Steinbeis-Team entwickelt gesundheits- und umweltfreundliche Verarbeitungs- und Anlagentechnologie zur Herstellung von Schweißpulvern
Einen ersten Meilenstein in ihrer Entwicklungskooperation erreichten das Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation in Dresden und die Bavaria Schweißtechnik GmbH in Unterschleißheim schon 2016: Damals entwickelte das Projekt-Duo ein produktionssicheres Verfahren für das Unterpulver-Schweißen von dickwandigen Aluminium-Bauteilen. Mit diesem Verfahren konnten Pulverrezepturen im Labormaßstab entwickelt werden, die Aluminium-Legierungen reproduzierbar mit bis zu Faktor acht größeren Abschmelzleistungen verschweißen konnten. Nachteile des Verfahrens waren Rezepturbestandteile, die sowohl gesundheitsbelastend für das Bedienpersonal waren, als auch erhöhte Umweltbelastungen sowie eine starke Korrosion an Apparaturen und Anlagen verursachten. Grund genug für die Kooperationspartner diese Schwächen in einer Weiterentwicklung des Verfahrens im Rahmen eines vom Bund geförderten ZIM-Projekts auszumerzen.
Das Ziel des Projekts: Die Entwicklung und Umsetzung einer bediener- und umweltfreundlichen Herstellungs- und Anlagentechnik zur prozesssicheren Herstellung von Schweißpulvern für das Aluminium-Unterpulver-Schweißen. Innovativer Ansatz dazu war ein Ein-Raum-Reaktor-Konzept, in dem alle wesentlichen Teilprozesse für das Fertigprodukt „Schweißpulver“ in einem abgeschlossenen Reaktorvolumen vollautomatisch ablaufen, ohne dass Bediener und Umwelt durch Emissionen gefährdet werden. Der Bedarf am Markt ist vorhanden, nimmt doch die Bedeutung von Leichtmetallen, insbesondere für dickwandige Aluminium-Bauteile, stetig zu.
CHEMISCH AGGRESSIVE MATERIALIEN UND EMISSIONEN AUS DER VERARBEITUNG
Grund für die Nachteile der bisherigen Pulverrezepturen sind chemisch aggressive und abrasive Rezepturanteile. Sie machen eine Verarbeitung der Pulverrezepturen in den bisherigen Produktionsräumen unmöglich: Emissionen und mechanisch-chemische Beanspruchungen aus der Verarbeitung des Pulvergemisches verunreinigen und schädigen die Eisenwerkstoffe der Anlagentechnik dermaßen, dass die geforderte Verarbeitungsqualität nicht mehr gegeben wäre. Dieses Gefährdungspotenzial führte dazu, dass das Projektteam eigene Produktionsräume für die Herstellung des Schweißpulvers schuf, um die unverträglichen Schweißpulver örtlich streng getrennt zu bearbeiten. Wesentlich war daneben aber auch eine Herstellungstechnologie zu entwickeln, die für Mitarbeiter, Anlagen und Umwelt absolut sicher ist, sowie eine Anlagentechnik, mit der praktisch ohne jegliche Emissionen ein gebrauchsfertiges, qualitativ hochwertiges Produkt hergestellt werden kann.
EIN-RAUM-REAKTOR-PRINZIP UND PLASMA-PULVERBESCHICHTUNG ALS SCHUTZMASSNAHMEN
Dieser Herausforderung nahm sich das Team aus Steinbeis- und Bavaria Schweißtechnik-Experten an. Das Schweißpulver beim Aluminium-Unterpulver-Schweißen besteht aus einem Materialgemisch aus verschiedenen Mineralien, Salzen, Chloriden und Fluoriden und stellt dadurch ein hohes gesundheitliches Risiko für die Bediener sowie eine hohe Umweltbelastung dar. Insbesondere die chlorid- und fluoridhaltigen Bestandteile sind chemisch aggressiv. Deshalb sollten besondere Vorsichtsmaßnahmen bei der Pulverherstellung getroffen werden, beispielsweise die Anwendung des Ein-Raum-Reaktor-Prinzips. Bei diesem Prinzip laufen alle wesentlichen Herstellungsschritte in einem geschlossenen Behälter ab, damit wird der Kontakt zur Umwelt und zum Anlagenbedienpersonal weitestgehend vermieden. Diese Herstellungsschritte umfassen die Rohstoffzugabe, das Zerkleinern, Mischen, Agglomerieren (Bindemittelzugabe) und die Wärmebehandlung (Trocknen). Erst nach diesen Schritten wird das Pulvergemisch in eine Siebstrecke entleert.
