Steinbeis-Studie in Zusammenarbeit mit der Universität Kiel untersucht den Verbleib von Spin-offs am Markt
Als unternehmerisch orientierte Ableger der Wissenschaft haben es akademische Spin-offs nicht leicht: Es fehlen oft die Ressourcen und Kontakte zu wichtigen Partnern oder das Geschäftsmodell ist unklar definiert. Wie kann also deren Überlebenswahrscheinlichkeit im Markt gesteigert werden? Diese Frage haben sich Prof. Dr. habil. Achim Walter, Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums COMMIT und Inhaber des Lehrstuhls für Gründungs- und Innovationsmanagement an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, und Monika Sienknecht, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl, gestellt und in einer Studie im Steinbeis-Verbund untersucht.
In der Wirtschaft werden die akademischen Neuankömmlinge oftmals mit Skepsis wahrgenommen und das obwohl zahlreiche Beispiele bereits eindrucksvoll belegen, dass kluge und zudem unternehmerisch orientierte Köpfe aus Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen hierzulande tatkräftig mithelfen, den technologischen und wirtschaftlichen Anschluss an den Rest der Welt zu halten. Als Neulinge in ihren Märkten verfügen die jungen Unternehmen zumeist über wenig Ressourcen und nur schwache Beziehungen zu wichtigen Netzwerkpartnern, wie zum Beispiel Kunden, Zulieferern, Finanzgebern und Mitarbeitern. Dabei sind genau diese Partner entscheidend für die Erschließung überlebenswichtiger Ressourcen. Die Entrepreneurship-Literatur spricht hier von der sogenannten Liability of Newness (Stinchcomb, 1965; Hannan & Freeman, 1984).
Aber auch wenn wissens- und technologiebasierte Ausgründungen gute Startbedingungen für erste Geschäftstätigkeiten vorfinden, wie zum Beispiel öffentliche Fördermittel, günstige Lizenzen der Mutterorganisation oder Sach- und Finanzeinlagen, Lead-User, Technologie- und Gründerzentren als „Geburtshelfer“ oder persönliche Beziehungen zur Industrie, ist das noch kein Garant für das Überleben nach einem erfolgreichen Markteintritt. Das in der Literatur als Liability of Adolescence (vgl. Brüderl & Schüssler, 1990) umschriebene Phänomen besagt, dass die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einer Gründung zunächst abnimmt und erst im weiteren Geschäftsverlauf wieder steigt. So ist ein komfortabler Ressourcenvorsprung bei noch unklaren Geschäftsmodellen schnell aufgebraucht. Hinzu kommen häufig noch unausgereifte Arbeitsorganisationen, Führungsstrukturen und Arbeitsroutinen oder es mangelt an einer klaren Zielgruppenabgrenzung für den Aufbau einer Reputation in der gewählten Branche. Diese Hindernisse können das „verzögerte“ Aus für die noch „jugendlichen“ Unternehmen bedeuten.
Aber was erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit von technologie- und wissensbasierten Spin-offs und sichert deren Verbleib in Märkten angesichts einer Liability of Newness und Liability of Adolescence? Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage haben Achim Walter und Monika Sienknecht sich an der Upper Echelon Theory (siehe Hambrick & Mason, 1984) und an Arbeiten zum Innovation Championing (zum Beispiel Balven et al., 2018; Walter et al. 2011) orientiert. Gemäß der Upper Echelon Perspektive vollziehen Führungskräfte ihre strategischen Auswahlentscheidungen (zum Beispiel die Realisierung von Produktinnovationen, Akquisitionen, Kapitalaufstockungen und die Einführung neuer Produktionstechnologien) basierend auf ihren spezifischen Erfahrungen, Einstellungen und Wertesystemen. „Wir vermuten, dass akademische Gründer aus Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen durch ihreErfahrungen im Rahmen von kooperativen Forschungs- und Entwicklungsprojekten jene spezifischen Kompetenzen erwerben oder weiter ausbauen, die das besondere Verhalten eines Innovation Champions begünstigen“, so Achim Walter.
INNOVATION CHAMPIONING
Innovation Champions sind Personen, die innerhalb ihres Unternehmens Ideen für neuartige Produkte aufgreifen und zum Leben erwecken. In Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen und Hochschulen wird diese Rolle oft von unternehmerisch orientierten (ehemaligen) Wissenschaftlern übernommen, die sich schon in der Mutterorganisation tatkräftig für den Transfer einer Technologie und dessen Kommerzialisierung eingesetzt haben. Mittels Innovation Championing leisten die akademischen Gründer darüber hinaus auch einen entscheidenden Beitrag zur strategischen Entwicklung eines Spin-offs, indem sie die für das Innovationsvorhaben kritischen Ressourcen identifizieren, anhand von Pilotprojekten erstes Vertrauen aufbauen und damit benötigte Ressourcen bei externen Partnern (zum Beispiel Kunden, Lieferanten, Wirtschaftsförderern) mobilisieren sowie Prioritäten für deren Verwendung setzen. Innovation Championing heißt, sich von Anfang an für ein Innovationsvorhaben aktiv und enthusiastisch einzusetzen und es gegen Widerstände bis hin zur Implementierung voranzutreiben. Hierfür sind Innovation Champions bereit, gewisse Risiken einzugehen und nicht zuletzt auch ihren guten Namen für die Sache einzusetzen. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Identifikation und Erschließung von Marktnischen, zum Auf- und Ausbau von Kompetenzen im Entwicklungsbereich ihrer Unternehmen und zur Gestaltung strategischer Handlungsfelder (zum Beispiel das Bilden strategischer Allianzen). Darüber hinaus nehmen Innovation Champions auch eine Vorbildfunktion ein und prägen durch ihr sichtbares Verhalten das soziale Arbeitsumfeld, in dem sie tätig sind.
