Von der Vergangenheit geprägt, für die Zukunft gewappnet

Das Steinbeis-Erbgut verbindet und prägt: Sinnstiftendes Wirken macht Steinbeis bis heute aus, betonen Michael Auer und Manfred Mattulat.

Die Neuzeit der Steinbeis-Stiftung begann vor vierzig Jahren: Johann Löhn legte 1983 mit seinem System des unternehmerischen Wissens- und Technologietransferprozesses die Grundlage für den heutigen Verbund von mehr als 1.100 Steinbeis-Unternehmen. Er formte dazu die nach Ferdinand von Steinbeis (1807 – 1893) benannte und 1971 gegründete Steinbeis-Stiftung zum Rahmen für einen unternehmerischen Wissens- und Technologietransfer um. Ferdinand von Steinbeis gilt als Vater der dualen Ausbildung in Württemberg. Als Gewerbe­förderer unterstützte er den Wissens- und Technologietransfer sowie die Gründung technologieorientierter Unternehmen. Seit einiger Zeit beschäftigen wir uns aus unterschiedlichen Gründen wieder intensiver mit Ferdinand von Steinbeis und im Zuge der nun zurückliegenden vierzig Jahre mit der Steinbeis-Geschichte, der -Herkunft sowie der -Zukunft: Denn in einem Komplex wie Steinbeis, in dem nach Heraklit nichts beständiger als der Wandel ist, wird der Alltag durch die Gegenwart und die Chancen der Zukunft geprägt – eigentlich nicht mit dem Blick zurück in die Vergangenheit. Die Herausforderungen dieses Wandels machen aber eines deutlich: „Zukunft braucht Herkunft“ (Odo Marquard). Diese Herkunft und unser Steinbeis-Heritage im Sinne eines kulturellen wie unternehmerischen Erbguts sind zunehmend wichtige Argumente, Menschen für das gemeinsame, sinnstiftende Wirken gewinnen zu können, insbesondere dann, wenn es auch werteschaffend und fördernd dem Gemeinwohl(-stand) dient.

Ferdinand von Steinbeis: „Business Angel“ im Königreich Württemberg

Wer war nun unser Namensgeber und was hat der Steinbeis-Verbund heute und morgen noch mit ihm zu tun? Vielen ist Ferdinand von Steinbeis bekannt als Begründer der dualen gewerblichen Ausbildung in Württemberg ab 1853. Sein Konzept des Wissenstransfers ist von einer doppelten Dualität geprägt, die schon Johann Wolfgang von Goethe beschrieben hat: „Es ist nicht genug zu wissen – man muss es auch anwenden. Es ist nicht genug zu wollen – man muss es auch tun“. Unabhängig davon, ob Ferdinand von Steinbeis diese bis heute wesentlichen Kriterien für einen erfolgreichen Wissenstransfer kannte, definierte er seine Kriterien im Kontext eines auch zum Technologietransfer erweiterten Wissenstransfers zu seiner Zeit auf diese Art: „Wer sich der höheren Industrie widmen will, verliere nie aus dem Auge, dass sie das mit der Wissenschaft vermählte Handwerk ist und Wissen und Können gleichzeitig bedingt […]“.

Ferdinand von Steinbeis war in seiner Funktion als Wirtschaftsförderer in der 1848 gegründeten „Centralstelle für Gewerbe und Handel“ des Königreichs Württemberg (Stuttgart) unter anderem Mentor für „Start-up“-Unternehmen und half zukünftigen Unternehmensgründern. So unterstützte er beispielsweise die Gründung der Unternehmen Grotz (Ebingen), Württembergische Metallwarenfabrik (Geislingen), Schuler (Göppingen), Märklin (Göppingen), Hohner (Trossingen), Magirus Deutz (Ulm), Fein (Stuttgart), Voith (Heidenheim) und half dem Start-up-Gründer Gottlieb Daimler bei einem Stipendium für sein Studium.

Beim Wissens- und Technologietransfer setzte er auf das auch heute noch gültige und wirksame Prinzip des sogenannten „Transfers über Köpfe“: explizit, insbesondere in der Lehre, auch auf Messen und implizit über Dokumente und Publikationen. Die als Anerkennung und Würdigung seines Engagements 1868/69 gegründete erste Steinbeis-Stiftung hatte die Förderung einer dualen Ausbildung als wesentlichen Zweck.