Die chemische Aggressivität und die abrasive Wirkung beim Zerkleinern/Mischen der Pulverbestandteile führen zu hoher Korrosion und Verschleiß der Anlagenkomponenten. Deshalb haben die Steinbeis-Experten die Oberflächen der einzelnen Komponenten des Ein-Raum-Reaktors plasmapulverbeschichtet. Dazu verwendeten sie verschleiß- und korrosionsbeständige Eisen-, Nickel- und Kobaltbasislegierungen als Matrixwerkstoff mit eingebettetem Hartstoffanteil in Form von Vanadiumkarbid. Mehrere Materialkombinationen und Pulvergemische wurden untersucht und getestet.
FUNKTIONSKOMPONENTEN IM TEST
Mit verschiedenen Tests fanden die Projektpartner die geeignete Materialkombination als Schutzschicht heraus und bewerteten das Korrosions- und Abrasionsverhalten der Materialien. Als Korrosionsmedium kam eine speziell angefertigte Lösung aus Elektrolyten aus den chlorid- und fluoridhaltigen Hauptbestandteilen der Pulverrezeptur zum Einsatz. Die Funktionskomponenten der Pilotanlage wurden auf Basis des werkstofflichen und technisch-konstruktiven Konzepts erarbeitet, sie umfassen den Behälter und das Stift-Stirn-Wirbler-Mischwerkzeug. Die beiden Komponenten kommen bei der Herstellung mit dem Schweißpulver in Kontakt, daher wurden deren Funktionsoberflächen gegen Verschleiß- und Korrosionsbeanspruchungen plasmapulverbeschichtet. In einem Umform- und Pressvorgang wurde anschließend das plasmapulverbeschichtete Rohrsegment auf die geforderte Rundung und Formabmessungen rundgepresst. Die beschichtete Rohrhülse wurde mit Stickstoffgas gekühlt, der Behältergrundkörper dagegen erwärmt, sodass die beiden Teilkomponenten formschlüssig miteinander verbunden wurden und keine Risse in den Schichten und am Grundkörper auftraten.
Die zweite Funktionskomponente der Pilotanlage – das Mischwerkzeug und seine Stifte – wurde additiv im 3D-Mikro-Plasma-Auftragschweißen gefertigt. Dazu wurde eine vorgewärmte, 15 mm starke Stahlplatte als Grundsubstrat verwendet, auf der das Bauteil in Mehrlagentechnik auftraggeschweißt wurde. Anschließend wurde das Grundsubstrat vollständig mechanisch entfernt, die Mischwerkzeug-Grundplatte sowie die Stifte wurden aus den generativ geschaffenen „Schichten“ gefräst. Dadurch konnte nicht nur eine wesentlich höhere Standzeit der Funktionskomponenten der Pilotanlage erreicht werden, auch eine reproduzierbarere und sicherere Herstellung der Schweißpulver ohne Umschütten in andere Anlagen und getrennt von Bedienpersonal und Umwelt ist nun möglich.
Mit systematischen Versuchen hat das Projektteam die entwickelte Ein-Reaktor-Pilotanlage auf Herz und Nieren prozesstechnisch erprobt und evaluiert: Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Gesamtpilotanlage wurden überprüft, verfahrenstechnische Operationen im Hinblick auf Schäden an den Schutzschichten überwacht und die Funktionen der Peripherieeinrichtungen hinsichtlich ihrer Schutzwirkung gegen Staub und Emissionen analysiert. Und das Ergebnis bestätigte das Projektteam: Die angestrebte Funktionalität der Ein-Raum-Reaktor-Pilotanlage zur Herstellung von Schweißpulvern fürs Aluminium-Unterpulver-Schweißen konnte erfolgreich nachgewiesen und ihre praktische Anwendung demonstrativ gezeigt werden.
Kontakt
PD DR.-ING. Habil. KHALED ALALUSS (Autor)
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
PROF. DR.-ING. GUNNAR BÜRKNER
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
DR. JUR. LARS KULKE
Steinbeis-Unternehmer
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
DR.-ING. HAYDER AL-MASHHADANI
Projektmitarbeiter
Steinbeis-Innovationszentrum Intelligente Funktionswerkstoffe, Schweiß- und Fügeverfahren, Exploitation (Dresden)
HUBERT LETTNER
Geschäftsführer
Bavaria Schweißtechnik GmbH (Unterschleißheim)