Mannheimer Forscherteam entwickelt Messtechnik zur strukturellen und stofflichen Unterscheidung von Oberflächen
Ob eine Oberfläche grob verschmutzt ist, lässt sich auf einen Blick erkennen. Der umgekehrte Fall ist um einiges schwieriger. Wie lässt sich feststellen, ob eine Fläche tatsächlich sauber ist oder nicht doch noch Reste von beispielsweise Fettfilmen, Reinigungsmitteln, Biofilmen und mikrobieller Belastung vorhanden sind? Wie diese Frage auch für die Kriminologie beantwortet werden kann, hat das Forschungszentrum für Massenspektrometrie und optische Geräteentwicklung (CeMOS) an der Hochschule Mannheim gemeinsam mit dem Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen und mittelständischen Partnern aus der Wirtschaft in einem Entwicklungsprojekt gezeigt.
Im Fokus des Projekts stand die Entwicklung eines Messsystems zur Strukturvermessung und darauf aufbauend der Bau eines Gerätes zur qualitativen Kontrolle von Oberflächenstrukturen. Entstanden ist ein lasermikroskopischer Scanner, der Oberflächen spektral vermessen kann.
CeMOS als größtes Hochschulinstitut für angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg erarbeitet seit vielen Jahren Lösungen für die Medizintechnik, Bildverarbeitung, messtechnikbasierte Materialentwicklung und vor allem in der optischen Gerätetechnik. Das Team am Steinbeis-Transferzentrum erweiterte die Grundlagenentwicklung des CeMOS mit einem industriell durchentwickelten Vorserienprototyp, der über das Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen kommerziell erworben werden kann.
Doch wie funktioniert nun der Oberflächen-Scan? „Die entwickelte Messmethode ist dadurch charakterisiert, dass ein Laserstrahl durch ein komplexes optisches System über der Probe ausgelenkt wird. Die Probe absorbiert teilweise das Laserlicht, ein weiterer Teil wird reflektiert und von einem Detektor erfasst. Daraus resultiert ein Messsignal“, erläutert Professor Dr. Matthias Rädle, Leiter des CeMOS und Unternehmer am Steinbeis-Transferzentrum. Das Signal ist stark von der Probe und deren Absorptionseigenschaften abhängig. Zur stofflichen Unterscheidung eignet sich besonders gut das Infrarotlicht: Es ist für das menschliche Auge nicht sichtbar und hinterlässt beim gesamten Scanvorgang weder Spuren noch Änderungen an der Probe. Durch die Verwendung verschiedener spezifischer Laserwellenlängen ist neben der Erfassung unterschiedlicher Strukturen auch eine molekulare Differenzierung möglich.
Kontaktloses Vermessen von Fingerabdrücken
Durch seine Eigenschaften ist der Scanner in der Lage Fettspuren zu erkennen. Dies ist in der Kriminologie von großer Bedeutung und kann die Daktyloskopie deutlich unterstützen: Damit ist die Auswertung menschlicher Fingerabdrücke gemeint, die für jeden Menschen individuell, einzigartig, unveränderbar und dementsprechend auch klassifizierbar sind. Die Daktyloskopie stellt eine wissenschaftlich und rechtswissenschaftlich anerkannte Methode zur Personenidentifikation dar. Der Fingerabdruck kommt dabei durch ausgeschiedenes Körperfett oder durch die Umwelt aufgenommenes Fett zustande. Die einzelnen Linien im Fingerabdruck, die sogenannten Papillarlinien, hinterlassen eine einzigartige Fettstruktur auf angefassten Oberflächen. „Die von uns entwickelte Technik hat den großen Vorteil, dass Fingerabdrücke auf unterschiedlichen Untergründen ohne Präparation kontaktlos vermessen und aufgenommen werden können. Konventionelle Methoden zur Erfassung, wie zum Beispiel das Einstäuben im Adhäsionsverfahren, führen dagegen zu direkten irreversiblen Schäden am Fingerabdruck“, macht Professor Dr. Carsten Hopf, ebenfalls Leiter am CeMOS, deutlich.
Durch die kontaktlose Aufnahme sind im Nachgang weitere Untersuchungen der unveränderten Probe oder erneute Scans möglich. Außerdem muss der Fingerabdruck im Adhäsionsverfahren digitalisiert und in die Datenbank eingelesen werden, um dann mit bereits aufgenommenen Abdrücken verglichen zu werden. Der entwickelte Scanner dagegen könnte die Aufnahmezeiten von Fingerabdrücken in Polizeilaboren erheblich reduzieren und einen direkten Abgleich des digitalen Bildes mit der Datenbank ermöglichen. Zusätzlich ist der Scanner bei der Probenvermessung in der Lage eine dreidimensionale Einschätzung des Fingerfettes zu geben. Das würde die Verwendung von neuen Merkmalen zur eindeutigen Identifizierung eines Fingerabdruckes ermöglichen.