Interessant auch für die heutige Zeit ist der Grund, der Ferdinand von Steinbeis zum Rücktritt als Präsident der Zentralstelle veranlasste: Er war gegen schützende Zollschranken und der Auffassung, dass sich die Industrie auf dem internationalen Markt durchsetzen können müsse. Dafür wurde er seiner Auffassung nach von der württembergischen Abgeordnetenkammer zu hart angegangen – er zog seine Konsequenzen und trat zurück.

Johann Löhn: Steinbeis reloaded

Ein Jahrhundert später begann 1983 die Neuzeit der heutigen Steinbeis-Stiftung, die 1971 als gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet worden war. Aufgabe der Stiftung war die organisatorische Betreuung der sogenannten Technischen Beratungsdienste (TBD) an den staatlichen Ingenieurschulen (heute Hochschulen für angewandte Wissenschaften) in Baden-Württemberg. Ziel der TBD war zunächst, KMU flächendeckend im Land Beratungskompetenz der Dozentinnen und Dozenten aus den Ingenieurschulen unbürokratisch zur Verfügung zu stellen, dies jedoch bewusst organisatorisch außerhalb der Schulen.

Die Zeit der 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts war im Hinblick auf das Innovationssystem des Landes geprägt von Aufbruchstimmung, Technologieoffenheit und einer tiefgreifenden Erkenntnis der Notwendigkeit von Innovationen für ein Land wie Baden-Württemberg. Unternehmertum war ein wesentlicher Bestandteil der Kultur und ein wesentliches Element bei der erfolgreichen Gestaltung des Strukturwandels (der Transformation) der Wirtschaft. Als Rektor der damaligen Fachhochschule Furtwangen und Professor mit unternehmerischer sowie konkreter Erfahrung im Wissens- und Technologietransfer nutzte Johann Löhn ab 1983 als Vorstandsvorsitzender der Stiftung die beiden Prinzipien Public-Private-Partnership (unter anderem in dem aus den TBD heraus weiterentwickelten Konzept der Transferzentren, den heutigen Steinbeis-Unternehmen) und Unternehmertum zur Realisierung des Steinbeis bis heute prägenden, unternehmerischen Wissens- und Technologietransfersystems zum Auf- und Ausbau des Steinbeis-Verbunds. Dies ermöglichte einen sich selbst tragenden, unternehmerischen Transferprozess über kompetente Köpfe.

Es geht nicht ohne: Kompetente Köpfe, Unternehmertum und Technologieoffenheit

Lange hat der Rücktrittsgrund von Ferdinand von Steinbeis als Präsident der Zentralstelle keine Rolle bei der Betrachtung von Zusammenhängen zu Steinbeis gespielt. Das ändert sich, sobald man Schutzzölle nicht als regulatorisches Element, sondern verallgemeinernd als Einschränkung unternehmerischer Freiheiten betrachtet und sich die in den letzten Jahren stetige Zunahme von („Schutz-“)Regeln mit der Folge der Einschränkung der notwendigen unternehmerischen Freiheit und somit des notwendigen Unternehmertums ansieht. Mit Blick auf die Unternehmen in Deutschland wie auch Europa insgesamt, die Steinbeis für seine erfolgreiche unternehmerische Transfertätigkeit benötigt, aber auch speziell für die Steinbeis-Unternehmen selbst ist das ein Aspekt, den es für eine erfolgreiche „Strategie für morgen“ zu beachten gilt.

Die Industrialisierung im heutigen Deutschland begann als Ferdinand von Steinbeis beruflich aktiv wurde. Die damit verbundene Transformation der Wirtschaft war von Unternehmertum und einer hinreichenden, wirksamen Technologieoffenheit (mit allen Konsequenzen) geprägt – ebenso wie die Zeit vor 40 Jahren, die ebenfalls mit einer Transformation der Wirtschaft verbunden war (ausgelöst durch einen Strukturwandel, im Wesentlichen getrieben durch eine „Elektronifizierung“), allerdings auf einem anderen Niveau und mit anderen Randbedingungen. Würde Ferdinand von Steinbeis heute gefragt werden, was es für die aktuell notwendige Transformation hin zu einer sozialen, ökologischen Marktwirtschaft bedarf, dann könnte seine Antwort lauten:

