Vom Problem einiger zur innovativen Lösung für alle
Die MindTags Group GmbH hat sich mit dem täglichen Problem von blinden Menschen beschäftigt: der Orientierung und Informationsaufnahme in Gebäuden. Unter anderem, weil die Mitarbeiter selbst betroffen sind und mit den vorhandenen Lösungen mehr als unzufrieden waren. Das Ergebnis: Eine digitale barrierefreie Lösung für alle, nicht nur für blinde Menschen. Wie es dazu kam und was es mit der Innovation sowie dem Innovationssystem dahinter auf sich hat, erklärt Steinbeis-Experte Stefan Wilke, Geschäftsführer der MindTags Group GmbH.
Bevor es aber um das konkrete Projekt geht, werfen wir einen Blick auf Innovationen im Kontext des Mittelstandes. Innovationen sind die Lebensgeister eines jeden Unternehmens, die dessen (erfolgreiches) Fortbestehen sichern. Das unternehmerische Handeln ist ein stetig fließender Prozess, bei dem es gilt viele Dinge unter einen Hut zu bringen, um erfolgreiches Agieren zu ermöglichen. Viele Aspekte können intern entwickelt und gesteuert werden. Doch es gibt auch äußere Rahmenbedingungen, die das Ganze mitunter schwierig bis kritisch gestalten.
Innovationen und die für diese benötigte Zeit sind daher elementar für den Unternehmenserfolg. Innovative Ideen erhalten die Kreativität, sind vorausschauend und lassen oftmals Dinge entstehen, die vorher nicht sichtbar waren. Sie erzeugen viele Synergien, die auf den ersten Blick keine sind. Insbesondere für den Mittelstand sind Innovationen und deren regelmäßige Entwicklung ein wichtiger Bestandteil für Stabilität, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Im Gegensatz zu großen Konzernen sind hier jedoch die Ressourcen stark begrenzt und deshalb braucht es übergreifende Ideen und strategische Förderung, um Innovation zu leben.
Der Innovationsprozess als Basis eines Innovationssystems
Innovationen benötigen sowohl ein Innovationssystem, das die Gesamtheit aller Elemente umfasst und diese abbildet, als auch einen Innovationsprozess, der zentraler Bestandteil eines jeden Innovationssystems ist. Dieser Prozess beinhaltet fünf Elemente:
- Vision: Eine klare Vision trägt dazu bei, dass Mitarbeiter verstehen, wohin das Unternehmen gehen möchte und wie Innovationen dazu beitragen können, dieses Ziel zu erreichen. Sie trägt auch dazu bei, dass Mitarbeiter motiviert und engagiert bleiben.
- Kommunikation: Offene Kommunikation ist entscheidend, denn sie motiviert Mitarbeiter, Ideen und Vorschläge einzubringen und sich an der Entwicklung von Innovationen zu beteiligen. Es ist wichtig, dass Mitarbeiter das Gefühl haben, dass ihre Meinungen und Ideen gehört und geschätzt werden.
- Wissen: Mitarbeiter benötigen Zugang zu Wissen und Informationen, die sie bei der Entwicklung und Umsetzung von Innovationen unterstützen.
- Kreativität: Ohne Kreativität entsteht nichts. Mitarbeiter zu ermutigen, kreativ zu sein und neue Ideen zu entwickeln, bildet die Basis jeder Innovation.
- Fehlerkultur: Eine tolerante Fehlerkultur spielt eine wichtige Rolle, denn Mitarbeiter werden mutiger und kreativer, wenn sie wissen, dass Fehler erlaubt sind und als Chance zur Verbesserung gesehen werden.
Kosten als Innovationskiller
Innovationen können gerade für den Mittelstand sehr teuer werden, daher sind die Kosten eines der häufigsten Innovationshemmnisse. Unternehmen mit eigener Forschung und Entwicklung haben dabei einen Vorteil. Es gibt jedoch Stellschrauben, die ein erfolgreiches Innovationsmanagement ermöglichen, wie zum Beispiel Open Innovation, bei der potenzielle Kunden frühzeitig und eng in die Entwicklungsprojekte einbezogen werden, um bisher unbekannte Kundenbedürfnisse zu erkennen und nutzen. Eine Bewertung von Innovationen im Mittelstand sollte auch Kosten- und Mengenschätzungen sowie Interdependenzen zu anderen Produkten berücksichtigen. Wenn eine Innovation mehr Nutzen für den Kunden bietet, kann dies auch die Kosten-Nutzen-Relation verbessern. Es ist wichtig zu beachten, dass Investitionen langfristig ausgerichtet sind und eine Kostensenkung nicht immer die beste Lösung ist.
