Schweißprozesse clever überwachen

Steinbeis-Team und Projektpartner entwickeln ein Multi-Modular-Sensorsystem

Dem Lichtbogenschweißverfahren als leistungsfähiges Verbindungsverfahren bei metallischen Werkstoffen kommt unverändert eine besondere Rolle bei der Herstellung von Bauteilgeometrien und -komponenten zu. Gründe hierfür sind unter anderem die ständige Verbesserung der Verfahrens- und Anlagentechnik hinsichtlich Produktivität und Qualität sowie die Weiterentwicklungen in der Prozessautomatisierung durch den Einsatz von Industrierobotern. Das Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation hat gemeinsam mit Projektpartnern ein Multi-Modular-Sensorsystem zur Inline-Regulierung und Überwachung des Lichtbogenschweißprozesses für die Herstellung qualitätsgerechter Nahtverbindungen entwickelt.

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Mit fortschreitender Automatisierung werden die Anforderungen an eine reproduzierbare Qualität und fehlerfreie Schweißnahtverbindungen immer wichtiger: Viele Einflussfaktoren, wie Werkstoffart, Fugengeometrie, Bauteiltemperaturen und Schweißwärmeenergie, bestimmen entscheidend die Qualität und Produktivität von Nähten, Schichten und Bauteilgestalt. Bei Änderungen dieser Faktoren müssen die Prozessparameter des Schweißens – Schweißstrom, -spannung, -geschwindigkeit, Drahtvorschub, Prozessgasmenge und Brennerabstand zum Bauteil – ständig angepasst werden und stehen in komplexer Wechselwirkung und Abhängigkeit mit der Nahtqualität. Häufig ist eine Anpassung daher nur durch eine sehr aufwendige Parameterregulierung oder erfahrenes Fachpersonal möglich.

Vier Partner – ein Ziel

Um dieses Vorgehen zu vereinfachen und Schweißnahtfehler zu vermeiden, sollte ein Multi-Modular-Sensorsystem zur Inline-Regulierung und Überwachung der Lichtbogenschweißprozesse entwickelt werden. Dieser Aufgabe nahmen sich im Rahmen eines F&E-Projektes das Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation aus Chemnitz und drei Projektpartner – die Weber Schweißmaschinen GmbH, die Waldemar Frank Formenbau GmbH und die Professur Mess- und Sensortechnik der Technischen Universität Chemnitz – an. Die Verbesserung der Schweißbarkeit von schwer schweißbaren Werkstoffen war unter anderem ein entscheidendes wissenschaftliches und unternehmerisches Ziel, wie auch Steinbeis-Unternehmer PD Dr.-Ing. habil. Khaled Alaluss betont: „Mit einer derartigen Lösung erhöht sich der Marktbedarf für das Schweißen solcher Werkstoffe und deren Hybrideinsatz als vorteilhafte Verbindungstechnik und -technologie, insbesondere für den Leichtbau in der Elektromobilität sowie in der Geräte- und Anlagentechnik.“

Für die Entwicklung und den Aufbau des Sensormesssystems wurde ein prozesstechnisches Konzept erarbeitet, das die Grundlage für eine berührungslose Temperaturmessung zur Überwachung des Schweißprozesses auf Basis der Wirbelstromsensortechnik bildete. Darüber hinaus wurde ein erweitertes Kommunikationsprotokoll entwickelt, mit dem mehrere Subsysteme für größere Sensormatrizen zusammengeführt werden können. Das Messsystem besteht aus einer Sende- und zwei Empfangsspulen zur Bestimmung der Bauteiltemperaturen und ist für Frequenzen von 10 bis 250 Kilohertz geeignet. Aufgrund des möglichen Messpotenzials der Sensortechnik finden die Temperaturmessungen im Bereich des Nahtrandes, der Wärmeeinflusszone (WEZ) und des Bauteilgrundwerkstoffes statt. Der vom Projektteam entwickelte Temperatur- und Abstandsberechnungsalgorithmus mit einer vorgefertigten Datenbank erreicht eine gute Temperaturmessgenauigkeit bei Temperaturen kleiner oder gleich 750 °C sowie bei einer definierten Abstandsmessgenauigkeit im Bereich von vier bis acht Millimeter.