„Es bedarf auch in diesen Zeiten insbesondere eines werthaltigen Unternehmertums als Teil der Kultur des Landes und einer werthaltigen Technologieoffenheit als Chance für heute noch nicht vorstellbare Problemlösungen. Es bedarf daneben der Bereitschaft und der Möglichkeiten, gewisse Risiken übernehmen zu können sowie der Technologievielfalt – ohne gesteuerte Anreizsysteme, die auch eine gewisse Art von ‚Schutzzoll‘ sein können.“

Vielleicht wäre er selbstkritisch genug, die schon damals zumindest in Teilen vorhandenen kritischen Stimmen zum „fabrikherrschaftlichen“ Unternehmertum (u. a. mit Kinderarbeit) und in der „Technologiefolgenabschätzung“ (zumindest in der unmittelbaren Auswirkung auf den Menschen) mit in seine Antwort aufzunehmen: und zwar dergestalt, dass Unternehmertum als Teil der Kultur eines Landes eben auch die Verpflichtung für die Kultur, die prägenden Menschen sowie die Natur beinhaltet und dass es heute einen offenen Dialog und breite, gesellschaftliche Diskurse vor den Entscheidungen über die Rahmenbedingungen und deren Konsequenzen für das Unternehmertum und die Technologieoffenheit geben sollte. Er würde heute vielleicht auch durch Reisen in die USA, nach China, Indien aber auch in skandinavische Länder (vergleichbar zu seinen damaligen Reisen nach England und Belgien) seine Eindrücke in eine lösungsorientierte Diskussion um die Führerschaft in intelligenz-/ materialbasierten Schlüsseltechnologien und / oder wachsende, technologieoffene Märkte und wirksame Bildungssysteme einbringen. Wahrscheinlich würde er explizit und insbesondere auf den mehr denn je bedeutenden Transfer über Köpfe sowie die Notwendigkeit eines konsequent dualen Bildungssystems hinweisen.

Ob ein Ferdinand von Steinbeis heute aufgrund der Erkenntnis zurücktreten würde, dass die Industrie sich durch regulatorische Randbedingungen auf dem internationalen Markt (insbesondere außerhalb von Europa) aufgrund der Einschränkungen nicht durchsetzen kann? Wer weiß. Was würde er uns bei Steinbeis mit Blick auf die Zukunft speziell im heutigen Baden-Württemberg raten? Vielleicht könnte das sein Ratschlag sein:

„Ich mache mir Gedanken über das Unternehmertum, dessen Voraussetzungen, das erforderliche Technologieverständnis in der Breite und sehe hier Probleme. Steinbeis ist heute ein Intermediator zwischen der Wissensschaffung und der wirtschaftlich anerkannten Anwendung dieses Wissens. Dafür braucht es jedoch hinreichend viele transferfähige, kompetente Wissensquellen und adaptionsfähige Unternehmen. Steinbeis ist an der Schnittstelle Wissensschaffung – Wissensanwendung ein Indikator für das Innovationssystem eines Landes. Ein Land wie Deutschland braucht sowohl in der Breite als auch in der Spitze und insbesondere in Baden-Württemberg als Stammland von Steinbeis auch oder wieder in Zukunft

  • fähige, kompetente Köpfe – durch sie ist das nach wie vor wirksamste Prinzip des Wissens- und Technologietransfers möglich, der ‚Transfer über Köpfe‘: sowohl über die von mir geprägte duale gewerbliche Ausbildung, die technologisch orientierte Hochschulausbildung als auch im heute von Steinbeis geprägten unternehmerischen Wissens- und Technologietransfer. Diese kompetenten Köpfe ermöglichen auch die notwendigen kompetenten  Wissensquellen und Umsetzer in die wirtschaftlich anerkannte Anwendung;
  • Vertrauensräume, in denen insbesondere kompetenzbasiert gewisse Risiken übernommen werden können. In ihnen werden die notwendige Effizienz und Effektivität beziehungsweise die hilfreiche Übersummenhaftigkeit erreicht;
  • eine werthaltige Technologieoffenheit. Durch sie gibt es prinzipbedingt bei gleicher Kreativität mehr Diversität und mehr Entscheidungsoptionen für Problemlösungen;
  • werthaltige Unternehmen. Mit ihnen werden Werte in doppelter Weise, ideell und materiell, erhalten;
  • wert(e)orientierte Unternehmer. Mit ihnen gibt es eine sinnstiftende Schaffung von Nutzen sowie Gemeinwohl.

