Systematisch und kreativ – so werden Innovationen erfolgreich
Damit aus einer Idee eine Innovation wird, bedarf es einiges: geeignete Menschen, ausreichende Finanzierung und nicht zuletzt ein funktionierendes Innovationssystem. Welche Rahmenbedingungen müssen hierfür erfüllt werden und welche Rolle spielen dabei die Innovationskultur und das Innovationsmanagement, insbesondere wenn es um Innovationssysteme in kleinen und mittleren Unternehmen geht? Mit diesen Fragen hat sich ein Expertenteam der Hochschule Stralsund und des Steinbeis-Transferzentrums Projektierung und Evaluierung von Netzwerken auseinandergesetzt.
Innovationen sind zentrale Erfolgsfaktoren im Unternehmen. Dabei stehen gerade KMU aufgrund der zahlreichen globalen und regionalen Herausforderungen unter größerem Druck als Großunternehmen, wettbewerbsfähige Produkte und Leistungen auf den Markt zu bringen und flexibel auf eine Problemstellung oder geschäftliche Neuausrichtung mit einer Idee zu reagieren. Bereits Schumpeter [1] betonte die Bedeutung von Innovationen in Hinblick auf die Dynamik von Unternehmensentwicklungen. Entscheidungsträger in KMU sollten sich nicht allein auf ihre Erfahrung und Intuition verlassen und über die Installierung eines Ideen- und Innovationsmanagements sowie die Ausgestaltung einer entsprechenden Innovationskultur nachdenken.
Innovationskultur leben und Kreativität fördern
Dabei geht es um mehr als ein betriebliches Vorschlagswesen (BVW): Während sich dieses auf das zeitweise und eher zufällige Einbringen von Ideen durch die Mitarbeitenden fokussiert, handelt es sich bei der Innovationskultur um eine Einstellung und Denkhaltung im Unternehmen, die Neuerungen und Verbesserungen fordert und fördert sowie den Rahmen für Veränderungsprozesse setzt. Eine innovationsfördernde Unternehmenskultur muss von den Führungskräften gewollt und gelebt werden.
Es gilt eine Atmosphäre und Struktur zu schaffen, in der Mitarbeitende motiviert sind, Ideen zu entwickeln und diese im Team umzusetzen. Das Ideenmanagement sollte von der Problemerkenntnis und Ideenfindung über die Ideenbewertung und -auswahl bis zur Projektdefinition aktiv und moderierend betrieben werden. Das bedeutet, dass den Mitarbeitenden genügend Raum und Zeit zur Verfügung gestellt werden, um die Innovationskultur der Organisation mit Leben zu füllen. Um die Motivation der Mitarbeitenden zu erhöhen, können fördernde Anreizsysteme und andere organisatorische Elemente wie zum Beispiel institutionalisiertes Innovationsmanagement, betriebliches Vorschlagswesen, Kreativworkshops oder Innovationsseminare manifestiert werden.
Auch die Kreativität darf nicht dem Zufall überlassen werden: Zwar entstehen Ideen meist spontan, aber es gibt bereits zahlreiche Moderations- und Kreativitätstechniken [2], die helfen können, Ideen zu generieren, Denkanstöße zu geben und Kreativität zu fördern. Dazu gehören unter anderem die 6-3-5-Methode, die ABC-Liste, das Mindmapping, das Brainstorming, Brainwriting und Brainwalking, Gruppendiskussionen sowie weniger bekannte Techniken wie die Osborn-Methode, der morphologische Kasten, die Relevanzbaumanalyse oder das Design Thinking, dem eine besondere Bedeutung zugeschrieben wird. Dabei setzt sich das Team mit einem Problembereich in klar definierten Abläufen auseinander, die so lange wiederholt werden, bis ein Sachverhalt über die Ideenfindung bis hin zur Pilotentwicklung mit Test abgeschlossen wird. Das Wesentliche beim Design Thinking ist der Wechsel der Perspektive. Es wird aus der Sicht des Kunden oder der Zielgruppe analysiert.[3]
Förderprogramme und Forschungskooperationen als Treibstoff für Innovationen
Um mit dem ständig wachsenden Innovationsdruck umgehen zu können, gilt es, mit einer gelebten Innovationskultur und einem agilen Innovationsmanagement betriebliche Potenziale zu erkennen und systematisch zu nutzen. Will ein Unternehmen sich entwickeln, wachsen und für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet sein, darf es nicht bei Ideen bleiben. Produkt-, Problemlösungs-, Prozess- oder Verfahrens- sowie Partnerinnovationen müssen umgesetzt werden. Daher gilt es auch, mit neu geschaffener Innovationskultur und einem agilen Innovationsmanagement betriebliche Potenziale zu erkennen und systematisch zu nutzen.