AKADEMISCHE ENTREPRENEURE IM STEINBEIS-VERBUND: STUDIENERGEBNISSE
Als Teil einer groß angelegten Studie zu akademischen Entrepreneuren im Steinbeis-Verbund wurden die Daten zu rund 150 Steinbeis-Unternehmen ausgewertet und das Innovation Championing ihrer Gründer mit der Überlebensdauer der Spin-offs in Beziehung gesetzt. Im Schnitt waren die Unternehmen zum Zeitpunkt der Befragung fünf Jahre alt, hatten sechs Mitarbeiter und waren überwiegend in den Branchen Maschinenbau (51%), Biotechnologie (44%) und Elektrotechnik (22%) (Mehrfachnennungen möglich) tätig. Rund 3/4 der Spin-offs wiesen noch nach zehn Jahren aktive Geschäftstätigkeiten auf. „Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen, deren Gründer die Rolle eines Champions einnehmen, mit einer etwa 6% höheren Wahrscheinlichkeit noch am Markt aktiv sind, ceteris paribus“, fasst Monika Sienknecht zusammen. Für die Wirksamkeit des Innovation Championings ist zudem entscheidend, wie gut sich die betreffenden Personen vernetzt haben. Insbesondere die Beziehung zu Mutterorganisationen, in denen die akademischen Gründer in Forschung und Lehre tätig sind oder waren und mit denen eine direkte Zusammenarbeit besteht, nehmen Einfluss auf die Wirksamkeit des Championings. So verdoppelt sich die Wirksamkeit des Championings auf die Wahrscheinlichkeit im Markt zu verbleiben, wenn die betreffenden Gründer gleichzeitig im engen Austausch mit ihren Hochschul- beziehungsweise Forschungsorganisationen stehen.
Mit Blick auf erfolgreiche regionale Wirtschaftsentwicklungen und produktive Rückkopplungseffekte tun Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen daher gut daran, wenn sie ihren Mitarbeitern bei der Umsetzung von wissenschaftsbasierten Innovationsideen fördernd zur Seite stehen. Akademischen Entrepreneuren fällt es dann erheblich leichter, über ihr Verhalten als Innovation Champions Vertrauen und Commitment bei internen und externen Innovationspartnern nachhaltig aufzubauen.
„GRÜNDER SIND BESONDERE PERSÖNLICHKEITEN“
Im Gespräch mit Prof. Dr. habil. Achim Walter und Monika Sienknecht
In Ihrem Beitrag gehen Sie auf einige Stolpersteine ein, mit denen akademische Spin-offs konfrontiert werden. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Spin-offs aus Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen langfristig überleben?
Achim Walter:
Die empirischen Studien hierzu sind schwer zu vergleichen. Grundsätzlich fallen die ermittelten Überlebensraten im Vergleich zu herkömmlichen Unternehmensgründungen erstaunlich hoch aus. Meiner Einschätzung nach schaffen es mindestens die Hälfte. Das hängt auch stark von der jeweiligen Branche ab und dem damit verbundenen finanziellen Aufwand, der für die Durchsetzung einer Technologie betrieben werden muss. Internationale Studien und auch unsere eigenen bestätigen jedenfalls eine hohe Überlebensrate akademischer Spin-offs, die betrachtet über zehn Jahre seit Gründung der Unternehmen um die 70% schwankt.
Monika Sienknecht:
Zudem fallen Unternehmensgründungen sehr heterogen aus. Verglichen mit Corporate Spin-offs, deren Gründung aus einem Unternehmen heraus erfolgt, haben akademische Spin-offs zum Beispiel etwas geringere Überlebenschancen. Das liegt unter anderem an den diverseren Beziehungsnetzwerken ihrer Mutterorganisation, in die Corporate Spin-offs praktisch „hineingeboren“ werden. Umso wichtiger ist es für akademische Spin-offs mit ihren Mutterorganisationen in stetigem Austausch zu bleiben.
Also stehen die Chancen für akademische Spin-offs, am Markt zu überleben, grundsätzlich gar nicht so schlecht?
