Von der Navigation durchs Gebäude bis zur Museums-App

Im Gespräch mit Professor Dr.-Ing. Frank Deinzer, Steinbeis-Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum New Media and Data Science

Standen Sie auch schon einmal in einem fremden Gebäudekomplex, die Zeit bis zu Ihrem Termin wurde knapp, aber der Weg zum gesuchten Raum war unbekannt? Das von Steinbeis-Experte Professor Dr.-Ing. Frank Deinzer mitentwickelte System SimpleLoc bietet dafür die Lösung und zeigt den richtigen Weg. Die TRANSFER hat den Steinbeis-Unternehmer und Professor für Medieninformatik und Multimediatechniken an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt getroffen und mit ihm über Navigation im Gebäude, Augmented Reality und lebende Kunstwerke in Museen gesprochen.

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Herr Professor Deinzer, Sie waren maßgeblich an der Entwicklung von SimpleLoc, einer Indoor-Navigation, beteiligt. Worum genau geht es bei diesem Projekt?

Die Idee zu SimpleLoc entstand vor vielen Jahren. Damals erzählte mir ein Kollege, dass eine große Behörde in einen Neubau umziehen wollte und die Architekten Schwierigkeiten hatten, die von den Handwerkern hinterlassenen Mängel im Gebäude zu verorten. Es wurden zwar Fotos gemacht, aber das Problem bestand darin, das jeweilige Foto dem richtigen Büro zuzuordnen, da diese ähnlich aussahen und noch keine Beschriftung hatten. Eigentlich braucht man dafür eine Technik zur Positionsbestimmung im Gebäude, ähnlich der Satelliten- und GPS-Technologie zur Navigation im Freien. Da kam bei mir der Gedanke an die sogenannte Sensordatenfusion auf, mit der ich mich schon in meiner Promotion befasst hatte. Dabei werden Daten aus verschiedenen Informationsquellen zusammengefasst und daraus ein Ergebnis abgeleitet. Die Frage war: Wie kann damit die Position innerhalb eines Gebäudes bestimmt werden?

Uns war schnell klar, dass wir eine Komponente ähnlich GPS brauchen, die die Position im Gebäude angeben kann, kostengünstig ist und die wir an einer Kamera befestigen können. Und so kam uns die Idee, hierfür WiFi und Bluetooth zu nutzen und die Signalstärke zu messen. Man kennt das von zu Hause: An einem Ort in der Wohnung ist das WLAN gut, am anderen weniger. Genau das wollten wir nutzen. Man hat einen Access Point und berechnet auf Basis der Signalstärke an einem konkreten Ort die Entfernung zum Router. Mit mehreren solcher Sender können wir mithilfe des Abstands zu den einzelnen Komponenten grob bestimmen, wo man sich gerade befindet. Die Ungenauigkeit ist allerdings der entscheidende Nachteil, daher war schnell klar, dass dieser Lösungsansatz nicht reicht. Aber wir haben eine weitere Informationsquelle: den Architekten, der sich im Gebäude bewegt. Wir erkennen, wenn er sich bewegt, und können Richtung wie auch Richtungsänderung feststellen. Diese Informationen können wir mit den Bauplänen verbinden, um so die Position noch genauer zu bestimmen.

Soweit die Theorie. 2009/2010 haben wir die Umsetzung im Rahmen eines kleinen Forschungsprojekts an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt getestet und schnell festgestellt, dass es noch nicht zum Erfolg führt. Aber die Frage war aus wissenschaftlicher Sicht sehr spannend und so haben wir weiter geforscht. Mit meinem Steinbeis-Transferzentrum hatte ich das nötige Framework, um die Technik in der realen Umgebung zu testen. Zu diesem Zeitpunkt standen wir bereits im Kontakt zum RothenburgMuseum in Rothenburg ob der Tauber. Das ist ein altes Frauenkloster aus dem zwölften Jahrhundert mit dicken Wänden, verwinkelt, kompliziert. Also ein ideales Gebäude, um unsere Idee zu testen. Wir haben unser System dort eingebaut, Probeläufe gemacht, dann die Besucher in ihrer Bewegung durch das Museum verfolgt und festgestellt, dass es richtig gut funktioniert: Wir wissen zu jedem Zeitpunkt mit einer großen Sicherheit, wo wir sind, das System ist stabil und die Genauigkeit ist mit der im Freien vergleichbar.

