Marokkanische Studierende arbeiten in Automatisierungsprojekten für Unternehmen
Studierende marokkanischer Hochschulen qualifizieren sich in Spitzentechnologie aus Deutschland und realisieren dabei industrielle Automationsprojekte für deutsche und marokkanische Unternehmen: Dieses praxisorientierte Programm im Bereich Industrie 4.0 hat das Competence Center on Automation (CCoA) entwickelt, in dem sich seit Anfang 2021 führende deutsche Unternehmen der Elektrobranche engagieren. Die Projektleitung des CCoA liegt bei einem Team der Steinbeis-Hochschule, das inzwischen schon mehr als 500 Teilnehmende am Programm betreut.
Gefördert wird das CCoA durch die Sonderinitiative Ausbildung und Beschäftigung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Initiative, die unter der Marke „Invest for Jobs“ agiert, wird unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und in Kooperation mit dem marokkanischen Ministerium für Industrie und Handel umgesetzt.
Marokko etabliert sich als wichtiger Industriestandort und logistische Drehscheibe für den afrikanischen Kontinent. Ziel des CCoA war daher die Unterstützung des Wissenstransfers zu Automatisierungs- und Digitalisierungstechnologien in den industriellen Schlüsselsektoren des Landes, vor allem der Automobil- und Lebensmittelindustrie.
Zu Projektbeginn analysierte eine Studie des CCoA anhand zahlreicher Interviews mit marokkanischen Unternehmen den Automatisierungs- und Digitalisierungsgrad in ausgewählten Industrien des Landes. Die Ergebnisse der Umfrage sind ein wichtiger Impuls für die Entwicklung einer Digitalisierungsroadmap, die die marokkanische Industrie wettbewerbsfähiger und die Beschäftigung zukunftssicher machen soll.
Vernetzte Produktion und Industrie 4.0
Ein zentrales Modul des Programms war die Schulung von Multiplikatoren, darunter auch Professoren der bedeutendsten Universitäten Marokkos, in der Entwicklung und Anwendung von Methoden der vernetzten Produktion im Kontext von Industrie 4.0 mithilfe der von Phoenix Contact gestellten Plattform PLCnext. Inhalte des Lehrgangs waren neben der Inbetriebnahme von industrieller Software die Vorstellung von Architekturen, Protokollen und Entwicklungswerkzeugen für industrielle Anwendungen im Bereich Industrial Internet of Things (IIOT) oder auch Mensch-Maschine-Schnittstellen.
Götz Jäckel, der seit vielen Jahren als Dozent in der Weiterbildung zu Industrie 4.0 tätig ist, führte das CCoA-Pilotprojekt durch. Er hebt hervor, dass Technologie und Inhalte, die in den Lehrgängen vermittelt wurden, nicht auf für Entwicklungsländer typische industrielle Prozesse ausgerichtet waren. Vielmehr fanden die Trainings an Geräten statt, wie sie State of the Art der Qualifizierung bei Industrie 4.0 sind. „Die Vorbildung und hohe Qualität der universitären Ausbildung in Marokko hat mich positiv überrascht. In den Trainings hier ist kein großer Unterschied zu Lehrgängen mit Absolventen von Fachhochschulen in Deutschland zu erkennen“, so Götz Jäckel. Bemerkenswert für ihn auch: die hohe Motivation der Teilnehmenden, die ihre Wochenenden investiert haben, um neue Technologien kennenzulernen. „Diese Qualifizierung bietet eine hervorragende Grundlage für Kooperationen der beteiligten Universitäten und Bildungseinrichtungen Marokkos mit der deutschen und marokkanischen Industrie in allen Feldern der industriellen Automation“, betont auch Dr. Ardin Djalali, Projektleiter des CCoA an der Steinbeis-Hochschule.
