Steinbeis-Experten helfen die Energiewelt neu zu gestalten
Auch in Pandemiezeiten bleibt der Klimawandel eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Ein Grund mehr für Dr. Christian Schweizer, Unternehmer am Steinbeis-Beratungszentrum Akademie der Energiewirtschaft, und Clemens Pompeÿ, Geschäftsführer des Start-up-Entwicklers „The Impact Farm“, 2020 den Enerthon zu veranstalten – der digitale Innovationswettbewerb in der Energiewelt. Nicht nur die Schirmherren die deutsche Energieagentur und die französische Energieagentur ADEME, sondern auch die Sponsoren zeigen sich vom Erfolg des Projektes begeistert. Worum es bei dem Wettbewerb ging, wie groß das Interesse daran war und ob es einen Enerthon 2021 geben wird, das hat die Transfer die beiden Veranstalter gefragt.
Herr Pompeÿ, klären Sie uns auf, was steckt hinter dem Kunstwort Enerthon?
Clemens Pompeÿ: “Enerthon“ setzt sich zusammen aus den Begriffen „Energie“ und „Hackathon“. „Hacking“ ist eine kreative Art der Problemlösung unter kurzem, meist äußerst intensivem persönlichem Einsatz. Ein „Hackathon“ ist in der Regel ein zeitlich begrenzter Programmierwettbewerb, bei dem die Teilnehmer, allein oder in Teams, öffentlich oder in spezifischen Gruppen, Lösungen und Produkte für ein vordefiniertes Problem entwickeln. Wir haben das Ganze erstmals auf die Energiebranche umgemünzt.
Was genau ist beim Enerthon der Unterschied zu einem klassischen Hackathon?
Christian Schweizer: Der Trend „Hackathon“ kommt ursprünglich aus den Personalabteilungen amerikanischer Tech-Firmen. Die Unternehmen wollten mit überschaubarem Budget die besten Talente für ihre unternehmensspezifischen Herausforderungen finden, unabhängig von universitären Leistungsnachweisen oder Bewerbungsanschreiben. Bei einem „Hackathon“ erarbeiten die Teilnehmer unter künstlich erzeugtem Zeitdruck Problemlösungen. Es sollen dabei nicht Geld und Ressourcen für eine komplette Projektentwicklung verbrannt werden, sondern in sehr kurzer Zeit digitale Ideen und Annahmen schnell vorangetrieben werden. „Hackathons“ haben klare Vorteile gegenüber herkömmlichen Prozessen des Innovationsmanagements. Sie sind inklusiv, agil, fördern die multidisziplinäre Zusammenarbeit und ermöglichen kürzere Innovationszyklen, die sich besser für sich schnell ändernde Verbraucheranforderungen eignen. Diese Vorteile wollten wir mit dem Enerthon 2020 auch auf die Energiewelt übertragen. Im Gegensatz zu herkömmlichen „Hackathons“ gab es dabei eine längere Bearbeitungszeit von einem Monat. Das Ergebnis sind echte und funktionierende Prototypen, nicht nur nette Präsentationen. Besonders ist zudem, dass es sich um ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt handelt.
Geben Sie uns einen kleinen Einblick: Wie lief der Enerthon 2020 ab? Und wie hat die aktuelle Pandemie die Durchführung beeinflusst?
Clemens Pompeÿ: Ganze neun Monate haben wir der Identifikation von Aufgaben beziehungsweise Problemstellungen, den sogenannten „Challenges“, durch Industrie und Unternehmen gewidmet. Am 19. Oktober 2020 fand dann der offizielle Startschuss für den Enerthon 2020 mit der Veröffentlichung der zusammengetragenen Challenges statt. Daraufhin folgten vier Wochen schweißtreibende Sprints beziehungsweise intensive Arbeit der Expertenteams an den einzelnen Problemstellungen. Am 16. und 17. November fand schließlich das Finale und die Ergebnispräsentation während des DENA-Energiewendekongresses statt.
Christian Schweizer: Als Veranstalter traten The Impact Farm mit ihrer Erfahrung im Bereich „Hackathons“ und das Steinbeis-Beratungszentrum Akademie der Energiewirtschaft, das die wissenschaftliche Komponente und das Spezialwissen zur Energiewirtschaft lieferte, auf. Schirmherren waren die deutsche und die französische Energieagentur, zudem war der Wettbewerb im Future Energy Lab des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie verankert. Wichtig für das Gelingen eines solchen Projektes sind vor allem die Sponsoren, da sie die relevanten Fragestellungen einbringen. In unserem Fall waren das GRTgaz, ein deutsch-französischer Gas-Übertragungsnetzbetreiber, und appygas, eine Datenplattform für europaweite Daten zu Gasnetzen, sowie die VSE Verteilnetz GmbH, die eine Herausforderung aus der deutsch-französischen Grenzregion Saarland-Grand Est für den Wettbewerb eingebracht hat.
