Steinbeis-Experten ermitteln die Auswirkungen von Mobilitätstrends
Um das allgemeine Bedürfnis nach uneingeschränkter Mobilität sichtbar zu machen, bedarf es keiner Statistik. Ob es nun der ländliche Raum oder die Großstadt ist, Notwendigkeit und Bedarf sind allerorts vorhanden. Auf dem Land wird in der Relation zu den zurückgelegten Kilometern zwar nicht so viel Fahrrad gefahren, dafür gewinnen der öffentliche Personenverkehr und das Auto an Bedeutung. Das Steinbeis-Transferzentrum Mobilität und Logistik eröffnet neue Wege, indem es aktuelle Mobilitätstrends auf ihre Verwendbarkeit im ländlichen Raum erforscht und evaluiert. Im Themenumfeld der Logistik beschäftigen sich die Experten am Zentrum insbesondere mit der Gütermobilität auf der Straße. Jeder User, der im Internet einkauft, möchte möglichst schnell und sicher seine Waren nach Hause erhalten. Aber welche Konsequenzen hat dies auf die Logistikbranche? Diese Frage versucht das Steinbeis-Transferzentrum Mobilität und Logistik zu beantworten.
Elektromobilität ist in aller Munde und jeder möchte vom Kuchen etwas abhaben oder zumindest den Zug nicht verpassen. Auch im ländlichen Raum haben E-Fahrzeuge sicherlich ihre Berechtigung. Durch die stark abweichenden Anforderungen im Vergleich zu einem Benziner oder Diesel ist es jedoch umso wichtiger das Einsatzgebiet dieser Fahrzeuge genau zu prüfen. So führt das Steinbeis-Transferzentrum derzeit zum Beispiel ein Projekt zur Evaluierung von Elektroautos im Schwarzwald durch. Hierbei werden verschiedene Fahrzeuge unter die Lupe genommen, eine kleine Infrastruktur mit Ladestationen aufgebaut und an den drei Hochschulstandorten der Hochschule Furtwangen (Furtwangen, Schwenningen und Tuttlingen) evaluiert. Um zu ermitteln, welche Rolle die Elektromobilität im ländlichen Raum einnehmen kann, werden verschiedene Kriterien betrachtet: Aufbau der Infrastruktur, Wartung, Umwelteinflüsse (wie beispielsweise Temperatur und Energieverbrauch bei großen Höhenunterschieden) sowie subjektive Erfahrungen. Im Vergleich von technischen Daten und Angeboten ist das Projekt-Team auf die Mercedes B-Klasse, den Renault Zoe, den Nissan e-NV200 und einen Smart Fourtwo aufmerksam geworden. Die Fahrzeuge kommen ganz unterschiedlich zum Einsatz: Die klassischen Pkw erleichtern Mitarbeitern und Studierenden den Wechsel zwischen den Standorten und dienen als Dienstreisefahrzeuge. Den Transporter verwendet die hauseigene Post als Transportmittel, das Fahrzeug kommt auch bei Messen sowie mittelgroßen Transporten des Technischen Diensts zum Einsatz. Fasst man die bei diesem Projekt gemachten Erfahrungen zusammen, fällt das Fazit leider nicht zu Gunsten der Elektromobilität aus. Besonders Umwelteinflüsse potenzieren sich auf negative Weise. Ein Beispiel, das besonders hervorsticht, ist die Akkukapazität. Vergleicht man den ländlichen Raum mit den Ballungszentren müssen im ländlichen Raum in der Regel mehr Kilometer zurückgelegt sowie größere Höhenunterschiede bewältigt werden und die Temperaturen sind im Winter meist wesentlich niedriger. Dies gilt insbesondere bei der aktuell untersuchten Region, den Höhenlagen des Schwarzwaldes. Die Reichweite kann sich bei den entsprechenden Bedingungen halbieren, was zu einer starken Verunsicherung der Fahrer führt. Zusätzlich ist zu beachten, dass sich die Ladezeit bei Minustemperaturen auf das Dreifache erhöhen kann. Besonders im Winter sind die Projektergebnisse dementsprechend verheerend. Grundsätzlich positives zu berichten gibt es bei einem eingespielten Fahrbetrieb mit kurzen Strecken. Werden kritische Größen wie Temperatureinflüsse, Akkukapazität und Ladegeschwindigkeit im Zusammenhang mit dem Preis in den Griff bekommen, fügt sich diese Technik sicher gut in unsere Infrastruktur ein.
