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„Es ist wichtig, dass jeder Einzelne die Möglichkeit hat, das Verständnis für eine Technologie zu entwickeln“

Im Gespräch mit Stefan Lob, Geschäftsführer der Praxis für Führung – X.0 GmbH

Es ist kein Geheimnis, dass neue Technologien trotz der Chancen, die sie bieten, nicht selten mit Misstrauen betrachtet werden. Auch wenn viele Menschen Innovationen im Gesundheitsbereich gegenüber nicht abgeneigt sind, gibt es dennoch Bedenken. Wie man mit den Vorbehalten umgehen kann und warum die kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen hilfreich sein kann, das hat die TRANSFER Stefan Lob, Geschäftsführer der Praxis für Führung – X.0 GmbH, gefragt. Seit einigen Jahren begleitet er junge Unternehmen, die digitale Lösungen für den Gesundheits- und Hausbereich einsetzen, um Patienten mit den Ärzten und Leistungserbringern zu vernetzen. Bei der zweiten #techourfuture-Veranstaltung „Zukunft Gesundheit” hat Stefan Lob den Track „Gesundheit im Alltag” moderiert.

Herr Lob, warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, die Gesellschaft über Zukunftstechnologien zu informieren?

Digitalisierung prägt immer mehr unser Leben, in allen Altersbereichen und über alle Berufsgruppen und private Gruppen hinweg. Es muss uns daher gelingen, in Deutschland möglichst viele Menschen bei der Digitalisierung mitzunehmen und vor allem das Vertrauen der Menschen dafür zu gewinnen – natürlich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Und das ist eine große Herausforderung. Dazu gehört auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema. Ich glaube, es ist wichtig, dabei die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, deren Interessen, aber auch die individuellen Anwenderkenntnisse zu berücksichtigen.

Welche Vorbehalte gegenüber Zukunftstechnologien begegnen Ihnen im Rahmen Ihrer Arbeit?

Im beruflichen Kontext habe ich viel mit Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen – von der Pflege bis hin zur Medizin – zu tun, die wir bei der Digitalisierung unterstützen. Konkret bedeutet das, dass wir zum Beispiel kleine digitale Lösungen zur Kommunikation zwischen Pflegeangehörigen und der ambulanten Pflege entwickeln, oder auch die Software, die Telemedizin und Televisite ermöglicht, also Kommunikation zwischen Patienten und Arzt. Hier wird auf der Seite der Leistungserbringer, also Pflege und Ärzte, vieles positiv gesehen, aber es gibt auch kritische Vorbehalte, zum Beispiel im Hinblick auf die sichere Datenhaltung. Genauso gibt es diese Vorbehalte auch auf der Seite der Patienten. Ich in meiner Rolle als Patient sehe sehr wohl die Vorteile einer digitalen Fallakte, auf die zum Beispiel der Arzt, der Physiotherapeut und ich Zugriff haben. Diese Möglichkeit gab es bis dato gar nicht, außer in großen Kliniken, wenn mehrere Fachgruppen zusammenarbeiten. Ich habe aber, genauso wie viele andere Patienten, Bedenken bezüglich des Datenschutzes: Was passiert, wenn die Daten in falsche Hände geraten? Es ist wichtig, dass jeder Einzelne die Möglichkeit hat, das Verständnis für eine Technologie zu entwickeln sowie deren Chancen und Risiken abzuwägen. Es ist wichtig, Menschen dabei zu unterstützen, aber auch deren Ängste zu berücksichtigen. Wir müssen aber ehrlich sein und sagen: Eine 100 %ige Sicherheit gibt es nicht. Aber man strebt eine 99 %ige Sicherheit an, die man mit bestimmten technischen Lösungen erreichen kann.

Wir haben aktuell ein Projekt mit der Diakonie Baden, in dem wir für pflegebedürftige Menschen, deren Angehörige und den ambulanten Pflegedienst eine Art WhatsApp entwickeln. Wir gehen dabei ganz konkret auf die Bedürfnisse der pflegebedürftigen Menschen und deren Angehörigen ein. Aktuell werden 75 % der Pflegefälle in Deutschland zu Hause von den Angehörigen, zum Teil mit Unterstützung der ambulanten Pflegedienste, gepflegt. Natürlich gibt es viele Fragen von allen Seiten, da kann Whats­App schon eine Hilfe sein. Allerdings wollen viele keinen Dienst nutzen, der aus den USA kommt, sondern einen von einem europäischen Anbieter. Und hier kommen wir mit unserer Entwicklung ins Spiel, bei der wir uns stark an dem Wunsch der Anwender orientieren.

Gibt es andere Vorbehalte, zum Beispiel Angst vor technischem Versagen? Haben Sie den Eindruck, man vertraut der Technik weniger als den Menschen?

Es ist wahrscheinlich weniger das technische Versagen, sondern eher fehlende technische Erfahrungen beziehungsweise negative Erfahrungen, die man bereits gemacht hat. Wenn wir Telemedizin als Beispiel nehmen, bei der die Videoübertragung trotz mehrerer Versuche an der Bandbreite scheitert und nur ein Telefongespräch zwischen dem Arzt und Patienten möglich ist, dann kann es schon sein, dass der Patient die Telemedizin nicht mehr in Anspruch nehmen wird. Die technischen Voraussetzungen sind sehr wichtig. Und manchmal, besonders bei älteren Patienten, braucht man jemanden, der die Technik, den ganzen Vorgang erklärt. Das haben die Erfahrungen aus anderen Projekten deutlich gezeigt.

Welche neuen Technologien in den Bereichen Gesundheit und Medizin würden Sie selbst anwenden und auch für sich akzeptieren? Und welche würden Sie vielleicht für bestimmte Bereiche ausschließen?

Wenn wir beim Thema Telemedizin bleiben, so habe ich diese schon öfters genutzt: Ich bin im Rettungsdienst aktiv und wir haben immer wieder Fälle, bei denen wir beim Patienten vor Ort sind und der Telenotarzt von der Leitstelle zugeschaltet wird. Dank dieser Interaktivität können wir den Patienten, trotz der physischen Abwesenheit des Notarztes, besser behandeln und uns rückkoppeln. Im Bereich der Pflege habe ich auch schon die ersten positiven Erfahrungen mit dem Einsatz der ersten Roboter in stationären Pflegeeinrichtungen gemacht. Es gibt noch weitere neue Entwicklungen im Bereich der Operationstechnologien etc. Natürlich dürfen diese neuen Technologien nicht dazu führen, dass der Patient gar keinen oder noch schwieriger einen Termin bei seinem vertrauten Hausarzt oder beim Facharzt bekommt. Denn manchmal braucht man doch ein persönliches Gespräch und nicht das per Bildschirm.

Ich glaube, dass wir mithilfe der Telemedizin und Digitalisierung das Gesundheitswesen effektiver gestalten können, dass wir durch die Digitalisierung viele Prozesse so verändern können, dass das vorhandene Personal tatsächlich mehr Ressourcen bekommt, um am Patienten zu arbeiten. Davon bin ich überzeugt. Des Weiteren glaube ich, dass wir mithilfe der Digitalisierung eine zufriedenstellende Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum erreichen können. Ich bin überzeugt, dass Digitalisierung in diesem Bereich mehr Chancen als Risiken bietet.

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Stefan Lob (Autor)
Geschäftsführer
Praxis für Führung – X.0 GmbH (Ludwigsburg)