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„Man braucht eine Vision“

Im Gespräch mit Professor Uwe Dittmann, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum Marketing, Logistik und Unternehmensführung an der Hochschule Pforzheim

Uwe Dittmann und sein Team bauen aktuell ein Netzwerk für Unternehmen aus der Region Pforzheim, Enzkreis und Nordschwarzwald auf, das Unternehmen Hilfestellung für die Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) für alle Facetten des täglichen Betriebs bietet. Deshalb war das Interview für ihn eine willkommene Gelegenheit, die eigenen Kenntnisse zum Thema Wissensmanagement im Vorfeld mit KI (im vorliegenden Fall: Chat GPT) – natürlich mit der notwendigen kritischen Distanz – abzurunden.

Herr Professor Dittmann, was sind für Sie persönlich die wesentlichen Charakteristika von Innovationssystemen?

Innovationssysteme leben von einer komplexen Wechselwirkung zwischen verschiedenen Akteuren: Das sind Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Institutionen wie Steinbeis, aber auch Behörden. Wenn wir ein Innovationssystem im Unternehmen betrachten, sprechen wir von der Wechselwirkung zwischen verschiedenen Bereichen beziehungsweise Abteilungen. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Charakteristika, die Innovationssysteme auszeichnen, aber zu den wesentlichen Punkten zählen aus meiner Sicht das Innovationsmanagement und die Infrastruktur. Zur Letzteren gehört zum Beispiel Software, mit der man Ideen erfassen, verfolgen und bewerten kann und die unter anderem die Zusammenarbeit und die Kommunikation im Innovationsprozess entsprechend fördert.

Als drittes Charakteristikum würde ich die Ressourcen nennen, denn eine Innovation braucht Zeit und Menschen. In diesem Zusammenhang spielt die Innovationskultur im Unternehmen eine ganz wichtige Rolle. Sie soll die Mitarbeiter dazu ermutigen, kreativ zu werden und auch Risiken einzugehen sowie Fehler zulassen, ohne diese zu verurteilen. Es bedarf auch Anreizsysteme, zum Beispiel Belohnungssysteme in Form von Boni oder Prämien, um die Mitarbeiter zu motivieren ihre Ideen einzubringen. Ein weiteres wesentliches Element ist das Projektmanagement, denn auch Innovationen brauchen eine gewisse Planung in Form von Meilensteinen, an denen Entscheidungen getroffen werden. Auch die Ressourcen müssen geplant und die Risiken bewertet werden. Des Weiteren spielt das Wissensmanagement eine zentrale Rolle, denn für Innovationen brauchen wir Wissen und somit auch Wissenstools. Neben der in diesem Zusammenhang wichtigen Weiterbildung braucht es auch Methoden wie zum Beispiel das Design Thinking, um Kreativität zu fördern und Wissen strukturiert zu erarbeiten.

Da ein Innovationssystem immer eine Wechselwirkung zwischen verschiedenen Akteuren bedeutet, ist die Zusammenarbeit und Vernetzung eine wichtige Voraussetzung – unabhängig davon, ob es um die verschiedenen Abteilungen in einem Unternehmen oder um externe Partnerschaften geht. Es sind natürlich auch klare Kriterien erforderlich, um festzustellen, ob ein Innovationsprozess erfolgreich ist. Und last, but not least: Man braucht eine Vision. Wenn es um ein Unternehmensinnovationssystem geht, muss klar kommuniziert werden, was das Ziel ist. Denn nur dann kann das Unternehmen entscheiden, ob eine Innovation zur Erreichung dieses Ziels beitragen kann.

Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht maßgeblich für den Erfolg, aber auch den Misserfolg von Innovationssystemen?

Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist eine enge und effektive Zusammenarbeit zwischen den Akteuren, denn nur so werden die Ressourcen zielgerichtet eingesetzt. An zweiter Stelle kommen meiner Meinung nach die finanziellen Ressourcen, ohne diese kann kein System Innovationen stemmen. Und der dritte Faktor sind hochqualifizierte Arbeitskräfte, die in interdisziplinären Innovationsteams arbeiten. Als weitere Aspekte sind natürlich offene Kommunikation und Vertrauen, inklusive konstruktives Feedback, sowie Zeit und Raum für Innovationen zu nennen. Es gibt bereits bestimmte Werkzeuge, die dies unterstützen, wie zum Beispiel die Scrum-Methode.

Eine große Rolle für den Erfolg oder Misserfolg einer Innovation spielen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel bürokratische Hürden oder rechtliche Vorgaben. Aber auch externe Partnerschaften tragen viel zur Entstehung, Entwicklung und Umsetzung von Innovationen bei: mit neuem Wissen, frischen Ideen oder zusätzlichen Ressourcen. Aber vor allem muss ein Innovationssystem eine klare Strategie verfolgen.

Sie haben es schon angesprochen: Welche Rolle spielt der Faktor Wissen dabei?