Insbesondere ein prägendes Unternehmertum, Technologieoffenheit und der Mut sowie die Möglichkeit, Risiken eingehen zu können / dürfen und dadurch auch innovieren zu können, müssen (wieder) ein breit verstandener und akzeptierter Kern der Kultur des Landes sein.“

Ein Schlüssel für den Erfolg der Transformation der Wirtschaft war für Ferdinand von Steinbeis eine besondere Art und Weise der Bildung von Menschen und Unternehmen. Die Herausforderungen, vor denen die Bildungssysteme in Deutschland stehen, sowie deren derzeitige Limitationen sind hinlänglich bekannt. Auch hier hängt die notwendige Wettbewerbsfähigkeit von kompetenten Köpfen ab. Unter der Annahme, dass beispielsweise die technologiebasierte CO2-Belastung der Erde nur wirksam technologiebasiert reduziert werden kann, bedarf es zwingend mehr dieser kompetenten Köpfe, die Technologien schaffen, begreifen und anwenden. Was könnte im Geiste von Ferdinand von Steinbeis vorgeschlagen werden, wenn es durch egal welche Entwicklungen zu wenig (oder sogar immer weniger) dieser Köpfe geben würde? Er scheint die Antwort schon gegeben zu haben:

„Wer sich der höheren Industrie widmen will, verliere nie aus dem Auge, dass sie das mit der Wissenschaft vermählte Handwerk ist und Wissen und Können gleichzeitig bedingt“, soweit schon bekannt, „er darf sich der Handarbeit nicht schämen, aber auch kein Fremdling bleiben im Heiligtume der Wissenschaft, was jedoch dieses letztere betrifft, so halte er sich vorzugsweise an das für sein Fach Notwendige.“

Diese Aussage gilt für alle Stufen und Bereiche der Bildung. So einfach es zu schreiben ist, so konkret ist es in der Bildungspraxis: Wenn, abstrakt formuliert, X Köpfe Teil eines Bildungsprozesses sind, können maximal X Köpfe den Kompetenzbildungsprozess erfolgreich durchlaufen. Dies gilt auch für die Verteilung der potenziellen Kompetenz unter diesen X Köpfen. Ferdinand von Steinbeis hat Bildung vom Ende her gedacht – synergetisch und fokussiert auf Basis der beiden Pole Wissen und Anwendung. Bildung, die am Ende kompetente Köpfe in der Breite und der Spitze für die Schaffung und die Anwendungen von Wissen hervorbringt, ist die wesentliche Grundlage für alle Problemlösungen. Gut vorstellbar, dass Ferdinand von Steinbeis auf die Frage nach der vordringlichsten Lösung der von ihm „gesehenen“ Probleme antworten würde: „Wirksam dual bilden“.

Duale Kompetenzbildung: Joker in einer multidimensionalen Transformation

Ferdinand von Steinbeis hat diese doppelte Dualität im Sinne von „Wissenschaft und Handwerk“ sowie „Wollen/Können und Handarbeit“ verstanden. Im Grunde genommen ging es ihm schon damals im Kern um die Bildung von kompetenten Köpfen mit den Fähigkeiten situativ, selbstorganisiert und selbstverantwortlich Wissen erfolgreich zur Anwendung zu bringen und um das konkrete Machen und die erfolgreichen Problemlösungen. Das sind die Fähigkeiten, die insbesondere bei der Transformation einer Wirtschaft (damals von der Agrar- zur industriellen Wirtschaft) wesentlich für den Erfolg der Köpfe sind.

Die bisherige duale Bildung setzt die Dualität im Lehr- und Lernprozess im Wesentlichen örtlich um: Bildung findet im Betrieb als auch in der Schule statt, ursprünglich lediglich in Gewerbe- und Berufsschulen, inzwischen auch in Berufsakademien und der Dualen Hochschule. Vereinfacht ausgedrückt wird in der Schule die Theorie und im Betrieb die Praxis vermittelt. Kernprinzip ist dabei der bereits genannte Transfer über Köpfe.

