Drei Kommunen, ein Partner, ein Projekt – EGON

Drei Kommunen schließen sich in ihrer Wirtschaftsförderung mit Steinbeis zusammen

Sie fragen sich, um welchen Egon es hier gehen mag? Nun, da können wir weiterhelfen: Gemeint ist die Existenzgründungsoffensive Neckar-Eschach, oder eben kurz EGON, die das Steinbeis-Transferzentrum Wirtschaft, Gründung, Kommune aus Villingen-Schwenningen seit 2022 als interkommunales Wirtschaftsförderungsprojekt steuert. Das interdisziplinäre Steinbeis-Team verfolgt ambitionierte Ziele und hat im bisherigen Projektverlauf schon viel bewirkt.

Dauchingen, Deißlingen und Niedereschach haben vieles gemeinsam: Geografisch unmittelbar aneinander angrenzend und in etwa auf halber Strecke zwischen Stuttgart und dem Bodensee gelegen, gehören die drei Kommunen zu den beiden Landkreisen Schwarzwald-Baar-Kreis beziehungsweise Rottweil. Zusätzlich zur unmittelbaren räumlichen Nähe verfügen sie dank zahlreicher Industrie- und Handwerksunternehmen über eine beachtliche Wirtschaftskraft. Ein wesentlicher Standortfaktor ist die gute Anbindung an die A 81 und die B 27.

Die Branchenstruktur der örtlichen Industrie ist wesentlich auf die Herstellung und Weiterverarbeitung von Metall­erzeugnissen fokussiert und mitunter in die Zulieferketten der Automobilindustrie eingebettet. Zudem kommt der Kunststoff verarbeitenden Industrie, die teils der Elektroindustrie zuliefert, eine große Bedeutung zu. Die ansässigen Handwerksunternehmen decken das gesamte Spektrum an Leistungen ab und sind ein wesentliches Element zur Sicherstellung der Nahversorgung – zudem fördert das breite Angebot lokale Wirtschaftskreisläufe.

Wie dynamisch und florierend das Wirtschaftsgeschehen in Dauchingen, Deißlingen und Niedereschach ist, zeigt sich auch darin, dass dort derzeit jeweils annähernd Vollbeschäftigung herrscht. Darüber hinaus sind alle drei Kommunen gleichermaßen mit Thematiken befasst, denen im ländlichen Raum eine besondere Bedeutung zukommt: Demografie, Nahversorgung, Strukturwandel und zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Standortes.

Das Projekt EGON

Neben den ökonomischen und geografischen Verbindungen und Schnittmengen ist insbesondere die Gewichtung der Themen Wirtschaft und (inter-)kommunale Wirtschaftsförderung für die drei Kommunen prägend. Dies zeigt sich in besonderem Maße darin, dass die im Jahr 2013 von Martin Ragg, Bürgermeister von Niedereschach, ins Leben gerufene „Existenzgründungsoffensive Neckar-Eschach“ nunmehr seit sechs Jahren von den drei Kommunen Dauchingen, Deißlingen und Nieder­eschach kooperativ betrieben wird. Das alles zeigt: In den drei Rathäusern ist das Thema schon lange Chefsache!

Die drei Bürgermeister Torben Dorn (Dauchingen), Martin Ragg (Nieder­eschach) und Ralf Ulbrich (Deißlingen) dachten früh visionär und erkannten, dass kommunale Wirtschaftsförderung mit Blick auf die Entwicklung und Zukunftsfähigkeit der Standorte einerseits zentral ist, es andererseits jedoch kaum möglich ist, effektive und zugleich finanzierbare Wirtschaftsförderungsstrukturen jeweils in Eigenregie zu unterhalten. Daher wurde 2017 zur Kompetenzbündelung und Ressourcenschonung beschlossen, EGON interkommunal zu verankern und gemeinsam zu finanzieren. Die Erfolge vor Ort und die große Wertschätzung, die das Projekt jenseits der drei Kommunen erfährt, bestätigen die gewählte Strategie eindrucksvoll. Seit der Gründung wurde EGON vielfach ausgezeichnet und gilt inzwischen als Vorzeigeprojekt interkommunaler Wirtschaftsförderung. Neben dem Preis „ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ und der Nominierung zum „EU-Unternehmensförderpreis“ hat EGON insbesondere durch den landesweiten Wettbewerb „Start-up BW Local“ die Blicke diverser Akteure auf sich gezogen. Wie positiv EGON jenseits der drei Kommunen wahrgenommen wird, zeigt sich unter anderem anhand zahlreicher Anfragen zum Thema Wissenstransfer.

Wenngleich die positive Außendarstellung die Erfolge unterstreicht und neue Türen öffnet, so liegt der Fokus von EGON doch auf dem Geschehen vor Ort. Erklärtes Ziel der Offensive ist die systematische Verbesserung der Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln in den drei Kommunen. Nach einigen erfolgreichen Jahren war es nun an der Zeit, mit und durch EGON neue Impulse zu setzen und das Gesamtkonzept zu innovieren.

