Kollaborative Zusammenarbeit im Problemlösungssprint als Weg zu abgestimmten Entscheidungen
Durch das sich beschleunigende Tempo des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Wandels werden Unternehmen und ihre Mitarbeiter vor permanent neue Herausforderungen gestellt. Zwar gibt es nicht die eine Methode, um alle diese Herausforderungen bei der Lösung von Problemen sofort zu überwinden, es gibt aber ein kollaboratives Werkzeug, das bei vielen Entscheidungsproblemen helfen kann: den von AJ & Smart entwickelten Lightning Decision Jam oder auch Problemlösungssprint. Wie dieser in der Praxis umgesetzt werden kann, erklärt Wolfgang Natzke vom Steinbeis-Transfer-Institut Business Management and Innovation.
Die Herausforderungen, denen sich ein Unternehmen in einer zunehmend komplexer werdenden Welt immer wieder aufs Neue stellen muss, werden oft unter dem Akronym VUKA zusammengefasst: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die von Unternehmen zu lösenden Probleme immer schneller verändern sowie größer und komplexer werden. Vor diesem Hintergrund hat das World Economic Forum in seinem Bericht „The Future of Jobs“ die Fähigkeit „komplexe Probleme zu lösen“ an die erste Stelle der wichtigsten Fähigkeiten für Mitarbeiter im Jahr 2020 gesetzt. Aber nicht nur die zu lösenden Probleme werden schwieriger, auch kognitive Verzerrungen sowie Unzulänglichkeiten in der Teamdiskussion erschweren die Entscheidungsfindung.
Es existieren mehrere Methoden, die Unternehmen bei der Lösung von Problemen unterstützen. Eine davon ist der Problemlösungssprint, der zudem eine gute Einstiegsmöglichkeit darstellt, um die Problemlösungsfähigkeiten von Mitarbeitern und Teams zu verbessern und dabei kognitive Verzerrungen und Kommunikationsmängel zu reduzieren. Der Steinbeis-Experte Wolfgang Natzke hat zusammen mit Dr. Marcus Liehr (zagmates GmbH) und Maren Fischer (Freshworks) einen Workshop konzipiert, um die Problemlösungssprint-Methode in der Praxis anwenden zu können.
Problemlösungssprint: Von Herausforderungen über Lösungen zu Entscheidungen
Der Problemlösungssprint ist ein strukturierter und moderierter Workshop mit einem klar definierten Prozessablauf. Ziel ist es, innerhalb kurzer Zeit mit einem Team die relevanten Herausforderungen einer Aufgabe zu identifizieren, Lösungen zu generieren und Entscheidungen zu treffen. Dabei durchläuft das Team während des Workshops insgesamt vier Phasen. Diese sind mit klaren Zeitvorgaben versehen, so dass der Workshop je nach Teamgröße und Thementiefe zwischen 30 und 90 Minuten dauert. Zudem sollten einige Regeln während des Workshops beachtet werden. Eine der wichtigsten Regeln lautet, dass die Teilnehmer in dem Workshop ein gemeinsames Ziel verfolgen, jedoch arbeitet jeder Einzelne in bestimmten Phasen für sich alleine. Daher wird im Workshop zum Teil nicht miteinander gesprochen, sondern jeder hält für sich seine Gedanken und Ideen auf Post-its fest. Durch diese Regel soll verhindert werden, dass der Workshop von einzelnen Teilnehmern dominiert wird. Stattdessen soll der Input aller Teilnehmer auf Basis der Qualität bewertet werden und nicht aufgrund des jeweiligen Urhebers. Nicht zuletzt aufgrund dieser Regel ist der Problemlösungssprint nicht nur für Vor-Ort-Workshops, sondern auch für eine virtuelle Durchführung mit digitalen Whiteboards geeignet. Wie das Werkzeug funktioniert, zeigt das nachfolgende Beispiel.
Den Vertrieb pushen mit Hilfe des Problemlösungssprints
In der ersten Phase des Sprints geht es darum, alle für die Lösung des Problems relevanten Informationen zu erfassen. Dabei kommt die sogenannte „Segelboot-Übung“ zum Einsatz. Entsprechend der Analogie wird zunächst mit den Aspekten begonnen, die das Boot voranbringen – der Wind in den Segeln. Hierzu notiert jeder Teilnehmer zunächst für sich auf Post-its alle Punkte im Unternehmen, die die Erschließung eines neuen Vertriebskanals voranbringen, zum Beispiel „Wir haben vor zwei Jahren erfolgreich einen anderen neuen Vertriebsweg erschlossen“. Die Post-its werden anschließend am Whiteboard angebracht.