Das Wissen ist entscheidend, denn: Innovationen basieren auf Wissen. Und hier gibt es aus meiner Sicht drei wichtige Bereiche: Das Fachwissen, also das technische und wissenschaftliche Wissen, dann das Wissen über den Markt und seine Trends und als dritter Bereich das Wissen über Kundenpräferenzen und Verbraucherverhalten. Und natürlich verfügt nur selten eine einzige Person über das Wissen aus allen drei Bereichen, daher muss man unterschiedliche Menschen mit ins Boot holen, um alles abdecken zu können.

Wichtig sind auch kritisches Denken und das Unternehmertum, weil Innovationen immer mit Risiken verbunden sind. Und auch darüber muss das Wissen vorhanden sein. Innovationen sind immer mit Veränderungen verbunden, daher braucht man innerhalb von Innovationssystemen das Wissen über Veränderungsmanagement. Der nächste Aspekt ist das Wissen über eigene Kompetenzen und darüber, welche weiteren Kompetenzen man für die Umsetzung von Innovationen braucht und woher man diese bekommt – Stichwort „Netzwerke“. An diesem Punkt kann unter anderem der Steinbeis-Verbund mit seiner vielfältigen Expertise unterstützen.

Damit alle Arten von Wissen immer auf dem aktuellen Stand vorhanden sind, benötigen wir die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und vor allem, sich stets an neue Herausforderungen anzupassen und weiterzuentwickeln.

Wenn wir Innovationssysteme aus Unternehmersicht betrachten, wie sehen die aktuellen Herausforderungen für Unternehmen hier aus, insbesondere für KMU? Wie können Unternehmen diese erfolgreich meistern?

Die erste Herausforderung besteht darin, die Finanzierung für Forschung und Entwicklung zu sichern. Eine Möglichkeit ist, diese aus eigenen Mitteln zu generieren, aber es gibt auch viele Förderprogramme – auf Landes-, Bund- und EU-Ebene. Allerdings erfordern diese nicht selten ziemlich komplexe Anträge und Abläufe, sodass man oft auf externe Experten angewiesen ist. Wichtig ist, dass Unternehmen solche Beratungsangebote in Anspruch nehmen. Bei der zweiten Herausforderung geht es darum, die für die jeweilige Aufgabe qualifizierten Mitarbeiter zu finden, Stichwort „Fachkräftemangel“. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen Strategien entwickeln, wie sie die dringend benötigten Fachkräfte gewinnen und, was genau so wichtig ist, halten können.

Dazu kommt, dass sich jedes Unternehmen an die stetig verändernden Marktanforderungen und Technologien anpasst, um seine Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit zu sichern. Das kann zum Beispiel durch eine kontinuierliche Marktbeobachtung mithilfe eines Marktforschungssystems umgesetzt werden, das Trends, Kundenbedürfnisse und Wettbewerbsentwicklungen permanent eruiert. Auch hier können gerade KMU auf externe Expertisen zurückgreifen. Wichtig ist, dass sich die Unternehmen der Notwendigkeit solcher Analysen bewusst sind. Aber nur die Ergebnisse auszuwerten, reicht nicht, ein Unternehmen muss diese auch umsetzen. Dazu braucht es flexible Strategien, die sich an verändernde Bedingungen anpassen: Es sollten verschiedene mögliche Szenarien und die hierfür notwendigen Maßnahmen entwickelt werden.

Des Weiteren ist die gezielte Förderung von Innovationen im Unternehmen notwendig. Es braucht eine Innovationskultur und die entsprechenden Budgets für den Forschungs- und Entwicklungsbereich sowie die benötigten Ressourcen. Auch hier darf die Möglichkeit nicht außer Acht gelassen werden, externe Expertisen miteinzubeziehen. Gerade KMU können hier stark von Netzwerken profitieren. Als Nächstes ist eine agile Organisationsstruktur wichtig, um auf neue Herausforderungen rechtzeitig reagieren zu können. Aspekte wie Weiterbildung von Mitarbeitern sowie Risikomanagement habe ich bereits erwähnt.

Um alle genannten Herausforderungen erfolgreich meistern zu können, benötigt ein Unternehmen also eine klare Innovationsstrategie, die im Unternehmen bekannt ist, die Partnerschaften mit entsprechenden Stakeholdern wie Forschungseinrichtungen oder anderen Unternehmen berücksichtigt, Ressourcen zielgerichtet einsetzt und auch die kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter fördert. Gerade für KMU ist es oft schwierig, dies zu realisieren, insbesondere jetzt, in Zeiten des Fachkräftemangels, der steigenden Energiepreise und der aufeinanderfolgenden Krisen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in KMU nicht selten das Bewusstsein, aber auch die Bereitschaft gesunken ist, sich mit dem Thema Innovationen auseinanderzusetzen. Umso wichtiger werden vor diesem Hintergrund die Netzwerke, in denen KMU gemeinsam mit anderen Partnern Innovationen entwickeln und umsetzen können.

Kontakt

Prof. Uwe Dittmann (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Marketing, Logistik und Unternehmensführung an der Hochschule Pforzheim (Pforzheim)

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