Die Dualität wurde historisch zunächst nur technologiebezogen angewendet und umgesetzt, erst im Laufe der Zeit mit Zunahme der Komplexität von Betrieben sowie der Entwicklung der Wirtschaft und Verwaltung auch wirtschafts- und verwaltungsbezogen. Außerhalb dieses technologieorientierten Bildungsbereiches bezog sich die sogenannte höhere Bildung auf das Verstehen des Lebens, des Menschen, der Kulturen und ins­besondere der Natur. Mit zunehmender Bedeutung von Technologien gehörte auch deren Verstehen zumindest in den technischen (höheren/Hoch-)Schulen dazu.

Die erworbene Kompetenz wurde im Bereich der von Menschen geschaffenen Technologien insbesondere und im übertragenen Sinn dafür eingesetzt, die nicht vom Menschen geschaffene Natur zu nutzen und möglichst gut zu „beherrschen“. Das mithilfe von Technologie maßlose Nutzen hat zumindest überall dort, wo potenzielle fossile Energie in kinetische Energie gewandelt wird (beispielsweise von der Kohle über den Dampf und die Kolbenbewegung zum bewegten Rad), zu einem Ausnutzen sowie einem Ungleichgewicht bis hin zur Schädigung der Natur mit den bekannten Folgen geführt. Die durch diese Technologien und deren „Derivate“ transformierte Natur droht uns in einem rasant zunehmenden Maße zu beherrschen – die damit verbundenen Prozesse sind auf absehbare Zeit irreversibel.

Was, wenn wir Bildung nun so gestalten würden, dass wir die Natur und ihre Gesetze dergestalt verstehen lernen, um in ihr nachhaltig leben zu können, dies verbunden mit der Notwendigkeit ihrer (Teil-)Reparatur – nur eben durch und mit Technologien? Das wären unseres Erachtens Voraussetzungen wie auch Folgen dieses neuen Ansatzes duale Bildung zu denken:

  • Technologien müssten wesentlicher Bestandteil jeder Bildung sein: nicht nur der ursprünglichen gewerblichen und erst recht an einem Technologiestandort wie beispielsweise Baden-Württemberg.
  • Die konsequente duale Ausrichtung jeder Bildung auf Basis des ursprünglichen Ansatzes von Ferdinand von Steinbeis müsste allgemeines Bildungskonzept sein. Das gilt stets in der Kombination aus theorievermittelnder Schule und lernender Anwendung im „Betrieb“. Betrieb meint dabei nicht im engeren Sinn das güterproduzierende oder dienstleistende Unternehmen, sondern im weiteren Sinn die „werteschaffende /-erhaltene Einrichtung“.
  • Das notwendige Verständnis von / für Technologien würde „natürlich“ wachsen und hinreichend vorhanden sein. Es können doch nur die (neuen) Technologien sein, mit denen wir die Teilreparatur der Natur erreichen können. Dafür brauchen wir sehr viele „Technologie-Köpfe“ an sich, aber auch Köpfe, die Technologie „nur“ verstehen, begreifen und diese somit (besser) beurteilen. Wäre es nicht konsequent, auch alle Wissenden und Lehrenden selbst konsequent dual aus- und weiterzubilden?
  • Eben weil man doch in einer „Schule“ für das reale Leben lernt/lernen soll, eben weil diese werteerhaltenden/reparierenden Technologien (im weiteren Sinne insbesondere bezogen auf die Digitalisierung und die Umwandlung von Wissen in Kompetenzen) zukünftig entscheidend für das reale Leben sind: Wir sind uns sicher, dass Ferdinand von Steinbeis auf Basis der Notwendigkeit des Wissens um Technologien und deren real wirksame Anwendung diese grundsätzlich notwendige, duale Kompetenzbildung von Köpfen nun für die Bewältigung einer multidimensionalen Transformation einsetzen würde!

