FreeDeWaTER: Einzelne Aufreinigungsschritte der Anlage von Feed (links) bis zum Produkt (rechts) © FreeDeWaTER

Gemeinsam erfolgreich: So gelingen Innovationen in KMU

Aus der Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Mannheim und Steinbeis gehen zwei Start-ups hervor

Wissens- und Technologietransfer aus Hochschulen heraus ist ein wichtiger Baustein für Innovationen. Wie der erfolgreich umgesetzt werden kann, zeigt das Zusammenspiel zwischen der Hochschule Mannheim und dem Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen: Daraus sind zwei Start-ups entstanden, die einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und Bekämpfung der Folgen des Klimawandels leisten. FreeDeWaTER will Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglichen, während sich die MELT-Ing GmbH mit Latentwärmespeichern beschäftigt.

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Professor Dr. Matthias Rädle ist Steinbeis-Unternehmer und leitet an der Hochschule Mannheim das CeMOS – Center for Mass Spectrometry and Optical Spectroscopy. Er macht deutlich, was die beiden jungen Unternehmen trotz unterschiedlicher thematischer Schwerpunkte verbindet: „Die Idee zur Unternehmensgründung kam aus der gemeinsamen Forschung an der Hochschule Mannheim und in der Projektarbeit am Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen“.

FreeDeWaTER: Trinkwasser dank ökologischer Gefrierkristallisation

Der Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein grundlegendes Menschenrecht, doch noch immer haben weltweit rund 2,2 Milliarden Menschen diesen Zugang nicht. Der Klimawandel und der damit einhergehende Anstieg der Weltmeere sowie die länger werdenden Dürrezeiten werden dieses Problem weiter verschärfen. Das Mannheimer Start-up FreeDeWaTER hat sich zum Ziel gesetzt, diese Situation zu ändern und Anlagen entwickelt, in denen Brauch- oder Meerwasser mithilfe von Gefrierkristallisation in Trinkwasser umgewandelt wird. Die Technologie dafür haben die beiden Gründer Dr. Lars Erlbeck und Dirk Wössner zusammen mit Matthias Rädle entwickelt. Die Basis lieferten die über viele Jahre am Forschungs- und Transferzentrum CeMOS in Zusammenarbeit mit dem Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen gewonnenen Erkenntnisse.

Der zugrunde liegende physikalische Effekt der Gefrierkristallisation ist schon so alt wie die Polkappen der Erde selbst. Das dort gefrorene Wasser bildet reine Eiskristalle, Salz und andere Verunreinigungen sind in einem Wasser-Eis-Gemisch nicht gefroren und somit nicht im kristallinen Zustand. Durch die weitere Anhäufung von gefrorenem Wasser auf dem bereits vorhandenen Eis wird dieses gepresst und die verunreinigte, flüssige Lösung wird durch die Schwerkraft aus dem Eisberg ins Meerwasser gedrückt, sodass nur der aus Süßwasser bestehende Eisberg übrigbleibt. In der natürlichen Umgebung braucht dieser Prozess mehrere Jahre. Das Team von FreeDeWaTER hat ihn in eine selbst entwickelte Anlage überführt, die das verunreinigte Wasser mit einer Kühlanlage zur Teilkristallisation bringt und anschließend mit einer ebenfalls selbst entwickelten und patentierten Trenneinheit derart nachbehandelt, dass das Konzentrat unabhängig vom Eis abgeführt wird. Das so erhaltene Eis weist keine flüssigen Einschlüsse und damit Verunreinigungen auf und besitzt somit Trinkwasserqualität. Der vollautomatisierte Prozess vom Einschalten der Anlage bis zum genießbaren Wasser dauert nur wenige Minuten.

Die Anlage von FreeDeWaTER überzeugt im Vergleich zu den bereits auf dem Markt etablierten Lösungen: Nicht nur ist die Vorlaufzeit bis zur Bereitstellung von Trinkwasser sehr kurz, sondern auch das Ein- und Ausschalten ist jederzeit möglich, was zu einer flexibel betreibbaren Wasseraufbereitungsanlage führt. Dies ist besonders in Gebieten, in denen keine stabile Stromversorgung vorhanden ist, sehr wichtig. Des Weiteren ermöglicht die Technologie es dem Nutzer, auf erneuerbare Energien zurückzugreifen. Das ist bisher nur durch den Einsatz teurer Batterien möglich, die durch ihre Volatilität schwer mit anderen Anlagen kombinierbar sind. Da die innovative Anlage von FreeDeWaTER nicht wie bestehende Lösungen auf Umkehrosmose oder Verdampfung basiert, sondern die Gefrierkristallisation verwendet, benötigt sie sehr wenig Energie. Sie nutzt die natürliche Kristallisation von Meer- oder Brauchwasser, um Verunreinigungen zu beseitigen, sodass keine Verbrauchsmaterialien oder aufwendige Reinigungsprozesse nötig sind und Kleinstanlagen für die dezentrale Nutzung durch Privatpersonen gebaut werden können. Das Verfahren der Gefrierkristallisation wird bisher nicht auf dem Markt der Wasseraufbereitung angeboten und ist somit eine Neuheit.