Clemens Pompeÿ: Und last but not least sind natürlich die Teilnehmer ganz wichtig, die die Aufgaben inhaltlich bearbeitet haben. Hier handelte es sich um berufstätige Professionals aus relevanten Bereichen wie Beratungen, Energie-Start-ups und Wissenschaft, die ihre Expertise eingebracht haben. Insgesamt hatten wir 61.000 Besucher auf unserer Homepage und 2.730 Social Media-Interessenten. Aus 370 Bewerbern wurden dann 42 Teilnehmer aus 17 Unternehmen ausgewählt und in sieben Teams aufgeteilt. Hätten wir Corona-bedingt von unseren Partnern nicht eine harte Teilnehmer-Obergrenze wegen der digitalen Durchführung des Finales erhalten, hätten wir deutlich mehr zugelassen.
Christian Schweizer: Wir sind stolz darauf, dass der Enerthon stattfinden konnte, trotz mehrfach geänderter Rahmenbedingungen, die wir kurzfristig umgesetzt haben. Die Vorteile digitaler Tools und von Online-Meetings haben wir von Anfang an genutzt. So konnten wir den völligen Wegfall aller physischen Veranstaltungen kompensieren und haben ein Teilnehmerfeld von mehreren Kontinenten einbinden können. Selbstverständlich freuen auch wir uns auf die Rückkehr zur Normalität, aber die Vorteile der krisensicheren Arbeitsweise werden wir auch weiterhin nutzen.
Wagen Sie zum Schluss einen Blick zurück wie auch in die Zukunft: Was haben Sie aus dem Enerthon 2020 gelernt? Wird es eine Fortsetzung geben?
Clemens Pompeÿ: Das Interesse in der Branche ist groß und virtuelle Expertennetzwerke sind ein extrem spannender Aspekt der Zukunft. Diese wollen wir auf der von The Impact Farm betriebenen Website www.loomr.io industrieübergreifend bündeln. Dadurch lässt sich Innovation auch in der Pandemiesituation vorantreiben und das als echte Alternative zu Unternehmensberatungen und Ausschreibungen. Die Zusammenarbeit von The Impact Farm und dem Steinbeis-Beratungszentrum Akademie der Energiewirtschaft hat sich als äußerst erfolgreich und zukunftsweisend erwiesen. Durch unsere professionelle Erfahrung sind wir im Stande, zukünftige Innovationswettbewerbe jeglicher Art zu organisieren. Durch das Steinbeis-Beratungszentrum als kompetenten Partner in Sachen Wissenschaft können zudem Lehrgänge, Studien und zahlreiche andere Weiterbildungsmöglichkeiten angeboten werden.
Christian Schweizer: Für kommendes Jahr planen wir den Enerthon 2021 mit mehr Unternehmen, mehr Challenges und wahrscheinlich auch unter Beteiligung weiterer Länder durchzuführen. Dabei werden wir von Beginn an alles digital planen, freuen uns aber natürlich, wenn zusätzlich physische Veranstaltungen stattfinden können. Die bisherigen Teilnehmer wie auch Sponsoren haben uns das Feedback gegeben, dass dieses Format als Hybrid aus Marketing und schneller Entwicklung von Ergebnissen dem Zeitgeist entspricht: Die ergebnisorientierte Vermarktung ist das Ziel. Virtuelle Expertennetzwerke wie der Enerthon sind ein extrem spannender Aspekt. Wir haben gesehen, dass sich Innovation auch in der Pandemiesituation vorantreiben lässt. Mitarbeiter von Unternehmen wie auch staatliche und kommunale Akteure haben selbst erlebt, dass die Vorhaben weiter vorangebracht werden müssen. Im Zweifel auch von zu Hause aus. Sie haben gesehen, dass es Alternativen zu klassischen Unternehmensberatungen und auch zu langatmigen und somit teuren Ausschreibungsprozessen gibt. Jetzt geht es darum, dass in der Zeit nach der Pandemie in den Unternehmen diese neue Erfahrung gelebt wird. Genau dafür bauen wir die loomr-Website auf.
Clemens Pompeÿ: Da wir während des Enerthons auch von anderen, europäischen Energieagenturen angesprochen wurden, möchten wir das Format Enerthon weiter internationalisieren. Allerdings behutsam: Wir wollen nach und nach weitere Länder integrieren. Wir sind davon überzeugt, dass die Energiewende nur auf europäischer, grenzübergreifender Ebene umgesetzt und gelebt werden kann. Genau darum geht es und genau dies wurde uns auch als Feedback zurückgespielt. Nun freuen wir uns im ersten Schritt auf die Interessenten aus Industrie, Politik und Wissenschaft für Challenges für den Enerthon 2021!
Zum Weiterlesen: LESS TALK, MORE DO: DIE ENERGIEWIRTSCHAFT NEU DENKEN
Ein Steinbeis-Team und The Impact Farm organisieren für zwei Energieagenturen einen Sprint-Wettbewerb zur Digitalisierung der Energiewirtschaft
Weitere Informationen zum Enerthon finden Sie unter www.enerthon.com.
Kontakt
Dr. Christian Schweizer (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Beratungszentrum Akademie der Energiewirtschaft (Filderstadt)
Clemens Pompeÿ (Autor)
Geschäftsführer
The Impact Farm (Berlin)
210499-41