Qualitätskontrolle auf molekularer Ebene
Aber nicht nur in der Daktyloskopie, sondern auch in der Oberflächenqualitätskontrolle kann die entwickelte Scantechnik Verwendung finden. Die Qualitätskontrolle ist ein wichtiger Bestandteil in jedem produzierenden Gewerbe, dient sie doch der Überprüfung eines Produktes, das gewissen Anforderungen gerecht werden soll. Die Kontrolle hängt dabei stark von dem zu verifizierenden Produkt ab. Zur Vermessung des zu untersuchenden Materials werden kontaktlose Methoden bevorzugt, die keine Änderungen am Produkt vornehmen. Denn eine Veränderung würde bedeuten, dass das Produkt nicht mehr für weitere Kontrollverfahren oder eine Weiterverarbeitung verwendbar ist.
Der vom Projektteam entwickelte Scanner ist dabei nicht nur in der Lage strukturelle Unterschiede festzuhalten, sondern kann auch molekulare Unterschiede selektieren. Das ermöglicht beispielsweise die Detektion dünner Ölfilme auf reflektierenden Untergründen. Die Fähigkeit sehr hohe Auflösungen in niedriger Scanzeit zu erzielen stand bei der Entwicklung im Fokus, denn eine hohe Scanauflösung von wenigen Mikrometern ermöglicht es, kleinste Strukturen auf einer Oberfläche zu erkennen und digitalisiert darzustellen.
Der Scanner hat beim Vermessen eine Eindringtiefe von bis zu 150 µm und erfasst auch das Höhenprofil der Probe. Die erhaltenen Informationen eines Scans können also nicht nur in ein zweidimensionales Bild überführt werden, sondern ermöglichen auch die räumliche Einschätzung der gescannten Fläche. Das geht so weit, dass mithilfe des Scanners durch dünne Kunststoffe wie beispielsweise PVC-Tape (Polyvinylchlorid) hindurchgeschaut werden kann. Das Team hat zur Veranschaulichung eine Zwei-Euro-Münze mit PVC-Tape so abgeklebt, dass der Euro-Schriftzug verdeckt ist, und die Münze anschließend vermessen. In den Scanergebnissen ist bereits schwach zu erkennen, was durch das PVC-Tape verdeckt ist. Für einen besseren Eindruck sorgt eine nachgeschaltete Bildverarbeitung. Sie arbeitet die gescannten Bilddaten für das Auge so auf, dass nicht nur der Euro-Schriftzug klar zu erkennen ist, sondern auch die Strukturen, die auf der Münze abgezeichnet sind. Diese Untersuchung ist auch für Leiterplatinen möglich. Hierfür werden Teilbereiche der Platine mit PVC-Tape abgeklebt. Dieses Experiment verdeutlicht, dass die entwickelte Scantechnik die Platinenstruktur und sogar Leiterbahnen im Inneren der Platine erfassen und visualisieren kann.
Die Scanner-Entwicklung des Mannheimer Forscherteams stellt damit nicht nur in der Qualitätskontrolle eine Alternative für eine schnelle und hochauflösende Oberflächenerfassung dar, sondern überzeugt auch bei der Unterstützung der Kriminaltechnik. Weitere Anwendungsbereiche und Möglichkeiten, den Scanner optimal einzusetzen, kommen täglich hinzu und werden auch in Zukunft noch weiter erforscht. Außerdem ist die Optimierung des verkaufsfertigen Serienmodells geplant.
Kontakt
Prof. Dr. Matthias Rädle (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Intelligente Industrielösungen (Mannheim)
Prof. Dr. Carsten Hopf
Leiter
Forschungszentrum CeMOS (Center of Mass Spectrometry and Optical Spectroscopy) der Hochschule Mannheim
www.cemos.hs-mannheim.de
Sehr geehrter Herr Prof. Rädle,
sehr geehrter Herr Prof. Hopf,
wäre die von Ihnen entwickelte Scantechnik geeignet, die Prägung einer Münze (z.B. das Prägejahr) zu erfassen und innerhalb einer Datenbank als ganze Zahl zu hinterlegen?
Vielen Dank.
Mit besten Grüßen
Michael Kaufmann
Lieber Herr Kaufmann,
wir haben Ihnen direkt per Mail geantwortet.
Liebe Grüße vom Steinbeis Transfer-Team