: Die Wasserstoffherstellung kann zurückverfolgt werden bis hin zur Erfindung der Batterie durch Alessandro Volta vor rund 225 Jahren. Auch diesen Aspekt findet man in unserem Buch.
Wir haben mit unserem Wimmelbuch aber nicht nur den Anspruch, den komplexen Vorgang der Wasserstoffherstellung zu erklären, sondern auch für mehr Einstiegsbildung zu sorgen. Denn wer weiß schon, wie so ein Elektrolyseur aussieht, oder dass es unterschiedliche Formen von Elektrolyseuren gibt? Genau das zeigen wir im Buch, das den Einstieg in das Thema Wasserstoff spielerisch für jedes Alter erleichtern soll.
Herr Brinner, die Brennstoffzelle und der Wasserstoff begleiten Sie Ihr ganzes Berufsleben, lange bevor das Thema technologisch in aller Munde kam. Was faszinierte Sie schon so früh an dieser Technologie?
Andreas Brinner:
Die Möglichkeit in einem einzigen Prozessschritt aus Wasser und elektrischer Energie den chemischen Energieträger Wasserstoffgas zu erzeugen und denselben Prozess auch zur Rückverstromung des Wasserstoffs zu nutzen, ist faszinierend. Man ist an keinen thermodynamischen Kreisprozess mit beschränktem Wirkungsgrad gebunden. Es gibt keine schädlichen Abfallstoffe, denn der Ausgangsstoff Wasser wird nicht verbraucht, sondern nur in seine Elemente Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt und zeitlich und örtlich versetzt wieder zu Wasser zusammengesetzt. Wasserstoff ist außerdem universell als Sekundärenergieträger in der Energieversorgung, als Kraftstoff im Verkehr und als chemischer Rohstoff nutzbar. Der elektrochemische Prozessschritt benötigt keine beweglichen Teile, ist geräuschlos und hoch effizient und wurde schon ungefähr 60 Jahre vor der Entwicklung des Verbrennungsmotors entdeckt.
Wo stehen wir aus Ihrer Sicht technologisch aktuell, was die Entwicklung und Nutzung von grünem Wasserstoff angeht und welche Hürden gilt es vor allem zu meistern?
Andreas Brinner:
Technologisch haben wir alle notwendigen Komponenten fertig entwickelt, zum großen Teil auch schon zur Serienreife gebracht. Weltweit haben wir jahrzehntelange Erfahrung im Umgang und Betrieb mit Elektrolyseuren und Brennstoffzellen für alle Anwendungsgebiete. Die Entwicklung der notwendigen Sicherheitstechnik zum Umgang mit Wasserstoff und auch die Bildung entsprechender Prüforganisationen hatten vor mehr als 150 Jahren begonnen. Technologisch sind wir also sehr weit. Die größten Hürden liegen immer noch darin, dass fossile Energie zu preiswert ist und dass die Umweltfolgen ihrer Nutzung immer noch nicht finanziell angemessen berücksichtigt werden. Außerdem wird die Speicherung erneuerbarer Energie in Wasserstoff zur sicheren Energie-, Kraftstoff- und Rohstoffversorgung nicht gleichwertig beim Aufbau der erneuerbaren Energieversorgung aus Solar-, Wind- und Wasserkraft mit aufgebaut, um die Energieversorgung zu verstetigen und die Abregelung von Erzeugungsüberkapazitäten zu vermeiden.
Frau Brinner, pünktlich zur Frankfurter Buchmesse wird das Wimmelbuch im Oktober in der Steinbeis-Edition erscheinen. Wer ist Ihre Zielgruppe, für wen bietet sich das Buch als Einstieg in das Thema Wasserstoff an?
Bianca Brinner:
Ich würde sagen, dass es für jemanden wie mich gedacht ist: Jeder, der einen Einstieg in die Welt des Wasserstoffs sucht, aber keine technischen Bücher lesen möchte, oder sich vor komplexen Themen scheut. Und vor allem alle, die mehr davon verstehen möchten, wie viel Innovation und Möglichkeiten hinter der Wasserstofftechnik für die Zukunft stecken, sind unsere Zielgruppe. Was das Alter angeht, sprechen wir Kinder wie auch Erwachsene an.
Das Wimmelbuch „Grüner Wasserstoff für Anfänger“ ist über den Online-Shop der Steinbeis-Edition ab Mitte Oktober erhältlich: www.steinbeis-edition.de
Kontakt
Bianca Brinner (Interviewpartnerin)
Innenarchitektur & Illustration (Rutesheim)
www.biancazeich.net
Andreas Brinner (Interviewpartner)