Abschlussmeeting der Otto Müller Zukunftsstrategie

Hier geht Zukunft über die Fleischtheke

Mitarbeiter gestalten die Zukunft der Bodensee-Metzgerei Otto Müller mit

Wer verantwortet eigentlich die Strategie in einem Unternehmen – die Inhaber, die Geschäftsführung oder womöglich eine externe Strategieberatung? In vielen Unternehmen erfolgt die Strategieentwicklung hinter verschlossenen Türen. Oder wird nicht systematisch betrieben, weil das operative Geschäft die Agenda bestimmt. Das Konstanzer Familienunternehmen Otto Müller geht einen anderen Weg: Geschäftsführerin Katharina Müller und ihre Schwester Sonja öffneten die Türen und luden ihre Mitarbeiter ein, die zukünftige Strategie der Metzgerei mitzugestalten. Begleitet wurden sie dabei vom Team des Steinbeis-Transferzentrums Technologie – Organisation – Personal (TOP).

 

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Die Reise in die Zukunft startete im September 2022 mit 25 Mitarbeitern aus den Filialen, der Küche und der Verwaltung. Damit ist jeder vierte Mitarbeiter der Einladung zu den insgesamt vier Workshops in der „farm“ in Konstanz gefolgt, dem Gründungs- und Innovationszentrum der Stadt. Gründergeist gab es auch in den Workshops, bei denen sich die Mitarbeiter intensiv mit Zukunftstrends und Kundenbedürfnissen auseinandergesetzt haben. Gemeinsam mit den beiden Steinbeis-Beraterinnen Rita Strassburg und Ursula Schulz entwickelten die Mitarbeiter eigene Ideen, führten dazu Gespräche mit Kunden und testeten die Akzeptanz in kleinen Experimenten.

Mitarbeiterideen, die überzeugen

Im April 2023 schließlich stellten die Mitarbeiter in drei Teams ihre Ideen rund um die Erlebnismetzgerei, die Onlinemetzgerei und den Bereich Convenience vor. In der Jury saßen mit Katharina, Sonja und Moritz Müller zwei Generationen aus der Inhaberfamilie. Externe Expertise war durch den Beirat Karl-Heinz Blum, die Konstanzer Wirtschaftsförderin Beate Behrens sowie Sabine Steinmaier von der Werbeagentur Bransch und Partner aus Stuttgart vertreten. Und die Jury spürte deutlich, wie viel Zeit und Herzblut die Mitarbeiter in die Projekte gesteckt haben: Die Teams überzeugten sie vom Potenzial ihrer Themen und da die drei Bereiche eng verzahnt sind, möchte Familie Müller alle Themen weiterverfolgen.

„Für uns war es besonders spannend diesen Prozess im Handel durchzuführen, mit Mitarbeitern, die täglich im Kundenkontakt stehen, statt vor dem Bildschirm zu sitzen, um Konzepte auszuarbeiten“, bemerkt Rita Strassburg. Eine Herausforderung bestand darin die Workshops so zu koordinieren, dass die Mitarbeiter gemeinsam arbeiten und gleichzeitig der Betrieb weiterlaufen konnte. Möglich wurde dies durch die hohe Einsatzbereitschaft und Freude der Mitarbeiter und die Flexibilität der Geschäftsführung.

Mitarbeitereinbindung bringt vielfältige Vorteile

Wenn es so herausfordernd ist, Innovationsprojekte mit dem operativen Geschäft in einer Metzgerei zu vereinbaren, wäre es nicht sinnvoller gewesen den Prozess nur mit der Geschäftsführung zu durchlaufen? Ursula Schulz verneint diesen Ansatz aus drei Gründen:

    1. Zukunft braucht Herkunft

In bestehenden Unternehmen sollte die Zukunft auf den bestehenden Kompetenzen aufbauen. Bei Otto Müller sind das die langjährigen Mitarbeiter, die starke Marke, die für regionale und nachhaltige Qualitätsprodukte steht, und die hohe Kundenorientierung. Und wer kennt die Kompetenzen besser als die Mitarbeiter, die sich dafür verantwortlich zeigen?

 

    1. Diverse Teams bringen diverse Ideen

In der Regel ist die Mitarbeiterschaft wesentlich diverser zusammengesetzt als die Führungsebene. Wenn Diversität Kreativität fördert, dann wird diese am schnellsten durch die Einbindung der Mitarbeiter erreicht. Im Projektteam von Otto Müller waren unterschiedliche Generationen, Kulturen, Positionen und Ernährungsgewohnheiten vertreten. Die Mischung sorgte für einen fruchtbaren Austausch.

 

    1. Strategien scheitern zu 70 % an der Umsetzung

Die eigentliche Herausforderung liegt darin, eine auf dem Papier entworfene Strategie auf die Straße zu bringen. Wenn die Mitarbeiter bereits bei der Strategieerstellung mitwirken, dann ist das die wichtigste Voraussetzung für die spätere Umsetzung. Bei Otto Müller war das vor allem beim Thema Lieferdienst spürbar. Während der Pandemie wurde der Lieferdienst aus der Not geboren und aufgrund der hohen Nachfrage beibehalten. Zu Beginn des Projektes akzeptierte man diesen neuen Service zwar, aber das Herz blieb bei den Kunden, die an der Theke stehen. Im Laufe des Projektes wuchsen die Begeisterung für die zusätzliche Möglichkeit, Kundenbedürfnisse zu befriedigen und die Erkenntnis, sich hier auch um Prozessoptimierung und Digitalisierung kümmern zu müssen.

Startschuss für weitere Projekte in Konstanz

Das Projekt bei Otto Müller geht auf einen Austausch zwischen dem Steinbeis-Transferzentrum TOP und der Wirtschaftsförderung Konstanz, dem Handelsverband Südwest sowie dem Treffpunkt Konstanz zurück.

Die Idee ist, dass Händler einzeln oder gemeinsam in einem Innenstadt-Inkubator Zukunftskonzepte entwickeln und testen. Nach dem Pilotprojekt bei Otto Müller sieht sich Beate Behrens als Vertreterin der Wirtschaftsförderung in diesem Gedanken bestärkt: „Nach der Corona-Pandemie sind Innovation und Unternehmertum im Handel wichtiger denn je. Wir würden uns freuen, wenn die Erfolgsgeschichte von Otto Müller weitere Händler inspiriert.“

Steinbeis-Beraterin Rita Strassburg ist Ansprechpartnerin für interessierte Händler. Sie sitzt mit ihrem Büro in der „farm“ und koordiniert die Gründungsaktivitäten von Steinbeis in Konstanz. Rita Strassburg hat die Konstanzer Innovationsinitiative maßgeblich auf den Weg und die Parteien an einen gemeinsamen Tisch gebracht. „Im nächsten Schritt möchten wir Unternehmen in Konstanz sowohl einzeln bei ihrer Innovationsstrategie unterstützen als auch unternehmensübergreifende Innovationsprojekte initiieren. Dazu suchen wir Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihre Zukunft neu gestalten möchten. Dafür gibt es auch eine Reihe geeigneter Fördermittel.“

Kontakt

Ursula Schulz (Autorin)
Steinbeis-Unternehmerin
Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal (TOP) (Ravensburg)
www.stz-top.de

Rita Strassburg (Autorin)
Freiberufliche Projektleiterin
Steinbeis-Transferzentrum Technologie – Organisation – Personal (TOP) (Ravensburg)
www.stz-top.de

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