Daraufhin haben wir nach einer Fördermöglichkeit gesucht, um das System als Produktlösung in unserem Steinbeis-Transferzentrum anbieten zu können. Fündig geworden sind wir bei der Bayerischen Sparkassenstiftung. Jetzt wird SimpleLoc vor allem in Museen angewendet, denn dafür ist es wie gemacht: Museen wollen eine App, die auf den Ort, an dem man sich gerade befindet, reagiert, die Interaktionen anbietet und sich intelligent verhält.

Was waren die größten Herausforderungen bei der Umsetzung von SimpleLoc?

Das Schwierigste war die Sensorfusion-Komponente und die Art und Weise, wie man diese Informationsquellen so zusammenfügt, dass man eine stabile Bestimmung der aktuellen Position bekommt. Hier kommt die Mathematik zum Einsatz und liefert uns einen Ansatz, der für jede Person zu jeder Zeit für jeden beliebigen Ort im Gebäude bestimmen kann, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich diese Person an diesem bestimmten Ort befindet.

Was sind neben Museen denkbare weitere Anwendungsbereiche für SimpleLoc?

Wir haben ein Projekt mit der Stadt Würzburg laufen, bei dem es um eine Navigationslösung für das Rathaus geht. In dem Komplex aus drei einzelnen Gebäuden ist es für Besucher schwierig sich zurechtzufinden. Hier braucht es eine Lösung, die wie Google Maps die Person zu ihrem Ziel führt. Diese Lösung ist nun fertig und aktuell im Betatest. Hier geht es im Wesentlichen darum, wie die Benutzerinteraktion aussieht und was der Benutzer akzeptiert. Das könnte man zum Beispiel zu einer Art Würzburg-App ausbauen, mit der die Nutzer gewisse Angelegenheiten direkt über die App erledigen können, zum Beispiel Termine vereinbaren oder mit einem Berater per Videokonferenz kommunizieren.

Was auch sehr interessant wäre, ist eine Lösung für Supermärkte, die den Benutzer anhand seiner Einkaufsliste durch den Laden leitet. Wir haben auch über Lösungen für große Bibliotheken nachgedacht, hier könnte die App dem Besucher den Weg zum konkreten Buch zeigen. Auch Anwendungen und Szenarien für die Industrie sind denkbar, zum Beispiel im Hinblick auf die Laufwege von Mitarbeitern oder das Tracking von Paketen und Werkstücken. Die Zielsetzung kann die Erhöhung des Durchsatzes sein.

Ein anderes spannendes Projekt von Ihnen: Die Augmented Art App, die Kunstliebhabern erlaubt, sich an jedem gewünschten Ort in Ruhe mit einem Kunstwerk zu beschäftigen. Daneben können die Museen damit ihre Exponate mit digitalen Inhalten wie Video, Audio oder 3D-Objekten für ihre Besucher lebendig machen. Was hat Sie an diesem Projekt besonders gereizt?

Auch dieses Projekt ist im RothenburgMuseum entstanden. Beim ersten Termin mit dem Museumsdirektor haben wir eine tolle Führung durch das Museum bekommen. Als wir vor dem Bilderzyklus „Passion Christi“ standen, meinte der Direktor, dass Besucher gerade bei solchen Kunstwerken eine Führung benötigen, um den Sinn erklärt zu bekommen. Das scheitert aber wie so oft am Geld. Wie also solche Informationen zeitgemäß an die Besucher vermitteln?