Wissenstransfer ganz praktisch
In der nächsten Projektstufe sicherte das CCoA-Team den hohen Praxisbezug des Projekts. Es lud Industrieunternehmen aus Deutschland und Marokko ein, möglichst konkrete und praktische Aufgabenstellungen an die Hochschulen und Studierenden zu vergeben – ohne dass bei einer solchen Beauftragung für die Unternehmen Kosten oder weitere Verpflichtungen entstehen würden. Das CCoA hat so 27 namhafte Industrieunternehmen und Technologienetzwerke dafür gewinnen können, mit der Vergabe von Projektaufgaben den Talentpool in Marokko zu entdecken.
Experten für Industrie 4.0 sichteten die insgesamt 59 Projektvorschläge und leiteten sie an die beteiligten marokkanischen Bildungseinrichtungen weiter. Insgesamt haben sich rund 500 Studierende um die Teilnahme an den Projekten beworben. Mit den Ergebnissen eines unter den beteiligten Studierenden ausgeschriebenen Wettbewerbs präsentierte sich das CCoA gemeinsam mit der Non-Profit-Organisation EduNet im September 2022 auch auf einer der wichtigsten Technologiekonferenzen Marokkos, der SADASC in Marrakesch. Phoenix Contact, maßgeblicher Partner der CCoA-Schulungen und eines der führenden Unternehmen der Elektroindustrie in Deutschland, wird herausragende Projekte mit dem „Young Talents in Automation Award“ prämieren und die Teams finanziell bei der Weiterentwicklung ihrer Ideen unterstützen. John Ulrich Fimpel, der als Business Scout für den Branchenverband ZVEI das CCoA von Beginn an begleitet, beschreibt die nächsten Aufgaben des Projekts: „Wir wollen Unternehmen und Netzwerke in Deutschland dafür gewinnen, das wirtschaftliche Potenzial eines der wichtigsten industriellen Schwellenländer Afrikas ganz einfach und praktisch kennenzulernen“.
Auf der Website des CCoA finden sich Profile der Studierenden, die mit ihren Skills einen einzigartigen Talentpool für den Aufbau industrieller Kompetenzen in Marokko darstellen. Das Team des CCoA in Marokko und Deutschland bietet zudem an, entsprechende Industrieanfragen direkt an Studierende und Hochschulen zu vermitteln. Aktuell ist eine Verlängerungsphase des Projekts geplant, die gezielter Start-ups und KMU in Marokko miteinbezieht. Zudem sollen Veranstaltungen zur weiteren Kompetenzentwicklung junger Industrie-4.0-Talente aber auch zum Business Matchmaking zwischen Deutschland und Marokko angeboten werden.
Invest for Jobs
Unter der Marke „Invest for Jobs“ hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine Reihe von Angeboten gebündelt, um europäische und afrikanische Unternehmen bei ihrem beschäftigungswirksamen Engagement in Afrika zu unterstützen. Das entwicklungspolitische Ziel ist es, gemeinsam mit Unternehmen gute Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten in den derzeit acht Partnerländern zu schaffen und zu erhalten sowie die Arbeitsbedingungen vor Ort zu verbessern.
Weitere Informationen: www.invest-for-jobs.com
Competence Center on Automation (CCoA)
In das Wissenstransferprojekt des CCoA bringen sich unter anderem Unternehmen wie Siemens, Phoenix Contact, Rittal und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI ein. Als weiterer Partner organisierte die Deutsche Messe Technology Academy gemeinsam mit der Industrie und Hochschulen in Marokko rund 20 Informations- und Netzwerkveranstaltungen zu Themen der Produktionstechnologie.
Aktuelle Veranstaltungen kündigt das CCoA auf LinkedIn und seiner Website an. Interessierte können sich in der CCoA-Community registrieren, um Informationen zu den Veranstaltungen zu erhalten.
Weitere Informationen: www.competence-automation.ma
Kontakt
Hans Gäng (Autor)
Geschäftsführer
local global GmbH (Stuttgart)
Dr. Sarah Kunkel
Projektleitung Competence Center on Automation
Graduate School of Leadership & Management der Steinbeis-Hochschule (Berlin)
www.steinbeis.de/su/2232 | https://competence-automation.ma