Zielgruppe sind alle Menschen, die keinen Zugang zu Trinkwasser haben, wie zum Beispiel in abgelegenen Gebieten oder Krisenregionen. Das Start-up plant, seine Anlage an Katastrophenhelfende wie das THW und die Feuerwehr, Militärs und Hilfsorganisationen sowie Hersteller von Yachten zu verkaufen. Aktuell ist ein Vorserienprototyp gebaut und FreeDeWaTER ist mit der Serienreife, der Suche von und der Absprache mit potenziellen Investoren beschäftigt.

Die MELT-Ing GmbH ist eine GreenTech-Ausgründung der Hochschule Mannheim und des Steinbeis-Transferzentrums Intelligente Industrielösungen, die großflächige und frei skalierbare Latentwärmespeicher entwickelt, produziert und vertreibt. Die sogenannten MELT Plates kommen beispielsweise in der Gebäudehülle zum Einsatz und sind in der Lage, große Wärmemengen auf dem für verschiedene Anwendungen passenden Temperaturniveau zu speichern.

Und so funktioniert‘s: Die makroverkapselten Füllmaterialien benötigen zum Schmelzen große Mengen an thermischer Energie, die beim Erstarren wieder abgegeben wird. Diesen Effekt nutzen die Produkte von MELT gezielt aus und speichern somit deutlich größere Wärmemengen, als es mit herkömmlichen (sensiblen) Speichermaterialien, zum Beispiel Wasser, möglich wäre. Durch das Einbringen eines solchen Phasenwechselmaterials mit spezifischem Schmelzpunkt in die Gebäudehülle puffert es Temperaturschwankungen genau bei der gewünschten Temperatur. Das bedeutet individuelle Wärmespeicherung nach den Vorlieben der Kunden und den klimatischen Verhältnissen vor Ort. Auf diese Weise kann die Heizung an wolkigen Tagen ungenutzt bleiben und unter dem Dach wird es bei Sonneneinstrahlung nicht so heiß.

Die Notwendigkeit großer thermischer Speicher geht vor allem mit dem Vormarsch der Wärmepumpe und damit der Nutzung erneuerbarer Energien für die Wärmeversorgung einher. Dieser Schritt ist wichtig und richtig, doch die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien schwankt natürlicherweise. Die Speicher von MELT sorgen für die notwendige zeitliche Überbrückung von Zeiten eines zu geringen regenerativen Energieangebotes wie nachts oder bei Windstille. Kunden von MELT schonen so das Klima und den Geldbeutel, da die erneuerbaren Energien schon heute die niedrigsten Gestehungskosten haben, egal ob mit eigener Photovoltaik oder bei dynamischem Stromtarif. Als Zusatzeffekt steigt der Eigennutzungsgrad der PV- oder Kleinwindanlage und die Netze werden entlastet. Die Speicher sind also sowohl eine Ergänzung zur Wärmepumpe im Winter, als auch Schutz vor sommerlicher Überhitzung.

Die Platten werden aktuell vor allem im Holzfertigbau oder bei seriellen Sanierungen eingesetzt. Sie werden meist additiv zur Isolierung in dünnen Schichten von beispielsweise 1,2 cm auf der Rauminnenseite verbaut. Damit erreicht man die thermische Speicherfähigkeit einer 25 cm Betonwand. Der Markteintritt gelingt vor allem durch eine Kooperation zwischen der MELT-Ing GmbH und der Willi Mayer Holzbau GmbH & Co. KG aus Bisingen. Diese plant und baut Holzhäuser und kann durch die Ergänzung mit MELT Plates eine bisher nicht erreichbare ökoeffiziente Gebäudeklasse anbieten.

Der Schmelzpunkt der Materialien, die ungiftig, frei von fossilen Rohstoffen und unbrennbar sind, ist wählbar. MELT Plates können nicht nur zur Stabilisierung der Wohnraumtemperatur, sondern auch in vielen weiteren Anwendungen eingesetzt werden: Ein Beispiel ist die Speicherung von Kälte in Kühlfahrzeugen. Gerade bei der zunehmenden Nutzung von elektrisch angetriebenen Transportfahrzeugen geht der Betrieb des Kühlaggregats zulasten der Reichweite. Der zusätzliche Einsatz eines thermischen Speichers in Form von MELT Plates, die genau wie die Fahrzeugbatterie über Nacht geladen werden, macht diesen Nachteil wett. Auch die Sicherheit der Kältespeicherung gegenüber Stromausfall wird erhöht. Weitere Einsatzgebiete sind Anwendungen, in denen Lastverschiebung und ein enges Temperaturband gefordert sind.

Dr.-Ing. Sebastian Sonnick und Frederik Wunder sind die jungen Gründer von MELT und haben Erfahrungen im Bereich der energieeffizienten System- und Produktentwicklung sowohl am CeMOS der Hochschule Mannheim als auch am Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen gesammelt. Matthias Rädle hatte als Mitgründer unterstützt und ergänzt das Team mit seiner Expertise. Alle drei eint die Mission, aktiv und gestalterisch an der Energie- und Wärmewende teilzuhaben.


www.freedewater.com

www.meetmelt.com

Kontakt

Prof. Dr. Matthias Rädle (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen (Mannheim)

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