Im Gespräch mit Steinbeis-Unternehmer Professor Dr. Georg von Schnurbein
Schon der Begriff macht deutlich, welche Erwartungen an den „New Mittelstand“ gestellt werden: Da trifft das Neue, Globale, auf das Traditionsreiche, Beständige, das sich über viele Jahre bewährt und etabliert hat. Sind diese Erwartungen aber auch zu erfüllen, oder wird von diesen Unternehmen die berühmt-berüchtigte eierlegende Wollmilchsau erwartet? Professor Dr. Georg von Schnurbein verantwortet in Basel das Steinbeis-Transferzentrum Philanthropie und hat sich mit der TRANSFER insbesondere zu den gesellschaftlichen Erwartungen an diese Unternehmen ausgetauscht.
Herr Professor von Schnurbein, „New Mittelstand“, das steht für Beständigkeit und Veränderung, für Tradition und Innovation. Welche Voraussetzungen sind notwendig, um diese Gegensätze erfolgreich miteinander zu verbinden?
Meines Erachtens zeichnet sich der Mittelstand seit jeher durch eine besondere Werteorientierung aus, die durch die Nähe zwischen Unternehmer und Mitarbeitenden, den regionalen Bezug und die kulturelle Verbundenheit mit dem Umfeld geprägt wird. Damit ist die Frage eigentlich schon zu einem wesentlichen Teil beantwortet. Um dauerhaft gegenüber Großunternehmen und Massenproduktion bestehen zu können, sind mittelständische Unternehmen immer gezwungen innovativ zu bleiben. Dazu müssen sie den Weltmarkt im Blick haben und global denken. Gleichzeitig aber profitieren sie von ihrer lokalen Verankerung, beispielsweise indem die gute Reputation die Mitarbeitendensuche vor Ort vereinfacht.
Sie haben schon die besondere Nähe und Verbundenheit erwähnt, welche Rolle spielen im New Mittelstand die Menschen – Mitarbeitende, Führungskräfte wie auch Kunden?
Der Wirtschaft wird oft opportunistisches und egoistisches Handeln vorgeworfen, das sich nur am eigenen Profit orientiert. Dagegen sprechen aber sehr viele Studien – gerade aus der Spieltheorie – die zeigen, dass kooperatives Verhalten auf Dauer erfolgreicher ist. Ein auf Zusammenarbeit, Austausch und gegenseitige Unterstützung ausgelegtes Verhalten sichert das nachhaltige Bestehen eines Unternehmens. Gerade mittelständische Unternehmen sind besonders auf gute Geschäftsbeziehungen mit den verschiedenen Stakeholdern angewiesen. Hat ein Unternehmen beispielsweise eine hohe Personalfluktuation, kann es mit der Zeit schwierig werden in der Region noch gute Mitarbeitende zu finden. Wenn dann Personal von weither angelockt werden muss, ist dies meist mit höheren Kosten für Werbung, Löhne oder Fahrtkostenersatz verbunden.
Zu Ihren fachlichen Schwerpunkten gehört auch das Social Impact Measurement. Mit welchen Methoden kann der Social Impact eines Unternehmens gemessen werden?
In Unternehmen geht es primär um den Output, also das zählbare Ergebnis. Mit dem Impact messen wir aber die Konsequenzen des Handelns, einerseits auf individueller, andererseits auf gesellschaftlicher Ebene. Auf gesellschaftlicher Ebene werden alle Folgen des unternehmerischen Handelns betrachtet und bewertet. Das umfasst also nicht nur die ökonomische Leistung, sondern auch soziale, ökologische oder kulturelle Folgen. Diese Folgen können positiv oder negativ, intendiert oder nicht intendiert sein. Dazu gibt es viele verschiedene Methoden. Die einfachste ist wohl der Zielansatz. Damit setzt sich das Unternehmen übergeordnete Zielewerte, beispielsweise abgeleitet von den UN Sustainable Development Goals, und überprüft am Ende der Periode, inwiefern die gesetzten Ziele erfüllt worden sind. Das bedingt natürlich auch, dass die Ausgangslage erfasst wird, sonst kann man keine Veränderung messen.
Sie sagen, der Mittelstand zeichnet sich durch eine besondere Werteorientierung aus. Das spricht dafür, dass Philanthropie und Mittelstand sich grundsätzlich nahestehen?
Aus unserer Forschung wissen wir, dass bei den meisten mittelständischen Unternehmen die Philanthropie – also beispielsweise die Bereitschaft zu Spenden oder die Errichtung einer Stiftung – stark durch die persönlichen Interessen und Einstellungen der Eigentümer geprägt wird. In Großunternehmen findet viel eher eine strategische Ausrichtung an Unternehmenszielen statt, das nennen wir dann „Shared Value Approach“. Insofern stellt sich gar nicht so sehr die Frage, ob und wie Philanthropie mit Mittelstand erfolgreich verbunden wird. Viel wichtiger ist, dass das philanthropische Engagement authentisch ist und nachhaltig in der Gesellschaft etwas bewirkt. Womit hingegen jedes Unternehmen einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft leisten kann, ist durch die Ermöglichung von freiwilligem Engagement der Mitarbeitenden. Sei es in Sportvereinen, in der Freiwilligen Feuerwehr oder in sozialen Organisationen. Ohne die Unterstützung und Anerkennung der Unternehmen lässt sich das Engagement kaum mehr mit einem Beruf kombinieren. Darunter leidet die Gesellschaft viel mehr, als sie von Geldspenden profitieren würde.
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Prof. Dr. Georg von Schnurbein (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Philanthropie (Basel)