Der Unternehmer Dr. Csaba Singer im Gespräch mit der Transfer
Stellen Sie sich vor, Sie könnten jeden Ort auf der Erde von der Stratosphäre aus oder tiefer mit einem Gerät, das von Wind- und Sonnenenergie getragen wird, analysieren. Stellen Sie sich Internet und Kommunikationsmöglichkeiten auf der ganzen Welt zu weitaus geringeren Kosten und mit weniger Weltraumschrott als mit heutigen Satelliten vor. Stellen Sie sich wirtschaftliche, unbemannte Luftfahrzeuge vor, die jene langen Missionen erfüllen, die heute von bemannten Hubschraubern oder Flugzeugen durchgeführt werden müssen. Dafür sind angepasste, flexible Lösungen notwendig. Dies sind die Herausforderungen, die Dr. Csaba Singer mit seinem unbemannten Flugsystem „h-aero®“ in Angriff genommen hat. Als Experte war er zu Gast beim #techourfuture-Event in Sinsheim und traf sich dort mit der TRANSFER zum Gespräch.
Herr Dr. Singer, mit Ihrem Flugsystem setzen Sie schon heute visionäre Ideen um. Warum ist es aus Ihrer Sicht wichtig, parallel auch die Gesellschaft über Zukunftstechnologien zu informieren und mitzunehmen?
Ähnlich wie Politikverdrossenheit ist Technologieverdrossenheit ein mögliches Hindernis, dass sich neue Technologien verbreiten können. Der Mensch an sich steht Veränderungen kritisch gegenüber, es sei denn, durch eine Neuerung wird etwas wesentlich einfacher. Und genau das muss man meiner Meinung nach zeigen: Dass etwas Neues der Gesellschaft einen Mehrwert bringt und jedem Einzelnen nutzt, das schafft Akzeptanz. Aber dazu ist Aufklärung notwendig, weil neue Technologien häufig eine hohe und nicht für jedermann verständliche Komplexität mit sich bringen.
Welche Vorbehalte gegenüber Zukunftstechnologien begegnen Ihnen im Rahmen Ihrer Arbeit?
Die Vorbehalte unserer eigenen Technologie gegenüber sind nicht das Problem. Wir sehen uns eher mit den Vorbehalten gegenüber der Drohnentechnologie unserer Konkurrenz konfrontiert: Diese Technologie hat etwas Bedrohliches, Drohnen sind laut und es entsteht das Gefühl beobachtet oder ausgespäht zu werden. Dazu kamen zum Teil auch bei #techourfuture in Sinsheim Fragen: Warum dürft ihr überhaupt über Menschen fliegen oder was ist eigentlich der Unterschied eures Fluggeräts zu einer Drohne? Das könnte man als gewisse Voreingenommenheit werten, aber genau dafür haben wir immer Anschauungsmaterial dabei, klären auf und versuchen Ängste zu nehmen.
Begegnet Ihnen auch die bei Drohnen häufig vorhandene Angst, dass man Ihren Träger missbrauchen könnte?
Nein, bisher noch nicht. Für uns selbst ist das aber natürlich ein wesentliches Thema: Wie gestalten wir unsere Vertriebsmodelle, damit wir wissen, wo unsere Träger sind oder wofür sie eingesetzt werden? Es kam schon eher die Frage, ob der Träger abgeschossen werden kann und was dann passiert. Interessanterweise geht es also mehr um die Funktionalität des Trägers und gar nicht darum, was er verursachen könnte. Daran merkt man, dass die Technologie in der Gesellschaft noch nicht ausreichend bekannt ist. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass unsere Technologie von einem Gros der Bevölkerung momentan eher mit einem Kinderballon oder Ähnlichem verglichen wird, anstatt mit einem Satelliten oder einem Trägersystem, das zwischen Satelliten und unbemannten Luftfahrzeugen operieren soll.
Welche Anforderungen erfüllt Ihr Flugobjekt h-aero® heute schon und was sind die Visionen für die Zukunft?
Der h-aero® ist ein Allrounder, weil er unterschiedlichste Nutzlasten tragen kann und in unterschiedlichsten Regionen und Gegebenheiten eingesetzt wird. Momentan konzentrieren wir uns auf industrielle Indoor-Inspektionen und gehen mit Partnern Konzeptprojekte ein. Das System ist in der Lage den Abstand zwischen Personen zu erkennen und in Zeiten der Corona-Pandemie entsprechend mit Lautsprechern zu warnen. Eine andere Einsatzmöglichkeit sind beispielsweise Tankschiff-Inspektionen, bei denen bisher ein Mensch durch eine Luke ins Schiffsinnere klettert und trotz giftiger Dämpfe die Schweißnähte des Tankschiffs inspizieren muss, nachdem das Öl ausgelassen wurde.
Wo wir den h-aero® momentan und wahrscheinlich auch in Zukunft nicht einsetzen würden, wäre bei der Rettung eines Menschen nach einem Lawinenabgang. Dafür ist die Drohne wesentlich wetterfester und dadurch universeller einsetzbar, beispielsweise mit einer Thermalkamera, um thermische Spuren zu erkennen und besser einzugrenzen, wo sich die verschüttete Person befindet.
