Steinbeis entwickelt mit Isocoll Chemie ein elastomerisches Beschichtungssystem auf Basis von gefülltem Butylkautschuk
Der Bedarf an neuen Werkstoffen und Materialien mit vordefinierten elektrochemischen und mechanischen Eigenschaften steigt rapide an, da die bisherigen Stoffe aktuelle ökologische Anforderungen nicht erfüllen. Interessant sind vor allem natürliche und insbesondere synthetische Kautschukpolymere, deren Eigenschaften durch modifizierte Füllstoffe und Herstellungsverfahren verändert werden können. Butylkautschuk aus künstlichen Synthesekautschukarten ist in vielerlei Hinsicht anderen synthetischen Kautschukarten und auch Epoxiden und Silikonen weit überlegen. Das Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation in Dresden und die Isocoll Chemie GmbH haben ein Butylkautschukgemisch entwickelt, das hohen elektromagnetischen Abschirmungsansprüchen genügt.
Mit einem geringen Schubmodul und damit einer geringen elastischen linearen Verformung ist Butylkautschuk kein Strukturklebstoff und findet als Kleb-, Beschichtungs- und Dichtmittel in Bereichen wie Automotive, Klima, Lüftung, Metallbau, in der Bau- und Isolierglasindustrie und bei Solarmodulen seinen Einsatz. Selbst als Korrosionsschutz für Brückenseile und Brückenelemente findet Butylkautschuk Anwendung. Durch Füllstoffe lassen sich die Eigenschaften der Butylkautschukdichtmasse anwendungsorientiert verändern, was neue Einsatzmöglichkeiten eröffnet. So lässt sich der spezifische elektrische Widerstand beispielsweise von Naturkautschuk durch das Einmischen metallischer Partikel auf die Werte von 1012 Ωcm bis < 2 MΩ einstellen.
Butylkautschuk unter der Lupe
In einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt mit der Isocoll Chemie GmbH hat das Team am Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation durch die Einbettung mineralischer/metallischer Füllstoffe ein Butylkautschukmaterial entwickelt, das korrosionsschützende, elektrisch leitfähige und elektromagnetisch abschirmende Eigenschaften hat. Ziel des Projekts war es, neue Einsatzmöglichkeiten für das Butylkautschukmaterial nachzuweisen, indem mit implementierten Füllstoffen im Butylkautschuk die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) anwendungsorientiert verändert wurde. Dazu hat das Projektteam elektrisch hochleitende und anti-korrosive Füllstoffe wie beispielsweise Ruß, Grafit, Aluminium, Kupfer, Nickel und Eisen in das Butylkautschukmaterial implementiert. Neben der EMV-Abschirmung wurde die adhäsive Verhaltensweise des bearbeiteten Butylkautschuks gegenüber Oberflächen von technischen Metallgehäusen untersucht (Korrosion). Die Anwendungsbedarfe sind zahlreich: Sie betreffen Beschichtungen auf elektrischen Modulen mit elektromagnetisch abschirmender Wirkung, elektromagnetische Gehäuse-/Modulabschirmung und korrosionsschützende Beschichtungen mit ladungsableitender Eigenschaft zwischen gefügten Blechen.
Das entwickelte Butylkautschukmaterial wurde in Testaufbauten ausgiebig auf seine korrosiven, elektromagnetisch abschirmenden Eigenschaften hin untersucht und bewertet. Gemeinsam mit Isocoll Chemie führte das Steinbeis-Team dazu umfangreiche werkstofflich-technologische Untersuchungen durch. Für die EMV-Abschirmungen galt es, das Dichtungsmaterial mit Partikeln zu implementieren. Ausgewählt wurden Füllstoffe mit bevorzugt diamagnetischen Eigenschaften und geringer Remanenz. Auf die technologischen Bedingungen von Isocoll Chemie angepasst wurden dem Butylkautschuk Ruß, Grafit, Kupfer und Aluminium in festgelegten Mengen und Formgeometrien beigemischt. Metallische Sandwichstrukturen, gefüllt mit Butylkautschuk-Varianten, wurden thermisch durch Laserschweißen gefügt. Anschließend waren die Proben in angefertigten Gehäuseboxen dem Einfluss künstlicher Alterung und korrosiver Belastung ausgesetzt.