Ferdinand von Steinbeis hat mit den Gegebenheiten seiner Zeit die Dualität in der Bildung orts- und zeitgebunden realisiert. Schulische Bildung, auch die duale Bildung, findet heute nach wie vor hauptsächlich ortsgebunden in Schulzimmern, organisationsbezogen im Wesentlichen durch institutionalisierte Lehrende und aufgrund von notwendigen Ressourcenallokationen stundenplanbezogen statt. Die Kernidee der Dualität sieht eigentlich keine Trennung des Lehr- und des Anwendungsortes per se vor, sondern einen – im Sinn der Löhn‘schen dynamischen Synergie von Polen – mit Mehrwert gestalteten, ergänzenden, dynamischen Austausch von Theorie und Praxis beziehungsweise von Wissen und Anwendung. Für uns steht auch hier außer Frage, dass Ferdinand von Steinbeis mit den heutigen Gegebenheiten den Transfer über Köpfe auch konsequent bezogen auf die Gegen- und Wechselseitigkeit der „Lernenden“/„Lehrenden“ beziehungsweise „Fragenden“/„Wissenden“ lebenslang dual organisieren würde.

Am Rande gefragt: Müsste sich diese Dualität heute nicht konsequenterweise auch grundsätzlich auf die Präsenz und die durch die Digitalisierung technologiebasiert mögliche Unabhängigkeit von Ort und Zeit beziehen?

Grundsätzlich steht die konsequente Dualität nicht im Widerspruch zu Alexander von Humboldt, der wie folgt zitiert wird: „Auch Griechisch gelernt zu haben könnte auf diese Weise dem Tischler ebenso wenig unnütz sein, als Tische zu machen dem Gelehrten“. Im Grunde genommen eine wechsel- und gegenseitige Dualität.

Wenn wie in der Initiative „#techourfuture“ des Ferdinand-Steinbeis-Instituts forciert eine Technologiekompetenz aller Köpfe über ein Verstehen und Begreifen in unser aller Interesse sein sollte, dann lässt sich Humboldts Überzeugung hierauf übertragen. Das meinen wir in dem Sinne, dass eine Technologie als „fremde Sprache“, der Tischler allgemein als ein in einer bedeutenden „Sprache“ nicht gebildeter Kopf (der etwas unmittelbar praktisch Nützliches macht) und der Gelehrte als Wissender betrachtet wird (der versteht und lehrt) – weitergedacht und konkret bezogen auf KI als Technologie (als spezifische generativ künstliche Sprache) und Beschleuniger der digitalen Transformation der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sowie als ein Schlüssel für die „(Teil-)Reparatur“ der Natur.

Unternehmensbildung weitergedacht: Start-up, -in und -further

Ferdinand von Steinbeis half wie eingangs erwähnt als Wirtschaftsförderer in der „Centralstelle für Gewerbe und Handel“ des Königreichs Württemberg Unternehmen zu „bilden“, die wesentlich die Wirtschaft des Landes teilweise bis in die heutige Zeit prägen. „Start-ups“ waren für Ferdinand von Steinbeis ein wesentliches Element zur erfolgreichen Gestaltung der Transformation der Wirtschaft. Aus diesen „Start-ups“ entwickelten sich eine mittelständische Industrie und Wirtschaft, die bis heute die Basis für eine sich entwickelnde (Groß-)Industrie bilden. Eine Stärke der deutschen Wirtschaft war und ist über einen langen Zeitraum ein sich durch „Bildung“ strukturell erneuernder Mittelstand und sich durch kompetente Köpfe inhaltlich erneuernde (dabei auch innovierende) Unternehmen. Diese Unternehmens„bildung“ wurde durch eine notwendige Technologieoffenheit, ein Unternehmertum als Teil des Kulturgutes sowie eine Ausrichtung auf Wettbewerbsfähigkeit gefördert. Diese Merkmale und Eigenschaften sind wesentlich für den wirtschaftlichen Erfolg eines Landes wie Baden-Württemberg.

Hatten „Start-ups“ US-amerikanischer Prägung aus unterschiedlichen Gründen lange Zeit wenig Bedeutung für die und bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, so haben sie mittlerweile als solche insbesondere im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung gewonnen. Die bis heute noch zahlreich erfolgenden technologiebasierten Unternehmensgründungen waren und sind organisch und nicht grundsätzlich auf den Kapitalmarkt ausgerichtet. Es entstand ein diverses, resilientes System aus mittelständischen Unternehmern wie auch Unternehmen, von diesen wurden einzelne zu großen Unternehmen oder „gingen“ in anderen Unternehmen „auf“.