Im nächsten Schritt werden wiederum auf Post-its eine Vielzahl an Punkten festgehalten, die das Unternehmen hinsichtlich des Themas ausbremsen, zurückhalten oder ihm schaden können – der Anker des Segelboots. Je nach Klarheit der ursprünglichen Themenstellung kann es hilfreich sein, dass alle Teilnehmer zudem die Zielstellung weiter präzisieren, zum Beispiel Steigerung des Umsatzes um einen bestimmten Wert innerhalb eines Jahres. In dem Bild des Segelboots wäre dies der zu erreichende Hafen. Um das Thema umfassend zu erfassen, kommt es darauf an, dass die Teilnehmer in dieser Phase des Workshops eine Vielzahl an Punkten erfassen und sich nicht durch erhöhtes Anspruchsdenken selber hemmen, daher gilt hier „Quantität vor Qualität“.
Da es bei diesem Workshop um die Lösung eines Problems geht, wird im nächsten Schritt das wichtigste Problem ausgewählt, das dem Unternehmen bei der Erschließung eines neuen Vertriebskanals im Weg steht. Auch in dieser Phase wird nicht gesprochen. Stattdessen wählt jeder Teilnehmer für sich die wichtigsten Probleme aus, indem er die entsprechenden Post-its mit Klebepunkten markiert. Die weiteren Phasen des Workshops konzentrieren sich auf das Problem, das die meisten Klebepunkte erhalten hat. Im Beispiel der Erschließung eines neuen Vertriebskanals könnte beispielsweise das Hauptproblem darin bestehen, dass das Unternehmen in diesem neuen Vertriebskanal bislang keinerlei Erfahrungen hat.
Ziel der dritten Workshop-Phase ist es, möglichst viele Ideen zu erzeugen, wie das in Phase zwei identifizierte Hauptproblem gelöst werden kann. Zum Abschluss des Workshops, in der Phase vier, geht es um die Umsetzung der besten Ideen. Hierzu werden zunächst die in der vorherigen Phase generierten Ideen priorisiert. Dies erfolgt wie im zweiten Schritt mit Klebepunkten. Anschließend werden die besten Lösungen in einer 2×2-Matrix entsprechend der erwarteten Auswirkungen und Aufwände positioniert.
Für die Lösungen, die mit relativ geringem Aufwand große Auswirkungen erzeugen, werden zum Abschluss des Workshops umsetzbare Maßnahmen abgeleitet. In Abhängigkeit von der Problemstellung kann es sinnvoll sein, diese Maßnahmen als zeitlich befristetes Experiment zu formulieren, um zunächst mit geringem Aufwand die Wirksamkeit der Maßnahmen zu prüfen. In dem vorgestellten Beispiel könnten daher zunächst innerhalb von zwei Wochen Interviews mit Kunden durchgeführt werden, die über diesen Vertriebskanal kaufen.
Vorteile des Problemlösungssprints
„Der wesentliche Vorteil unserer Workshop-Lösung besteht darin, dass innerhalb kurzer Zeit greifbare und nachvollziehbare Problemlösungen generiert werden können. Dies gilt insbesondere im direkten Vergleich zu offenen und unstrukturierten Diskussionen in Meetings, die häufig ergebnislos enden oder thematisch in die ‚Warteschlange‘ geschoben werden“, so Steinbeis-Unternehmer Wolfgang Natzke. Da sämtlicher Input beim Problemlösungssprint schriftlich erzeugt wird, gehen zudem keine Ideen verloren, sondern können zu einem späteren Zeitpunkt weiterverfolgt werden. Weiterhin werden durch die Struktur und die Regeln dieses Workshops zahlreiche Verzerrungen, die sich negativ auf die Entscheidungsfindung auswirken können, beseitigt oder zumindest minimiert. Um die Problemlösungsfähigkeiten im Unternehmen beziehungsweise in Teams zu stärken, ist es jedoch sicherlich nicht genug, ab und zu einen solchen Problemlösungssprint durchzuführen. Vielmehr sollte er fester Bestandteil bei der kollaborativen Lösung von Problemen werden.
Kontakt
Wolfgang Natzke (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transfer-Institut Business Management and Innovation (Porta Westfalica)
www.steinbeis-bmi.de
Dr. Marcus Liehr (Autor)
Geschäftsführer
zagmates GmbH (Halle/Westfalen)
Maren Fischer (Autorin)
Geschäftsführerin und Gründerin
Freshworks (Paderborn)