Schritt für Schritt vom Konzept zum Prototyp

Zur technisch-konstruktiven Integration des Sensormesssystems in die Schweißbrennertechnik und deren Anlage wurde eine Brennerkomponenten-Moduleinheit zur Abschirmung von Lichtbogen- und Bauteilwärmestrahlung entwickelt, die aus Halterungs- und Verstelleinrichtungen am Brennerhals sowie einer Kühl- und Erwärmungseinheit besteht. Das gewährleistet sowohl eine flexible Positionierung, eine hohe Sensoreffektivität bei höherer Schweißenergieleistung aufgrund einer effizienten Kühlung als auch eine stabile Betriebstemperatur kleiner oder gleich 80 °C.

Weiterhin wurde für die Realisierung eines funktionssicheren, intelligenten Überwachungssystems die genaue Positionierung des Sensorsystems in Verbindung mit einer Fortbewegung der Brennertechnik ermittelt. In einer simulativ-experimentellen Untersuchung wurden Sensorposition, -funktionalität und -effektivität festgestellt und ausgewertet. Mit dem Prototypen des Multi-Modular-Sensorsystems wurden daraufhin reproduzierbare Temperaturmessungen an geschweißten Bauteilverbindungen erfasst – Temperaturen von bis zu 750 °C an Nahtrand, WEZ und Grundwerkstoff geschweißter Bauteilgeometrien aus verschiedenen Werkstoffen (Stahl, Titan, Aluminium) waren messbar.

Im Hinblick auf die Entwicklung eines KI-Ansatzes wurde eine Steuerungs- und Regelungseinheit auf Basis eines Inline-Überwachungssystems mittels einer Datenbank für die Schweißprozess-Parametrisierung konzipiert und umgesetzt. Die Steuerungseinheit wurde an Schweißstromquelle, Drahtzuführungseinheit und Schweißrobotertechnik angeschlossen, so kann das Multi-Modular-Sensorsystem die Bauteilerwärmungs- und Abkühlprozesse beim Schweißen von Nahtverbindungen für verschiedene Fugengeometrien und unterschiedlichen Werkstoffeinsatz erfassen. Somit war es möglich, den lichtbogenautomatisierten Schweißprozess für eine definierte Aufgabe mit geeigneten Prozessparametern zu überwachen und zu regeln.

Schließlich erfolgte die Qualifizierung des Sensorsystem-Prototyps: Es wurden schweiß- und werkstofftechnische Untersuchungen an unterschiedlichen Fugengeometrien mit unterschiedlichem Werkstoffeinsatz zur funktionellen Bewertung des Systemverhaltens und der Funktionsmodule durchgeführt und dafür Sensorrohdaten und Temperaturen anhand des variierten Frequenzintervalls (10 bis 250 Kilohertz) während der Änderung der Prozessparameter und Sensorpositionen aufgezeichnet. So wurden die Funktionalität, Handhabungstechnik an der Robotertechnik und Zugänglichkeit bei der Herstellung von unterschiedlichen Nahtverbindungen und letztlich der praktische Einsatz des Multi-Modular-Sensorsystems zur Inline-Regulierung und Überwachung des Lichtbogenschweißprozesses für die Herstellung qualitätsgerechter Nahtverbindungen nachgewiesen.


Das Projekt „Entwicklung eines intelligenten Multi-Modular-Sensorsystems zur Inline-Regulierung und Überwachung des Lichtbogenschweißprozesses für die Herstellung qualitätsgerechter Nahtverbindungen“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Kontakt

PD Dr.-Ing. habil. Khaled Alaluss (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Chemnitz)

Dr. jur. Lars Kulke
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Chemnitz)

Friedemann Sell
Projektmitarbeiter
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Chemnitz)

Karl Martin Weber
Geschäftsführer
Weber Schweißmaschinen GmbH (Buseck)

Markus Frank
Geschäftsführer
Waldemar Frank Formenbau GmbH (Eppingen)

Prof. Dr.-Ing. Olfa Kanoun
Inhaberin der Professur Mess- und Sensortechnik
Technische Universität Chemnitz (Chemnitz)

Frank Wendler
Projektmitarbeiter Professur Mess- und Sensortechnik
Technische Universität Chemnitz (Chemnitz)

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