Heutzutage bedarf es am Kapitalmarkt ausgerichteter Start-ups, da beispielsweise nur dadurch eine schnelle notwendige Reife einer Technologie und/oder ein notwen­digerweise schnelles Wachstum erzielbar ist. Die Folge eines damit oftmals verbundenen „Exits“ ist – vereinfacht argumentiert – das Verschwinden mindestens einer Unternehmerin oder eines Unternehmers und damit eines für einen Mittelstand notwendigen Unternehmenscharakters (sofern der Kopf nicht wieder zur Unternehmerin oder zum Unternehmer eines neu gegründeten Unternehmens wird).

Start-ups sind auch in der aktuellen Transformation ein wichtiges Element für den Erfolg. Mit dem „Exit“ und dem hoffentlich weiterhin für das Land wirksamen Unternehmen, aber insbesondere mit der Chance (Ferdinand von Steinbeis modern interpretiert) kompetente Unternehmer wie Unternehmen im und für „den“ Mittelstand zu bilden: Ein „Exit“ der Unternehmerin oder des Unternehmers kann für ein „Start-in“ bei bestehenden, (hoffentlich) lokalen Unternehmen genutzt werden, indem neue Technologien oder Geschäftsmodelle dort implementiert werden – durchaus auch, um größere Betriebe als führende Partner für kleinere Betriebe zu schaffen. Ein „Remain“ der Unternehmerin oder des Unternehmers kann für ein „Start-further“ genutzt werden, um auf Basis der Technologie und des Geschäftsmodells neue Betriebe („Mittelständler“, insbesondere Unternehmer) zu schaffen.

Die Steinbeis-Stiftung hat sich in den letzten vierzig Jahren auf Basis der Dualität der wirtschaftlichen Anerkennung von geschaffenem Wissen im Wissens- und Technologietransfer sowie im grundlegenden Unternehmertum zu einem Verbund von Unternehmen mit kompetenten Köpfen weiterentwickelt. Dabei spielte eine weitere Dualität – in der Synergie der Pole „dezentral und zentral“ – eine bedeutende Rolle: Dezentrale Steinbeis-Unternehmen (SU) im zentralen Steinbeis-Rahmen (Steinbeis). In den vergangenen vier Jahrzehnten sind über 2.000 SU im Verbund gegründet worden. Nicht alle davon waren als klassische Start-ups gegründet worden, diejenigen darunter aber insbesondere auch als Start-in oder als Start-further sowohl innerhalb des Verbunds als auch ausgegründet außerhalb. Eine wesentliche Herausforderung für die SU und Steinbeis besteht darin, trotz der stetig zunehmenden hinderlichen regulatorischen Bürokratie Unternehmertum zu leben und den hierfür hilfreichen Rahmen weiterzuentwickeln.

Die eigene Unternehmens„bildung“ bei Steinbeis mit der durch die SU erfolgenden Kompetenzbildung bei externen Unternehmen / Organisationen durch den Wissens- und Technologietransfer, sowie über die sogenannte duale wissenschaftliche Forschung der Ferdinand-Steinbeis-Gesellschaft, wurde durch die direkte Bildung von Köpfen durch Steinbeis in externen Unternehmen erweitert: Sie findet zu einem insbesondere über die sogenannten Projekt-Kompetenz-Studiengänge der Steinbeis Hochschule und zum anderen über Schulungen und Beratungen der Steinbeis-Unternehmen statt.

Anstoß zum Erfolg: Löhn’sche Impulse

Die heutigen Erfolge von Steinbeis sind die Erfolge von „Steinbeisern“ – von Steinbeis-Unternehmerinnen und -Unternehmern sowie Steinbeis-Mitarbeiterinnen und -Mitar­beitern. Sie basieren auf dem System von Johann Löhn, der Steinbeis mit seiner unnachahmlichen Art, den Möglichkeiten und Regeln seiner Zeit und seiner Methode auf- und ausgebaut hat. Er nutzte die ihm gegebenen, vorhandenen und geschaffenen Freiheiten, um Probleme oft unkonventionell zu lösen und insbesondere Menschen dabei etwas zu ermöglichen, das sonst nur gedacht, liegengeblieben oder gar verhindert worden wäre. Ein wesentliches Element seiner Methode sind die sogenannten „Impulse“, die zahlreiche Anwender seiner Methode, so auch uns, geprägt haben. Wesentlich sind für unser Wirken bei Steinbeis und für den Steinbeis-Verbund insbesondere folgende Impulse:

Klima des systematischen Zufalls!