Wenn man über zukünftige Einsatzmöglichkeiten nachdenkt, dann kann das bis hin zu Satellitentechnik auf niedrigeren Höhen gehen. Die ESA hat über das Copernicus- Programm die Sentinel-Satellitendaten freigegeben. Sie sind für jeden zugänglich, haben zum Teil aber nur eine Pixel-Auflösung von fünf Metern. Unser System bietet da wesentlichen Mehrwert in Sachen Erdbeobachtung. Das kann zum Beispiel ein Buschfeuer, eine Erntevorhersage oder auch Schädlingsbekämpfung im Wald sein. Bei diesen Beispielen zeigt sich auch eines unserer Dilemmata: Wir haben sehr viele Anwendungsmöglichkeiten und bekommen aus jeglicher Richtung Anfragen, müssen uns aber fokussieren. Momentan konzentrieren wir uns auf Events und Medien, damit wollen wir auch die soziale Akzeptanz unserer Technologie direkt fördern. Und wenn dann einmal ein h-aero® über einer Stadt fliegt, ist bestenfalls schon ein gewisser Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung vorhanden.
Da schlagen Sie ja zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie haben einen Use- Case und gleichzeitig auch die Aufmerksamkeit, mit der Sie in der Bevölkerung Akzeptanz schaffen können.
Das machen wir bewusst so, auch wenn wir das Investoren nicht immer gleich vermitteln können. Letztendlich möchten wir verdeutlichen wie wichtig die soziale Akzeptanz ist, um neue Technologien langfristig zu etablieren. Aktuell ein gutes Beispiel ist die Kernenergie. Bei der Etablierung dieser Technologie spielte die soziale Akzeptanz noch keine Rolle. Heute zeigen sich das Resultat und gleichzeitig auch der hohe Stellenwert, den die fehlende soziale Akzeptanz gegenüber den eigentlichen Potenzialen einer Technologie hat. Windkraftanlagen können beispielsweise auch in Städten ein sehr hohes Potenzial haben. Wenn die Stadtbevölkerung die Technologie aber nicht akzeptiert, dann werden am Ende keine Windkraftanlagen gebaut werden. Das politische Engagement ist hier klar an kommenden Wahlen ausgerichtet.
Interessant, dass Sie den Fokus gezielt auf die Akzeptanz setzen. Viele aktuelle Beispiele zeigen, dass die gesellschaftliche Haltung noch nicht als Priorität gesehen wird.
Das liegt auch daran, dass ich meine Promotion am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt geschrieben habe, am Institut für technische Thermodynamik (ITT) und später am Institut für Solarforschung in Stuttgart. Das ITT hat viele Aufträge von der Bundesregierung bekommen, um genau diese Themen Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien und soziale Akzeptanz zu erforschen. Eine Rolle für die hohe Relevanz spielt aber sicher auch, dass es sich bei unserer konkreten Technologie um eine generalistische Technologie handelt – wir schöpfen aus diversen Bereichen der Technik, um ein neues Flugkonzept zu entwickeln.
Wenn Ressourcen keine Rolle spielen: Was wäre eine Erfindung, die Ihnen am Herzen liegen würde?
Wow, das ist eine gute Frage. Spontan wären sicher ein Gerät zum Beamen und das ITER, das Fusionskraftwerk, keine schlechten Ideen. Was den zeitlichen Horizont angeht, würde ich da bei der Lebenserwartung der menschlichen Spezies allerdings nicht davon ausgehen, selbst noch viel davon zu haben. Als junger Gründer würde ich gerne mit unserem h-aero® so weit kommen, dass man diese Träger für ein Zehntel der Kosten der Satellitentechnik einsetzen kann, um Erdbeobachtungen beziehungsweise industrielle Prozesse wesentlich einfacher und kostengünstiger gestalten zu können. Darauf liegt momentan unser Fokus. Die vielen anderen Patente, die ich noch im Kopf habe, will ich erst einmal für mich behalten!
DAS H-AERO®– FLUGSYSTEM
Das unbemannte Flugsystem h-aero® kombiniert die etablierten Flugkonzepte Flugzeug, Hubschrauber und Ballon, eliminiert dabei aber deren Nachteile. Das Flugsystem besteht aus Hightech- Materialien (Faserverbundwerkstoffe, Segeltuch und hochdichte Folien). Mit Solarzellen auf und unter der großen Hülle kann es rund um die Uhr autonome Flugmissionen erfüllen. Im Notfall wirkt die Struktur wie ein Fallschirm. Dr. Csaba Singer hat als Geschäftsführer mit seiner noch jungen aber schon mehrfach ausgezeichneten Hybrid-Airplane Technologies GmbH im zweiten Quartal 2019 die Break-even- Phase erreicht – und das über zivile Märkte. Das Unternehmen gehört zur Initiative #1000Solutions, die vom Luftfahrtpionier Prof. Bertrand Piccard im Rahmen der Solar Impulse Foundation ins Leben gerufen wurde. Die Solar Impulse Foundation folgt den UN Global Goals, um nachhaltig die wesentlichen Probleme weltweit zu bewältigen. In seinem Steinbeis-Transferzentrum Solarthermische Energiesysteme bietet Csaba Singer ergänzend solarthermische Anlagenentwicklung, gesamtheitliche energetische Betrachtung, computergestützte Komponentenentwicklung und Unternehmenscoaching, Seminare sowie Vorträge zur Solarthermie.
Kontakt
Dr.-Ing. Csaba Singer (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Transferzentrum Solarthermische Energiesysteme (Baden-Baden)