Das Konzept

Der innovative Ansatz von EGON ist unmittelbar an die Auslagerung der interkommunalen Wirtschaftsförderung an das Steinbeis-Transferzentrum Wirtschaft, Gründung, Kommune geknüpft. Im April 2022 durch die Gemeinderäte der drei Kommunen offiziell beauftragt, setzt das Steinbeis-Team seit Mai 2022 das neue Gesamtkonzept tatkräftig um. Neben dem Standortmarketing fußt das Konzept auf drei wesentlichen Säulen, die – sofern sinnvoll und möglich – miteinander verzahnt werden. Da ist zum einen die Betreuung von Bestandsunternehmen, hier fließen systematische Methoden und Ansätze ein: der bewährte Steinbeis-Unternehmens-Kompetenzcheck (UKC) und eine in Eigenregie durchgeführte Unternehmensbefragung in den drei Kommunen zur Identifikation von Handlungsfeldern und -empfehlungen auf empirischer Basis.

Eine ebenso zentrale Bedeutung kommt als zweiter Säule der Initiierung und Betreuung von Gründungen zu. Hier werden Gründungsinteressierte wie auch Gründende objektiv und unvoreingenommen beraten und rund um ihr Vorhaben begleitet. Das Portfolio umfasst Beratungsangebote bei technologischen, betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Fragestellungen und, wenn sinnvoll, die Hinzuziehung externer Expertise. Zudem wird Gründenden das sogenannte „Lotsen-Modell“ angeboten: Hier werden Gründende von sachkundigen Personen mit (Unternehmens-) Führungserfahrung ehrenamtlich beraten und können dadurch das Management ihrer Geschäftsideen optimieren. Das Thema Gründungsberatung umfasst daneben die Ansiedelung von Unternehmen, die bis dato vorhandene Nischen besetzen und so die Wirtschaftsstruktur erweitern.

Die Übernahme der allgemeinen Tätigkeiten der Wirtschaftsförderung als dritte Säule hat in den drei Kommunen einen zentralen Stellenwert, auch wenn damit auf den ersten Blick eher unscheinbare Aktivitäten einhergehen. Hierunter fällt insbesondere die Netzwerkbildung vor Ort, die einen Fixpunkt des neuen Gesamtkonzeptes darstellt und ein innovatives Raumverständnis beinhaltet: Netzwerke und Kooperationen sollen unabhängig des lokalen Standortes mit Fokus auf inhaltliche Schnittmengen gefördert und gebildet werden – EGON verschiebt Grenzen und bildet einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, der die drei Gebietskörperschaften umfasst! Der Mehrwert dieser innovativen Strategie liegt auf der Hand: Im EGON-Wirtschaftsraum ist die Anzahl der Unternehmen, die potenzielle inhaltliche Schnittmengen haben, wesentlich höher als in den jeweiligen Kommunen separat. Dadurch sind die Voraussetzungen für Netzwerkbildung und Kooperation wesentlich günstiger und Suchprozesse weniger aufwendig. Kompetenzen werden so vor Ort gebündelt und die lokalen Wirtschaftskreisläufe gefördert. Die Vorzüge sind offensichtlich: Wenn die Wertschöpfung überwiegend lokal erfolgt, profitieren die Privatwirtschaft und die lokale Gesamtstruktur – die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsraumes und die Attraktivität der drei Kommunen steigen.

Das Team

Die Umsetzung der neuen EGON-Wirtschaftsförderungsstrategie übernimmt ein Pool von sechs Mitarbeitenden des Steinbeis-Transferzentrums Wirtschaft, Gründung, Kommune, die je nach Thema selektiv einbezogen werden. Das EGON-Team ist gleichermaßen interdisziplinär und vielfältig aufgestellt. Zusätzlich zur persönlichen Expertise bringen die Mitarbeitenden auch zahlreiche Netzwerkkontakte innerhalb und außerhalb des Steinbeis-Verbundes ein. Die Interdisziplinarität bringt einen beträchtlichen Mehrwert, da bei der kommunalen Wirtschaftsförderung nicht die Interessenlage bestimmter Akteure bestimmend ist, sondern „das große Ganze“ – also die lokale Gesamtstruktur – im Mittelpunkt steht. Da die Interessen von Wirtschaft, (Kommunal-)Politik und Gesellschaft nicht immer kongruent sind, kommt es den Zielen der Wirtschaftsförderung zugute, unterschiedliche Perspektiven einbringen und die Interessenlagen austarieren zu können.

Der Ausblick

Das Projekt hat großes Potenzial für den EGON-Wirtschaftsraum – und darüber hinaus! Die wirtschaftlichen Gegebenheiten vor Ort, der Einsatz der drei Bürgermeister und die interdisziplinäre Stein­beis-Expertise, die das Geschehen im EGON-Wirtschaftsraum bereits nach knapp einem Jahr deutlich prägt, sind ohne Zweifel Erfolgsfaktoren. Das Fundament aus Erfolg, der Definition von Zielen und der Motivation zu deren Umsetzung ist jedoch universell – folglich besitzt auch EGON Transferpotenzial in andere Räume.

Kontakt

Marcel Reiner (Autor)
Mitarbeiter
Steinbeis-Transferzentrum Wirtschaft, Gründung, Kommune (Villingen-Schwenningen)
www.start-mit-steinbeis.de

223074-53