Technische Fehler erkennen – sportliche Leistung steigern

Im Gespräch mit Professor Dr. Jürgen Edelmann-Nusser, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Forschungszentrum Technologien, Leistungsdiagnostik und Gesundheitsmanagement im Sport

Die Sportbiomechanik ermöglicht eine genaue Bewegungsanalyse und Bewegungsoptimierung der Technik eines Sportlers mit dem Ziel, seine Leistung zu erhöhen und Verletzungsrisiken zu minimieren. Die TRANSFER traf sich mit Professor Dr. Jürgen Edelmann-Nusser, Steinbeis-Experte und Inhaber des Lehrstuhls für Sport und Technik im Bereich  Sportwissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, um mit ihm über aktuelle Entwicklungen in der Sportbiomechanik und die Rolle der technologischen Trends dabei zu sprechen.

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Herr Professor Edelmann-Nusser, Sie beschäftigen sich mit der Sportbiomechanik, welche Themen stehen aktuell im Mittelpunkt Ihrer Forschung?

Der Fokus richtet sich auf die Anwendung von Inertialsensoren im Bereich der Biomechanik und Leistungsdiagnostik: Inertialsensoren werden genutzt, um biomechanische und leistungsbestimmende Merkmale in Echtzeit zu erfassen. Dabei geht es um einfach zu handhabende Systeme, die im täglichen Training verwendet werden können und eine sofortige Rückmeldung über die Ausführung der Bewegung auf einem Smartphone oder Tablet zusammen mit einem Video liefern. So können die Trainer und auch die Sportler bestimmte Vorgaben im täglichen Training gezielt ansteuern oder Fehler erkennen.

Wenn es um die technische Umsetzung geht, werden am Sportler zwei bis fünf Inertialsensoren angebracht und daraus über Algorithmen, die sportartspezifisch entwickelt werden, die entsprechenden relevanten Parameter bestimmt. Ein solches System wird aktuell zum Beispiel in einem Projekt zum Speerwerfen und Kugelstoßen zusammen mit dem Deutschen Leichtathletikverband erstellt. Auch die in Smartphones verbaute Inertialsensorik kann direkt genutzt werden: So wurde im Bereich Kanurennsport ein System entwickelt, bei dem ein Smartphone über eine spezielle Halterung vorne am Kanu angebracht wird, das dann eine direkte Rückmeldung über die Schlagzahl, die Geschwindigkeit und die Rotationsbewegungen des Bootes um seine drei Achsen – Rollen, Gieren und Stampfen – ermöglicht. Dies kann synchron mit einem Video dargestellt werden oder man kann sich bestimmte Parameter in einem Ampelsystem anzeigen lassen: „Grün“ bedeutet, dass der Parameter in einem guten Bereich liegt, „gelb“ bedeutet „noch akzeptabel“ und bei „rot“ sollte der Parameter korrigiert werden.

Wie können diese Erkenntnisse nutzenstiftend in der Praxis angewendet werden?

Die genannte App im Kanurennsport kann gerade im Nachwuchsbereich dieser Sportart sehr gut eingesetzt werden. Dadurch entsteht auch im täglichen Training ein gewisser Wettkampfcharakter, um entweder in den grünen Bereichen zu bleiben und damit technisch sauber zu paddeln oder beispielsweise die höchste heute gemessene Geschwindigkeit zu erreichen.

Welchen Einfluss auf Ihre Arbeit haben die aktuellen technologischen Trends wie zum Beispiel Digitalisierung?

Technisch gesehen können die erhobenen Daten aus der App zum Kanurennsport direkt über das Mobilfunknetz übertragen werden. Das bedeutet, dass der Trainer nicht vor Ort sein muss und trotzdem das Training in Echtzeit verfolgen kann. Dies ist gerade im Hochleistungssport von hoher Relevanz, da ein Bundestrainer damit auch Athleten, die an weit entfernten Orten trainieren, täglich betreuen kann.

Sie sind einer der Mitveranstalter der Tagung der dvs-Sektion Biomechanik, die im September 2023 in Magdeburg stattgefunden hat: Was sind die Ziele dieser Veranstaltung? Welche neuen Erkenntnisse hat sie hervorgebracht?

Diese Tagung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft findet in zweijährigem Rhythmus immer an unterschiedlichen Orten statt und dient dem wissenschaftlichen Austausch zur Sportbiomechanik in Deutschland. Themen der Tagung im September waren klinische Biomechanik mit Ganganalyse, muskuloskelettale Biomechanik, moderne Untersuchungsmethoden und Technologien sowie biomechanische Modellierung und Anwendungen in den Sportarten.

Neue Erkenntnisse gab es in Form vieler kleiner wissenschaftlicher Fortschritte zu einer Vielzahl von Problemen: So gab es einen Beitrag zur biomechanischen Ganganalyse bei Sportpferden, in einem Vortrag einer Arbeitsgruppe aus München wurde der Impact bei Kopfbällen im Fußball in Zusammenhang mit dem Leistungsniveau thematisiert, Autoren aus Freiburg untersuchten den Einfluss des Alters auf die Kniegelenkbiomechanik bei weiblichen Nachwuchsleistungsfußballerinnen. Ich selbst war an einer Untersuchung beteiligt, bei der es um die Einstellung der optimalen Sattelhöhe bei einer Zunahme der Belastungsintensität und einer damit einhergehenden Ermüdung im Radfahren ging.

Kontakt

Der dvs-Biomechanik 2023 Tagungsband ist im Shop der Steinbeis-Edition unter https://tinyurl.com/y4jz43wj erhältlich.

Prof. Dr. Jürgen Edelmann-Nusser (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Forschungszentrum Technologien, Leistungsdiagnostik und Gesundheitsmanagement im Sport (Biederitz)

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