Aber auch der öffentliche Personen-Nahverkehr (ÖPNV) ist im ländlichen Raum eine wichtige Säule der Mobilität. Da dieser von Zuschüssen abhängt, ist eine Kommunikation mit den angrenzenden Kommunen in Verbindung mit den Verkehrsverbünden besonders wichtig. Über interne Analysen kritischer Verbindungen des ÖPNV werden Optimierungsvorschläge erarbeitet, die in Zusammenarbeit mit den Landkreisen umgesetzt werden können. Sollten dennoch ein nicht ausgereiftes Angebot oder kritische Strecken des öffentlichen Nahverkehrs erkennbar werden, so werden Alternativen, wie die Gründung eines sogenannten Bürgerbusvereins oder die Nutzung von Mitfahrgelegenheiten, untersucht.
In einem weiteren Projekt hat sich das Steinbeis-Transferzentrum dem Thema Parkplatzsituation für Lkw intensiv gewidmet. Denn finden die Lkw-Fahrer keinen freien Parkplatz, so müssen sie entweder weiterfahren und ihre Lenkzeit überschreiten, was dann zur Übermüdung und im schlimmsten Fall zu Unfällen führt, oder sie parken auf nicht gekennzeichneten Freiflächen. Die Überziehung der Lenkzeit wird automatisch auf dem digitalen Fahrtenschreiber dokumentiert, was zu einem Bußgeld führen kann. Um dies zu verhindern, versuchen die Fahrer oft schon deutlich vor ihrem Lenkzeitende einen geeigneten Parkplatz zu finden. Der Fahrer verliert dadurch wichtige Arbeitszeit, in der die Ware weiter transportiert werden könnte. Auch der Umweltaspekt ist nicht zu vernachlässigen. Müssen Lkw lange nach einem Parkplatz suchen, also an überfüllten Parkplätzen oft ab- und auffahren, erhöht sich der CO2- Ausstoß. Das Steinbeis-Transferzentrum ermittelte, dass ein Lkw, der pro Abend fünfmal von der Autobahn auf einen Parkplatz abfährt, einen Ausstoß von ca. 10,6 kg CO2 verursacht. Hochgerechnet auf ein Jahr entspricht dies einem CO2-Ausstoß von mehr als 3000 kg CO2 per anno und Fahrzeug. Dies entspricht einem Mehrverbrauch an Diesel von über 1.000 Liter pro Jahr.
Ein Parken auf Flächen ohne jegliche Sicherheit, also auf unbeleuchteten Parkplätzen oder fernab der Autobahn, birgt Risiken für Fahrer, Fahrzeug und vor allem Ladung: Die deutsche Versicherungswirtschaft geht für 2015 von Schäden durch Ladungsdiebstähle von rund 300 Millionen Euro pro Jahr aus. Laut einer EU-Studie wird der europaweite Schaden durch Ladungsdiebstahl auf über 8 Milliarden Euro geschätzt. Eine Unterstützung der Parkplatzplanung seitens der Disposition, zum Beispiel durch Parkplatzreservierung und/oder die Einplanung von Sicherheitsparkplätzen auf der Route, können Lösungen für eine Schadensreduzierung sein.
Letztendlich bezahlt zunächst die Spedition die Kosten für die ineffiziente Suche nach einem Parkplatz und die Mehrkosten für steigende Versicherungsbeiträge. Im Rahmen dieses EU-Projektes erarbeitete das Steinbeis-Transferzentrum Mobilität und Logistik eine Studie zum Thema Lkw-Parken in Deutschland und der EU. Hierbei wurden Fahrer, Spediteure und Parkplatzbetreiber zu ihren Prozessen, Erfahrungen und Meinungen befragt. Für die Europäische Kommission (DG Move) war es hierbei wichtig, einen reellen Überblick über die Probleme auf unseren Autobahnen zu erhalten. Die Ergebnisse sind leider ernüchternd: Die Problematik der Parkplatzsuche mit dem Lkw möchte jeder Stakeholder gelöst wissen, dafür bezahlen möchte jedoch niemand.
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Jochen Baier ist Leiter des Steinbeis-Transferzentrums Mobilität und Logistik an der Hochschule Furtwangen. Zu den Schwerpunktthemen
des Steinbeis-Unternehmens zählen Mobilitätsmanagement
und Logistikberatung sowie Prozessoptimierung.
Kay-Uwe Zimmermann ist Mitarbeiter im Projekt „Mobilität im ländlichen
Raum“ der Hochschule Furtwangen (HFU). Projektziel ist die
nachhaltige und umweltgerechte Lösung von Mobilitätsanforderungen
der HFU-Angehörigen mit Übertragbarkeit auf andere ländliche Regionen.