Aus dieser Problemstellung ist die Augmented Art App entstanden, denn jeder hat ein Smartphone dabei. Das muss nur aufs Bild gehalten werden, die Kamera erkennt das Bild und den Ort, wo wir uns gerade befinden. Daraufhin wird das Bild mit zusätzlichen Informationen ergänzt. Am Anfang wurden lediglich Punkte mit den Zusatzinformationen angezeigt. Wir haben das damals im Rahmen eines studentischen Hochschulprojekts getestet und die Lösung kam sehr gut an. Dann haben wir die Lösung im Steinbeis-Transferzentrum professionell umgesetzt und unterstützen damit das Ziel, das Museen bei einer Führung verfolgen: das Storytelling, die Geschichte zum Kunstwerk. Wir haben die App mit einem Content Management System ausgestattet, sodass das Museum seine Inhalte selbst pflegen kann.

2022 haben wir die App in Würzburg beim „100 Jahre Mozartfest“ eingesetzt. Es gab unter anderem eine Sonderausstellung im Museum im Kulturspeicher, für diese Ausstellung haben wir die App zusätzlich mitangeboten. Wir konnten eine Kunsthistorikerin für das Projekt begeistern und innerhalb von zwei Wochen waren alle Kunstwerke mit entsprechenden Inhalten eingepflegt.

Und welche Themen beschäftigen das Team Ihres Steinbeis-Unternehmens aktuell?

Wenn man Augmented Art größer fasst, kann man sagen, dass wir Augmented Reality gestalten. Beispielsweise mit einem Projekt, das wir für das Porsche Museum in Stuttgart realisiert haben: Das Entwicklungszentrum hatte 50-jähriges Jubiläum gefeiert und deswegen wurde eine Sonderausstellung im Porsche Museum gestaltet. Unter anderem wurde dort ein Modell des Entwicklungszentrums nachgebaut. Das haben wir komplett mit einer von uns entwickelten virtuellen Augmented-Reality-Welt überlagert, die vielseitige Interaktionsmöglichkeiten anbietet.

Natürlich ist auch künstliche Intelligenz ein großes Thema bei uns. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt „Fördercafé“, das wir vor rund einem halben Jahr in den Produktivbetrieb geschickt haben. Es geht dabei um Menschen, aber auch Unternehmen, die nach Fördermöglichkeiten für ihre Projekte suchen. Das Problem ist, dass es viele unterschiedliche Förderangebote von Bund, Land, EU oder Stiftungen gibt. Für jemanden, der sich nicht regelmäßig damit beschäftigt, ist es schwierig, das passende Angebot zu finden. Eine Unternehmensberatung aus Köln kam auf uns zu, die zwar schon ein solches System hatte, das aber wegen der nicht besonders gelungenen Bedienung nicht gut angenommen wurde. Aus diesem Grund sollten wir eine KI-Lösung für Förderprogramme entwickeln, die den Usern gezielt die zu ihren Bedürfnissen passenden Fördermöglichkeiten anbietet. Dazu werden bestimmte Parameter abgefragt und basierend darauf wird dem Nutzer eine Liste passender Programme angeboten.

Das ist zwar nur eine kleine Auswahl aus unserem Geschäftsalltag, aber sie gibt, denke ich, einen guten Einblick in die Themen, die bei uns aktuell auf dem Tisch liegen.


SimpleLoc: Weitere Informationen finden Sie unter www.simpleloc.de. Möchten Sie mehr über konkrete Projekte erfahren? Dann schauen Sie hier rein: https://t.ly/1Hrt

Augmented Art: Weitere Informationen finden Sie unter www.augmented-art.de

Augmented Reality im Porsche Museum: Weitere Informationen finden Sie unter https://tinyurl.com/4b48urep

 


3 Fragen an Professor Deinzer

Kontakt

Prof. Dr.-Ing. Frank Deinzer (Interviewpartner)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum New Media and Data Science (Dettelbach)
www.newmedia-datascience.de

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