Achim Walter:
Das stimmt, allerdings muss man berücksichtigen, dass forschungsbasierte Spin-offs nicht selten mit Hilfe von Fördermitteln an den Start gehen. Zudem erfolgt die Gründung eines Spin-offs meist wohl überlegt, das heißt nicht aus irgendeiner Notlage heraus, sondern vor dem Hintergrund einer überlegten, positiven Markteinschätzung. Für akademische Gründer gibt es vielerorts beratende Unterstützung, die angehende Entrepreneure gut auf ihre Selbstständigkeit vorbereitet. Im Fall schlechter Erfolgsaussichten wird ihnen abgeraten und auch keine Förderung zugesprochen. Dieser mehrstufige, auf das Erkennen eigener Stärken und Schwächen gerichtete Beratungsprozess führt oftmals bereits vor einer Gründung zu einer klaren Selbsteinschätzung und beugt damit späteren Enttäuschungen vor.
Monika Sienknecht:
Darüber hinaus muss man sehen, dass akademische Spin-offs häufig wahre Experten auf ihrem Gebiet sind, die mit ihrer explorativen Ausrichtung bewusst Marktnischen besetzen. Mit dieser Positionierung gelingt es ihnen, sich vor allzu starker Konkurrenz durch etablierte Unternehmen zu schützen.
Sie beziehen sich bei der Verortung Ihrer Studie auf eine Theorie, die den Entscheidungen sogenannter Schlüsselpersonen wie Gründer oder CEOs eine enorme Bedeutung für das Überleben eines Unternehmens zuschreibt. Inwiefern können denn akademische Gründer beeinflussen, ob ihr Unternehmen langfristig Bestand hat?
Achim Walter:
Gründer sind besondere Persönlichkeiten. Mit ihren Verhaltensweisen und strategischen Ausrichtungen prägen sie ihre Unternehmen, das heißt sie hinterlassen eine Art Fußabdruck, der noch nach Jahren Wirkung entfaltet. Gründer geben anfangs die Richtung der Unternehmensentwicklung vor, die sich mehr und mehr in Arbeitsroutinen niederschlägt, die dann von Mitarbeitern übernommen und weitergegeben werden.
Wie aber kommt es, dass manche akademischen Unternehmer als Innovation Champions agieren und andere nicht?
Achim Walter:
Die besonderen Eigenschaften eines Innovation Champions finden wir vielleicht bei einem Drittel der Personen, die dafür grundsätzlich in Frage kommen. Eine Kombination aus Leistungsorientierung und Machbarkeitsdenken sowie eine ausgeprägte Selbststeuerung gehören sicherlich mit zu den hervorstechendsten persönlichen Eigenschaften eines Innovation Champions. Diese besondere Verhaltensweise kann also nicht von jeder Person erwartet werden, selbst wenn sie rein formal mit zur Stellenbeschreibung oder Jobanforderung gehört.
Gibt es aus Sicht der Forschung bereits Erkenntnisse dazu, was speziell akademische Gründer prägt?
Monika Sienknecht:
Die bisherigen Erkenntnisse lassen vermuten, dass akademische Gründer vor allem durch Personen in ihrem sozialen Umfeld geprägt werden, deren Einfluss sie in sogenannten „Orientierungsphasen“ ausgesetzt sind. Solche Orientierungsphasen umfassen die Vorbereitung auf den Beruf. Wir wissen heute beispielsweise, dass die unternehmerische Ausrichtung von Doktoranden und Post-Doktoranden wesentlich durch Schlüsselpersonen geprägt wird.
Was heißt das für die Auswahl und Schulung von angehenden, akademischen Entrepreneuren?
Monika Sienknecht:
Nicht selten setzen sich unternehmerisch orientierte Wissenschaftler schon während ihrer Tätigkeit in einer Forschungseinrichtung oder Hochschule für den Technologietransfer ein. Angehende akademische Gründer können anhand solcher Verhaltensweisen identifiziert und durch spezifische Trainings gefördert werden.
Achim Walter:
Eine Politik, die mehr akademisches Unternehmertum an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sehen möchte, sollte unserer Meinung nach daher gezielt Mittel für den Erwerb persönlicher Kompetenzen einsetzen, die Innovation Champions auszeichnen.
Kontakt
Prof. Dr. habil. Achim Walter (Autor)
Leiter
Steinbeis-Beratungszentrum COMMIT (Kiel)
Monika Sienknecht (Autorin)
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Lehrstuhl für Gründungs- und Innovationsmanagement, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (Kiel)
Literatur
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Balven, R., Fenters, V., Siegel, D., & Waldman, D. (2018): Academic Entrepreneurship: The Roles of Identity, Motivation, Championing, Education, Work-Life Balance, and Organizational Justice. Academy of Management Perspectives, 32(1), 21-42.
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Brüderl, J.; & Schüssler, R. (1990): Organizational Mortality: The Liabilities of Newness and Adolescence, Administrative Science Quarterly, 35(3): 530-54.
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Hambrik, D. C., & Mason, P. A. (1984): Upper Echelons: The Organization as a Reflection of its Top Managers. Academy of Management Review, 9(2), 193-206.
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Stinchcombe, A. (1965): Social Structure and Organizations. In: J. MARCH (Ed.), Handbook of Organization. Chicago: Rand McNally, 142–193.
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Walter, A., Parboteeah, K. P., Riesenhuber, F., and Högl, M. (2011): Championship Behaviors and Innovation Success. An Empirical Investigation of University Spin-Offs. Journal of Product Innovation Management, 28 (4), 586-598.