Im Gespräch mit Dr. Wolfram Dreier, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Konfliktklärung
Wolfram Dreier ist seit fast 30 Jahren im Steinbeis-Verbund tätig und seit mehr als zwei Jahrzehnten verantwortet er das Steinbeis-Transferzentrum in Wangen im Allgäu, das sich kontinuierlich auf die Themen Mediation und Konfliktklärung spezialisiert hat. Da ist es nicht verwunderlich, dass diese Themen den Schwerpunkt seiner Dissertation bilden, die 2023 unter dem Titel „Innovationsförderndes Konfliktmanagement“ in der Steinbeis-Edition erschienen ist. Die TRANSFER hat mit ihm über seine Motivation, sein Verständnis von Konflikten und die zentralen Thesen seiner Promotion gesprochen.
Herr Dr. Dreier, wie kam es dazu, dass Sie sich auf Mediation und Konfliktmanagement spezialisiert haben?
Meine Tätigkeit als Mediator war zunächst nicht absehbar, aber rückblickend lassen sich einige Wegweiser erkennen. Während meines Zivildienstes in einer Klinik für psychosomatisch kranke Kinder wurde ich von der Arbeit der dortigen Psychologin inspiriert. Als Wirtschaftsingenieur konfrontierte mich meine erste Arbeitsstelle mit den Herausforderungen der Auseinandersetzungen zwischen den Geschäftsführern. Die Vielzahl an Gesprächen mit Unternehmern und der Einblick in innovative Betriebe während meiner Tätigkeit als von Steinbeis eingesetzter Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaften in den Landkreisen Göppingen und Ravensburg motivierten mich maßgeblich. Mein Entschluss mich als Mediator zu qualifizieren war jedoch hauptsächlich von meinen Erfahrungen im Vorstand eines mittelständischen Unternehmens getrieben. Dort wurde mir bewusst, dass eine zu große Harmonieorientierung letztendlich nicht förderlich ist. Ich strebte mehr Klarheit im Umgang mit Konflikten an, weshalb ich eine Ausbildung zum Wirtschaftsmediator an der Steinbeis Akademie für Mediation, Soziales und Recht der Steinbeis Hochschule absolvierte und mein Wissen anschließend in einem berufsbegleitenden Masterstudium an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) vertiefte. Auch meine Masterarbeit habe ich 2017 als Buch mit dem Titel „Über den Konflikt zur Innovation“ in der Steinbeis-Edition veröffentlicht.
Sie bezeichnen sich als „Mediator aus Überzeugung“, was genau bedeutet das?
Ich bin überzeugt von den Möglichkeiten, die sich aus dem Einsatz mediativer Elemente und einer mediativen Haltung ergeben. Solche Prinzipien wie wertschätzende Kommunikation, bewusstes Zuhören, Ergebnisoffenheit und echtes Interesse am Gegenüber haben sich im Arbeitsalltag als äußerst bedeutsam erwiesen. Als Mediator begleite ich Menschen auf dem Weg zur Konfliktlösung und strebe nicht nur danach, aktuelle Schwierigkeiten zu lösen, sondern auch die Angst vor Konflikten zu mindern.
Wie hängen aus Ihrer Sicht Konfliktmanagement, Mediationskompetenz und Innovationskraft eines Unternehmens zusammen?
Innovationen entstehen oft aus Reibungsprozessen. Der Mensch neigt dazu an Gewohntem festzuhalten, während Innovation Veränderung bedeutet und daher Konflikte hervorrufen kann. Die Frage ist nicht, ob Konflikte für Innovationen notwendig sind, sondern wie Unternehmen mit ihnen umgehen. Hier bieten meditative Prinzipien eine wertvolle Orientierung.
In Ihrer Dissertation geht es um das Komponentenmodell „innovationsförderndes Konfliktmanagement”, könnten Sie unseren Lesern mehr darüber verraten?
Dazu muss ich sagen, dass meine Dissertation an einigen Stellen auf meine Masterarbeit aufbaut. Ich habe die Frage vertieft, welche Rahmenbedingungen und welches Führungsverhalten dazu führen, dass aus Konflikten Innovationen entstehen. Hierzu habe ich eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung bei innovativen kleinen und mittleren Unternehmen durchgeführt und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in meinem Buch dargestellt. Diese Erkenntnisse münden in das Komponentenmodell „innovationsförderndes Konfliktmanagement“. In dessen Mittelpunkt steht das eben angesprochene Bewusstsein, dass Konflikte der Ausgangspunkt für Innovationen in Unternehmen sind. Wenn dieses Bewusstsein nicht gegeben ist, dann werden strittige Punkte unter den Teppich gekehrt, dann entsteht keine ehrliche Fehlerkultur und die Neuerungen werden eher als Bedrohung, denn als Chance wahrgenommen.
Dieses aktive Zulassen von Konflikten entsteht aus verschiedenen Spannungsfeldern für die Mitarbeitenden und auch für die Führungspersonen. Daher ist es wichtig, dass diese Spannungsfelder in eine entsprechend gelebte Unternehmenskultur eingebettet werden. Dabei spielen Aspekte wie Vertrauen, Eigenverantwortung, Hilfsbereitschaft und das Miteinander auf Augenhöhe eine wichtige Rolle. Letztlich müssen die Komponenten von einer übergreifenden innerbetrieblichen Kommunikation begleitet werden. Das Modell stellt diese Zusammenhänge und die Wechselwirkungen der Komponenten dar.
Wissenschaftliche Modelle sind hilfreich, aber was sagt die Praxis dazu?
Die dargestellten Aussagen und das abgeleitete Komponentenmodell werden durch konkrete Beispiele aus den Interviews unterlegt. Dies zu untersuchen war der Kern meiner Forschungsarbeit. Die Beispiele reichen von offenen Türen als Symbol für flache Hierarchien bis hin zur Nutzung von Humor zur Konfliktlösung. Die Praxis steht im Zentrum meiner Arbeit.
3 Fragen an Dr. Wolfram Dreier
Kontakt
Die Dissertation „Innovationsförderndes Konfliktmanagement“ ist im Shop der Steinbeis-Edition unter http://tinyurl.com/mvzhsh7a erhältlich.
Dr. Wolfram Dreier (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Konfliktklärung (Wangen)