Füllstoffe beeinflussen die elektrische Leitfähigkeit
Mit definierten Mess- und Prüfverfahren wurden die elektrische Leitfähigkeit und elektromagnetische Abschirmung in Abhängigkeit von den Probendicken, der Art und Größe der eingebetteten Füllstoffpartikel und deren Mengenverhältnisse in der Butylkautschukfüllmasse bestimmt. Die Messungen der elektrischen Leitfähigkeit erfolgte anhand der Ermittlung des Materialwiderstands, der sogenannten Real- und Imaginär-Impedanz. Die Impedanz ist ein wichtiger Parameter zur Charakterisierung elektronischer Schaltungen, Komponenten und Materialien, aus denen Bauteile hergestellt werden. Als Messmethode kam die RF I-V-Methode zum Einsatz. Die Messungen ergaben für zwei Füllstoffmischungen die niedrigsten Werte: zum einen eine Mischung aus Butylkautschuk und 5% Grafit, 45% Cu CH S24 sowie 10% Cu CH-L7 E10, zum anderen Butylkautschuk, Ruß und Grafit im Verhältnis 1:3 mit einer Aluminiumfolie. Das Implementieren elektrisch leitfähiger Füllstoffpartikel erhöhte die elektrische Leitfähigkeit des Butylkautschukmaterials stark. Abhängig von Füllstoffart und Materialkombination reduzierten sich die Werte des elektrischen Widerstandes im Vergleich zu ungefülltem Butylkautschukmaterial um 99,99%.
Abschirmungswirkung lässt sich stark erhöhen
Neben der elektrischen Leitfähigkeit untersuchte das Forschungsprojekt auch die Abschirmungswirkung der Butylkautschukproben. Hier fanden die Messungen mit Hilfe der Transmission des Reflexions-Messverfahrens statt. Aus den Materialparametern wurde dann die Schirmdämpfung berechnet. Für die Bestimmung der notwendigen Materialparameter wurden die Proben in eine koaxiale Messzelle eingebracht und mit einem Netzwerkanalysator vermessen. Die Messungen haben für alle untersuchten Proben sehr gute Resultate nachgewiesen: Sie zeigen eine Veränderung der Butylkautschuk-Abschirmungseigenschaften, so erhöhte sich der Abschirmwirkungsgrad (SE) bei Butylkautschukmaterial von etwa 0 auf 55 dB. Diese Modifikation resultiert aus der Zugabe von Füllstoffpulverpartikeln und Aluminiumfolie zur Butylkautschukfüllmasse. Die Implementierung von Füllstoffpartikeln ohne eine zusätzliche metallische Folie brachte ebenfalls sehr gute Abschirmungswerte, der maximale SE-Wert lag bei 14 dB bei Proben mit Butylkautschuk und 45% Grafit. Durch die Zugabe eines hohen Anteils der hoch elektrisch leitfähigen Materialien wie Kupfer-, Aluminium- und Grafitpulver sowie durch die aufgebrachte Aluminiumfolie erzielten die Mischproben sehr gute Ergebnisse. Eine Veränderung der Pulverkorngröße und deren Mengenverteilung in der Butylkautschukmatrix brachte eine weitere Verbesserung der Abschirmeigenschaften.
Auch der Einsatz von hoch elektrisch leitfähigen Materialfasern, wie Kupfer- und Aluminiumfasern, als Füllstoffe führt zu guten Abschirmungswerten. Werden Füllstoffmaterialien mit hoher Permeabilität eingesetzt, können die elektromagnetischen Absorptionseigenschaften verbessert und gleichzeitig die Reflexionswerte beibehalten werden. Gegenüber dem ungefüllten Butylkautschukmaterial erreichte das Projektteam so eine positive Veränderung der Butylkautschuk-Abschirmungseigenschaften von 96 bis 99,999 %.
Steinbeis und Isocoll Chemie haben die gesetzten Projektziele erreicht – ein Erfolg für das Team auf der ganzen Linie: Die Implementierung von elektrisch leitfähigen Füllstoffpartikeln in Butylkautschuk-Einbettungsmassen hat die erhofften elektromagnetischen EMV-Eigenschaften sowie die korrosionsschützenden und fügetechnischen Eigenschaften gebracht. Und ganz nebenbei haben die für den Nachweis der erzielten Ergebnisse aufgebauten Demonstratoren ebenfalls zu Erkenntnissen geführt. „Wir haben einen tieferen Einblick in die prinzipiellen Verarbeitungsmöglichkeiten dieser Demonstratoren durch Umformen, Schweißen und Löten und die zu erwartenden Effekte hinsichtlich der elektromagnetischen Abschirmungen bekommen“, fasst Steinbeis-Unternehmer PD Dr.-Ing. habil. Khaled Alaluss zusammen, „Wir konnten im Projekt insgesamt nachweisen, dass das Implementieren von Butylkautschuk mit Füllstoffen wesentlich zur EMV-Abschirmung beiträgt und ein Weiterverarbeiten von Sandwichstrukturen, basierend auf implementiertem Butylkautschuk, mittels Laserschweißen und Laserlöten möglich ist.“
Kontakt
PD Dr.-Ing. habil. Khaled Alaluss (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
Dr.-Ing. Hayder Al-Mashhadani
Projektmitarbeiter
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
Ulrich Gerlinger
Geschäftsführer
Isocoll Chemie GmbH – Butylkautschukwerk (Nördlingen)
Dr.-Ing. Christian Deutscher
Projektmitarbeiter
Isocoll Chemie GmbH – Butylkautschukwerk (Nördlingen)