Steinbeis-Team entwickelt Regionalkonzept für Mecklenburg-Vorpommern
Die weltweiten Wirtschaftsräume teilen aktuell drei herausfordernde Erfahrungen: Das sind die beiden Megatrends Globalisierung und Urbanisierung sowie die Konsequenzen des Klimawandels. Industrielle Ballungszentren und Megacities kennzeichnen zusehends die Wirtschafts- und Lebensstrukturen in vielen Ländern und in vielen Regionen ist die Abwanderung aus ländlichen Räumen zu beobachten. Labiler werdende Ökosysteme und regionale Wertschöpfungsketten stellen Politik und Wissenschaft vor die Frage, welche Bedeutung der Regionalwirtschaft im Hinblick auf eine nachhaltige Wirtschaft und Gesellschaft beizumessen ist und wie gleichwertige Lebensverhältnisse in ländlichen und strukturschwachen Regionen geschaffen werden können. Das Expertenteam am Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken in Stralsund hat sich im Projekt „Standort- und Mittelstandsoffensive MV“ dieser Aufgabe für Mecklenburg-Vorpommern gestellt.
Patentrezepte, sprich Strategien und Konzepte für eine ganzheitliche Regionalentwicklung, existieren nicht. Vielmehr sind Regionalentscheider gefordert, unter Berücksichtigung der Standortfaktoren tragfähige und nachhaltige Standort- und Regionalentwicklungsstrategien kooperativ auszuarbeiten und verschiedene Projektvorhaben mit ökonomischem, sozialem sowie ökologischem Nachhaltigkeitscharakter umzusetzen, denn diese drei Perspektiven ergänzen sich. [1]
Das Anliegen: Gleichwertige Lebensverhältnisse
Die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung sind bestrebt, Strategien und Konzepte für „gleichwertige Lebensverhältnisse“ zu realisieren. [2] Die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen ist ein entscheidendes Element, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und den Menschen in Deutschland die gleichen Chancen zu ermöglichen, egal wo sie leben. Denn die Lebensverhältnisse in Deutschland sind alles andere als gleich. Mehr als 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in Deutschland besteht weiterhin Verbesserungspotenzial bei den Wirtschaftsstrukturen und den Einkommensverhältnissen der Bevölkerung in Ostdeutschland: In den neuen Bundesländern bestimmen zum einen „verlängerte Werkbänke“ die Entscheidungs- und Produktionsverhältnisse und zum anderen ist die Angleichung der Löhne in vielen Branchen bis heute nicht erfolgt. Um das Ziel „gleichwertige Lebensverhältnisse“ in Ansätzen zu erreichen, stehen alle staatlichen Ebenen in der Verantwortung – von der Bundesregierung über die Bundesländer bis hin zu den Kommunen und den regionalen Entscheidern.
Zukunftsvision für Mecklenburg-Vorpommern
Im ländlich geprägten Mecklenburg-Vorpommern stehen die tradierten Unternehmen vor vielen Herausforderungen. „Neben der vielschichtigen Unternehmensnachfolge muss die Wirtschaft die digitale Transformation meistern, Fachkräfte auf einem Arbeitnehmermarkt gewinnen und globale Spannungsfelder ausgleichen“, erläutert Professor Dr. Bernhard Stütz, der mit seinem Team am Stralsunder Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken die „Standort- und Mittelstandsoffensive MV“ konzipiert hat. „Die gesellschaftlichen Fragestellungen und der Wille einer transparenten Beteiligung führen zu neuen Anknüpfungspunkten für die regionale Politik. Die Spannungsfelder und Themen sind vielfältig, doch die für uns zentrale Frage war, wie die Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern konkret gelingen kann“, ergänzt Professor Dr. Norbert Zdrowomyslaw.
Die Landesregierung sucht im Rahmen der Offensive nun die Antwort durch die Bildung von Netzwerken, Clustern und Kooperationen zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Der Zukunftsrat M-V, das Landesprojekt DigitalesMV, der Strategierat Wirtschaft-Wissenschaft oder personenbezogene Funktionen wie Digitalisierungs- oder Wirtschaftsbotschafter führen zu einer Identifikation und Beantwortung von Zukunftsfragen. Die ökologische Nachhaltigkeit ist eng mit den dezentralen erneuerbaren Energien, intelligenter Energieverteilung, nachhaltiger Mobilität, einer ressourcenschonenden Land- und Meereswirtschaft sowie Zukunftstechnologien wie maschinelles Lernen und dem grünen Wasserstoff verbunden. Gleichwohl wird auch tradierten Branchen der Wandel durch vielseitige Hilfestellungen und Best-Practice-Beispiele erleichtert. Das Bundesland eignet sich aufgrund der kurzen, persönlichen Wege hervorragend für Modellprojekte aus den Bereichen E-Government, autonom agierende Systeme oder Smart City mit einer vor Ort etablierten Forschungslandschaft.
Bei den Strategien und Maßnahmen der Standort- und Regionalentwicklung muss insbesondere ein Augenmerk auf die Optimierung der regionalen Wirtschaftskreisläufe und die Erweiterung regionaler Wertschöpfungsketten durch nachhaltige Strategien der Unternehmen gelegt werden. [1] Die Lieferkettenproblematik vor und während der Corona-Krise hat uns dies deutlich vor Augen geführt. Nachhaltige Regionalwirtschaft kann jedoch nur von Menschen gestaltet werden. Die Regionalakteure müssen global und vernetzt denken, aber regional und lokal handeln. Außerdem muss dafür Sorge getragen werden, dass die Anspruchsgruppen sich mit dem Land, den Strukturen und der Bevölkerung identifizieren. In der Phase des sechsten Kondratieff-Zyklus sind kooperative Strategien angesagt. [3] Denn die aktive Zusammenarbeit darf nicht an Kreisgrenzen enden und keine Kommunikationsbarrieren zwischen den Interessengruppen kennen. „Die Zukunft ist jetzt – packen wir es an!“ Das muss das Motto von Regionalentscheidern sein, die die Regionalwirtschaft entwickeln wollen.
Kontakt
Prof. Dr. Norbert Zdrowomyslaw (Autor)
Freier Projektleiter des Projekts „Standort- und Mittelstandsoffensive MV“
Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken (Stralsund)
Prof. Dr. Bernhard Stütz (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Projektierung und Evaluierung von Netzwerken (Stralsund)
Christian Wulf (Autor)
Projekt und Standortleitung, Büro Stralsund
Assecor GmbH (Berlin)