Dies bedeutet eine Konstellation mit Systematik zu haben, die eine zufällige Chance (beispielsweise für die Gründung eines neuen Unternehmens) fördert und erkennt sowie den Rahmen für eine Realisierung liefert. Dies klingt einfach, ist jedoch bei der Schaffung und Bewahrung eines entsprechenden Klimas mit Herausforderungen verbunden: bei­spielsweise mit der Förderung einer notwendigen Toleranz und Diversität trotz und mit Regeln, mit notwendiger Konsequenz und Kreativität trotz und mit Bequemlichkeit, mit Anstrengung und Wirksamkeit trotz und mit Gelassenheit sowie mit systematischer Einfachheit trotz und mit Komplexität.

Kein Nachteil kann so groß sein, dass daraus nicht ein Vorteil entstehen kann!

Wesentliche vorteilhafte strukturelle Weiterentwicklungen im System Steinbeis sind aus einem eingetretenen Nachteil entstanden. So war beispielsweise der Anlass für die Gründung der Steinbeis GmbH & Co. KG für Technologietransfer der Wegfall der steuerlichen Begünstigungen für Forschungs- und Entwicklungsleistungen, mit ihrer Gründung war nun auch die Beteiligung an rechtlich selbstständigen Unternehmen möglich.

Es kommt nicht darauf an, wie die Dinge sind, sondern was die Menschen davon halten!

Dieser Impuls ist für uns insbesondere für das Ermöglichen an sich, für das Dienstleisten sowie Problemlösen generell und speziell für die Haltung einer Steinbeis-Zentrale in einem dezentralen Steinbeis-Verbund von Bedeutung.

Synergie kann man nicht befehlen!

Dies gilt für das Zusammenwirken von Menschen und über diese indirekt von Unternehmen beziehungsweise Organisationen. Eine „Netzwertschöpfung“ – also die Wertschöpfung in und durch Netzwerke – spielt sowohl im Steinbeis-Verbund als auch außerhalb eine immer wichtigere Rolle. Insbesondere die die derzeitigen Transformationen antreibende und ermöglichende Digitalisierung ist hierbei eine wesentliche Basis für die damit verbundenen Technologien.


Wir sagen danke!

Den Autorinnen und Autoren der folgenden Beiträge danken wir für ihren wertvollen Beitrag für eine Publikation, die weniger die Geschichte und mehr das Wesen von Steinbeis grundlegend, exemplarisch und kaleidoskopisch darstellen will.


Steinbeis heute basiert auf der nach Ferdinand von Steinbeis benannten Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung, dem Löhn‘schen Prinzips des unternehmerischen Wissens- und Technologietransferprozess sowie seiner dynamischen Synergie von Polen und den Steinbeis-Unternehmen mit seinen Steinbeis-Unternehmern im Steinbeis-Verbund.

Weite Teile des Beitrags erschienen in der Schriftenreihe 92 „Wirtschaftsförderer und Start-up-Mentoren: Ferdinand von Steinbeis und die Steinbeis-Stiftung heute“ der Schwäbischen Gesellschaft (veröffentlicht in diesem Jahr in Stuttgart).

 

Hinweis zu den Quellen:

Alle hier verwendeten historischen Angaben sind den Publikationen von Günther von Alberti (Steinbeis 1971-1991, Stuttgart 2008; Ferdinand Steinbeis 1807-1893, Stuttgart 2016) und Sigrid Friedrichs (Steinbeis 1983-2008, Stuttgart 2009) entnommen. Sie wurden zur besseren Lesbarkeit des Beitrags hier nicht explizit gekennzeichnet. Das erwähnte Zitat von Alexander von Humboldt findet sich unter anderem im Beitrag „Bildung – zwischen Ideal und Wirklichkeit“ von Heinz-Elmar Tenorth unter www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/503718/bildung-begriffsbestimmungen/ [letzter Zugriff 10.09.2023].

Kontakt

Prof. Dr. Michael Auer
Vorstandsvorsitzender der Steinbeis-Stiftung (Stuttgart)

Manfred Mattulat
Vorstand der Steinbeis-Stiftung (Stuttgart)

223476-00-01