Synergetischen und finanziellen Rückenwind nutzen
Profitieren kann der Mittelstand zum Beispiel von Industrie 4.0, Data Analytics, künstlicher Intelligenz oder Digital Business Building. Auch eine kluge Personalpolitik und die richtige Organisationsstruktur können zu mehr Ideen führen. Des Weiteren bringen Kooperationen mit Start-ups frische Ideen und Technologien und fungieren somit als starke Innovationstreiber mit viel Synergie. Dadurch können Mittelständler neue Geschäftsmodelle und innovative Produkte gemeinsam entwickeln, was einen effizienteren Ressourceneinsatz zur Folge haben kann. Einen wichtigen Aspekt stellt auch die staatliche Förderung dar, wie das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Es soll die Innovationskraft und die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen stärken, indem beispielsweise dank eines Personalkostenzuschusses mehr Geld in andere Bereiche gesteckt werden kann. Auch die Kombination traditioneller und innovativer Hebel ermöglicht gleichermaßen Kostensenkung und digitale Weiterentwicklung. Bei allen Überlegungen ist es wichtig, dass Unternehmen die Kosten für Innovationen im Vergleich zu anderen Kosten sorgfältig abwägen und dabei auch die langfristigen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens berücksichtigen.
„Wir bringen Gegenstände und Gebäude zum Reden“
Aber wie funktioniert ein solcher Innovationsprozess in der Praxis? Das Team um Steinbeis-Experte Stefan Wilke nahm für sein Vorhaben zunächst die DIN-Norm 18040 zum barrierefreien Bauen unter die Lupe, die gesetzlich vorschreibt, dass sich jeder selbstständig in Gebäuden orientieren können muss. Das Fazit der Steinbeis-Experten: Wenn in Gebäuden Informationen zur Orientierung vorhanden sind, dann handelt es sich dabei in der Regel um taktile Leitsysteme und haptische Abbildungen. Das Grundproblem dabei: Wie kann ein Besucher diese Informationen finden, wenn er noch nie in dem Gebäude war? Die aktuellen Angebote beschreiben allenfalls Wege, bieten aber in den meisten Fällen keine Informationen – und wenn doch, dann in Form einer Insellösung für jede einzelne Zielgruppe, was einen hohen zeitlichen, personellen und materiellen Ressourcenaufwand verursacht. Also entwickelte das Projektteam eine Vision:
- Keine Insellösung.
- Ein System für alle Zielgruppen.
- Ein System, das jederzeit aktualisierbar und erweiterbar ist.
- Ein System, das überall eingesetzt werden kann.
- Ein System, das Ressourcen einspart und klimafreundlich ist.
Das Ergebnis: MindTags – ein modulares Informationssystem, das aus einer App, Bluetooth-Systemen und einem Content-Management-System besteht und Informationen sowie Orientierung in Gebäuden und im öffentlichen Raum bietet. Die App ist kostenlos und benötigt keine Internetverbindung.
Der Weg zur App
Aber der Reihe nach: Im ersten Schritt wurde eine Lösung entwickelt, die Wege und Informationen für Blinde und Sehbehinderte liefert. Aber was für diese Zielgruppen funktioniert, funktioniert auch für andere, und so entstand die Idee, auch für Sehende attraktive visuelle Wegbeschreibungen und Informationen anzubieten. Im nächsten Schritt folgte die Aufbereitung der Information für verschiedene Zielgruppen mit Unterstützungsbedarf in Form von Texten in einfacher Sprache oder Videos in Gebärdensprache. Außerdem wurde die Option implementiert, außer Deutsch auch weitere Sprachen in das System einpflegen zu können.
Das Projekt nahm weiter Fahrt auf in Richtung des Ziels, alle für den User relevanten Informationen in einer App zusammenzuführen. Um dieses zu erreichen, baute das Projektteam relevante Schnittstellen ein, um entweder Informationen von anderen Anbietern in das eigene System einzubeziehen oder Informationen zur Verfügung stellen zu können. Aufgrund des häufigen Einsatzes von QR-Codes im öffentlichen Raum wurde in die App außerdem die Funktion integriert, diese scannen zu können. „Auch die Herausforderung, dass das System keine baulichen Veränderungen verursachen darf, haben wir gelöst und so kann es sowohl in denkmalgeschützten Gebäuden als auch außerhalb von Gebäuden, beispielsweise an Bushaltestellen, installiert werden“, erklärt Stefan Wilke. Auch das Thema Datenschutz wurde vom Projektteam berücksichtigt, sodass die von ihm entwickelte App keine personenbezogenen Daten aufzeichnet und/oder verarbeitet und sich alle Server in Europa befinden.
Ein funktionierendes Innovationssystem – eine erfolgreiche Innovation
Die Gesamtheit aller Elemente – Organisationen, Unternehmen, Forschungseinrichtungen – trägt dazu bei, dass in einem Innovationssystem wissenschaftliches oder technologisches Wissen kreiert, angewendet und verbreitet wird. Bei der App-Entwicklung holte sich die MindTags Group GmbH Unterstützung von der Konsole Labs GmbH in Berlin. Getestet wurde dann im Hotel am Froschbächel in Bühl, am Hauptbahnhof Wolfsburg und im Rossi-Haus in Rastatt. Weitere Anwendungsgebiete sind geplant, denn das Team ist sich einig: „Uns interessiert, wie es geht, nicht, ob es geht.“
Möglich wurde das Projekt durch Kooperationen mit anderen Unternehmen und Start-ups, die Verwendung von vorhandenen Technologien, die für die Projektziele entsprechend angepasst wurden, und dank einer ständigen Testung durch verschiedene Zielgruppen sowie durch Nutzerbefragungen.
3 Fragen an Stefan Wilke:
Kontakt
Stefan Wilke (Autor)
Geschäftsführer
MindTags Group GmbH (Durmersheim)
www.mindtags.net