Zweifelsohne verfügen Mittelständler über Eigenschaften wie Schnelligkeit, Flexibilität und Unternehmertum. Jedoch sind insbesondere bei vielen kleinen und mittleren Unternehmen die finanziellen, organisatorischen und personellen Ressourcen zu begrenzt, um F&E-Labore zu betreiben. Demzufolge sind eine gezielte staatliche Innovations- und Forschungsunterstützung für KMU und Start-ups sowie regionale Innovationsstrategien notwendig. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Klimaschutz (BMWK) fördert im Rahmen verschiedener Programme themen- und technologieoffen die Innovationstätigkeit von KMU. Im Fokus der Förderprogramme sind insbesondere Zukunftstechnologiefelder und Querschnittstechnologien. [4]
Die Inanspruchnahme von F&E-Förderprogrammen und Unterstützung von Start-ups trägt dazu bei, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von KMU zu steigern. Allerdings sollte nicht nur auf die finanzielle Unterstützung geachtet werden. Legt man zugrunde, dass Innovationsfähigkeit durch Kreativität, Wissen, Kompetenz und Innovationsbereitschaft von Individuen, Gruppen, Institutionen oder Netzwerken getragen wird und KMU nur beschränkte Ressourcen für Innovations-, Forschungs- und Entwicklungsprojekte einbringen können, bietet sich insbesondere bei marktnaher Forschung und Entwicklung die Kooperation mit Forschungsinstituten und Hochschulen an.
Auf die Zusammenarbeit kommt es an
Kooperationen und Netzwerke jeglicher Art sind grundsätzlich ein geeignetes Instrument, um die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu steigern. Seit drei Jahrzehnten tauscht sich das Expertenteam der Hochschule Stralsund und des Steinbeis-Transferzentrums intensiv mit Entscheidungsträgern in Politik, Verwaltung und Wirtschaft aus und es werden Gemeinschaftsveröffentlichungen und Veranstaltungen zur Regionalwirtschaft und Unternehmerschaft umgesetzt. Deloitte [5] hat im Rahmen der Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“ in der Studie „Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-ups“[6] untersucht, inwieweit sich Mittelstand und Start-ups vertragen und beide voneinander profitieren können. Die Antwort läuft auf ein klassisches „Ja, aber…“ hinaus. Da beide Partner in der Regel unterschiedliche Zielsetzungen mit der Kooperation verknüpfen, fällt die letztliche Bewertung wenig überraschend unterschiedlich aus.
Sicherlich finden sich, wie bei jedem Veränderungsprozess, bei Teilen der Unternehmensführung und den Mitarbeitenden Ängste und Widerstände neue Wege zu bestreiten [7], die sachlich oder emotional begründet sind. Typische Hemmnisse lassen sich bei KMU primär auf größen- und ressourcenmäßige Gründe zurückführen. Einiges spricht dafür, dass auf der Suche nach Impulsen und Märkten eine Zusammenarbeit zwischen „Anzugträgern und Gründerszene“ Erfolg versprechend ist. Als etabliertes Unternehmen sich allein auf die traditionellen Erfolgsfaktoren zu verlassen, ist wenig zielführend. Denn „Investitionen in Start-ups und Kooperationen mit jungen Unternehmen können dem Mittelstand beim Ausbau der Digitalisierung neue Türen zu innovativen Produkten, Vertriebswegen und Geschäftsmodellen öffnen und den Gründern der Start-ups gleichzeitig bei ihrer Entwicklung in den Punkten Reputation und Marktzugang helfen. Diese Sichtweise wird in der Praxis schon seit Längerem propagiert.“[8] Trotz einiger vorhandener Kooperationsvorbehalte sollten Entscheider in KMU darüber nachdenken, inwieweit eine solche Verbindung eine mögliche und zunehmend attraktive Alternative zur komplett eigenständigen Innovation eröffnet. Kooperationen mit Start-ups können von losen Projektkooperationen bis zum Investment in oder zu einer Übernahme von diesen Start-ups führen.
Fazit
Es gibt keinen Zweifel daran, dass ein organisiertes und funktionierendes Ideen- und Innovationsmanagement Vorteile für das Innovationssystem und schlussendlich den Erfolg des Unternehmens generieren kann. Es bildet den organisatorischen Rahmen für die systematische Entwicklung und Förderung von Innovationen im ganzen Unternehmen. Seitens der Führungsebene ist eine Innovationskultur zu schaffen, die den Mitarbeitenden individualisiert einbezieht, um eine von Motivation, Neugier und Kreativität geprägte Arbeitsumgebung und Atmosphäre zu schaffen.
Dabei rückt der Mensch immer stärker in den Mittelpunkt des unternehmerischen Geschehens, denn er entwickelt und gestaltet Organisationen. Entscheider in Unternehmen sollten deshalb nicht die Kreativität ihrer Mitarbeitenden unterschätzen, sondern die Möglichkeiten sehen, durch gutes Ideen- und Innovationsmanagement Kosten einsparen zu können. Um Innovationen zu generieren, sollte auch großer Wert auf ein Beziehungsmanagement mit allen relevanten Anspruchsgruppen gelegt werden. [9] Netzwerke und Kooperationen aller Art zu Forschungsinstituten, Universitäten, Hochschulen und Unternehmen wie auch die Kooperationen mit Start-ups können für den deutschen Mittelstand eine attraktive Option sein, um einem dynamischen Marktumfeld zu begegnen.
Kontakt
Prof. Dr. Norbert Zdrowomyslaw (Autor)
Freiberuflicher Projektleiter
Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken (Stralsund)
Prof. Dr. Heiko Auerbach (Autor)
Professor für Entrepreneurship – Marketing – Sales
Hochschule Stralsund
Christian Wulf (Autor)
Standortleitung
Assecor GmbH (Berlin/Stralsund)
Quellen
[1] Vgl. Schumpeter, J. A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Leipzig 1911.
[2] Vgl. Freitag, E.: Kreativitätstechniken. So finden Sie das richtige Werkzeug für ihr Problem, Tübingen 2020, Zipperle, J: Moderationstechniken
für Problemlösung und Entscheidungsfindung. Ein umsetzungsorientierter Leitfaden, Saarbrücken 2013.
[3] Osann, I./Mayer, L./Wiele, I.: Design Thinking Schnellstart, 2. Aufl., München 2020.
[4] Vgl. Zdrowomyslaw, N./Auerbach, H./Wulf, Ch.: Der Mittelstand als Motor für Kreativität, Innovationen und Technologien. Das Potenzial von KMU
ausbauen und fördern ist das Gebot der Stunde, in: Steinbeis Transfer 01/2023, S. 44-47.
[5] Vgl. Meyer, L.: Deloitte Studie „Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-ups“ aus der Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, Stand 03/2017.
Die Daten, die in dieser Studie verarbeitet wurden, stammen vorwiegend aus den Forschungsprojekten des Europäischen Kompetenzzentrums für
Angewandte Mittelstandsforschung (EKAM) an der Universität Bamberg und des Lehrstuhls für Unternehmensführung und -kontrolle an der Hochschule
Aalen. Bamberger Betriebswirtschaftliche Beiträge: BBB-Band 238: Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-ups Becker, W./ Ulrich, P./Botzkowski,
T./Fibitz, A./Stradtmann, M.
[6] In Hinblick auf die Start-up-Szene wird bereits der Begriff „New Mittelstand“ verwendet. Vgl. Zdrowomyslaw, N./Auerbach, H./Wulf, Ch.:
Neue Denkmuster sind gefragt: Der Mittelstand im Wandel, in: Steinbeis Transfer 02/2023, S. 13-15.
[7] Vgl. Auerbach, H./Zdrowomyslaw, N.: Unternehmensentwicklung und Management im Mittelstand. Einblicke in die Praxis von A bis Z, Greifswald 2023,
S. 32-53.
[8] Meyer, L.: Deloitte Studie „Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-ups“ aus der Studienserie „Erfolgsfaktoren im Mittelstand“, Stand 03/2017, Seite 8.
[9] Vgl. Zdrowomyslaw, N./Wulf, Ch. und Projektteam: Leuchttürme der Wirtschaft Mecklenburg-Vorpommern. Kreative und innovative Unternehmen,
strategische Netzwerke und Cluster zur Steigerung regionaler Wertschöpfung, Greifswald 2021.
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