Im Gespräch mit Prof. Dr. Konrad Zerr, Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Marketing – Intelligence – Consulting
Welchen Mehrwert bietet eigentlich Marketing Intelligence? Und wie verändert die Digitalisierung die Arbeitsweisen im Marketingbereich? Darüber hat sich die TRANSFER mit Prof. Dr. Konrad Zerr, Leiter des Steinbeis-Beratungszentrums Marketing – Intelligence – Consulting, unterhalten. Er ist Marketing-Profi und Experte auf dem Gebiet der Informations- und Datensicherheit. Im Oktober wurde er mit seinem Steinbeis-Unternehmen als „herausragender Sicherheitsberater 2019“
mit dem Outstanding Security Performance Award ausgezeichnet.
Herr Professor Zerr, 2006 haben Sie Ihr Steinbeis-Beratungszentrum gegründet, wie hat sich Ihr Dienstleistungsangebot im Laufe der Zeit verändert? Welche technischen, technologischen, aber auch gesellschaftlichen Entwicklungen haben Ihre Arbeit beeinflusst?
Mit einem kleinen Augenzwinkern gesagt: Wir waren bereits 2006 mit unserem Dienstleistungsangebot hochaktuell. Insoweit waren bis heute keine grundlegenden Veränderungen notwendig. Nein, im Ernst: Aufgrund unserer von Anfang an starken Spezialisierung des Angebots auf Themen der Informations- und Datensicherheit sind wir nach wie vor „am Puls der Zeit“. Das Thema hat in den vergangenen Jahren noch mehr an Bedeutung gewonnen. Hintergrund sind die gravierenden technologischen aber auch gesellschaftlichen Veränderungen. Digitalisierung, Big Data, Industrie 4.0, künstliche Intelligenz sind ohne Informationssicherheit nicht denkbar. Dabei spielen nicht allein technische Lösungen eine Rolle, denn die Sicherheit fängt in den Köpfen der Menschen an. Wir bieten Lösungen, um das Sicherheitsbewusstsein von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die „Security Awareness“ in Unternehmen zu erfassen und darauf basierend interne Marketing- und Qualifikationsmaßnahmen zu entwickeln, um dieses zu steigern.
Welche Rolle spielt Marketing für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung?
Im Zuge der Digitalisierungsprozesse hat sich die Rolle des Marketings in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt und wird sich auch weiter anpassen müssen. In manchen Unternehmen entstehen neue Rivalitäten zwischen dem Chief Information/Digital Officer und dem Chief Marketing Officer. Wer hat im Zeitalter der Digitalisierung mit Blick auf die Kunden-Unternehmen-Schnittstelle tatsächlich den „Hut auf“? Das Marketing darf sich hier – auch und gerade im Interesse der Unternehmen – nicht in die zweite Reihe stellen lassen. Seine Kompetenz, „Kundenempathie“ zu entwickeln, sich in die Lebenswelten, Sehnsüchte und Bedürfnisse der Kunden hineinzuversetzen und dieses Wissen auch in interne Prozesse des Unternehmens einzubringen, ist auch zukünftig unabdingbar. Und in einer durch Unsicherheiten geprägten Welt werden Unternehmen sich nur dann positiv weiterentwickeln können, wenn sie auch nach außen Vertrauen schaffen, Versprechen einlösen und dem Kunden Werte liefern. Das liegt in der Verantwortung des Marketings! Um dieser in der digitalen Welt gerecht werden zu können, bedarf es jedoch auch neuer Kompetenzen, Prozesse, Tools und Ansätze. Das überkommene „4-P“-Denken – Product, Price, Place, Promotion – reicht nicht mehr.
Zu Ihren thematischen Schwerpunkten gehört Marketing Intelligence: Was versteht man darunter und wie können Unternehmen davon profitieren?
Einfach ausgedrückt geht es bei Marketing Intelligence darum, im Unternehmen Kompetenzen und Prozesse zu etablieren, die helfen Marktprozesse besser zu verstehen und darauf basierend „intelligentere Marketingentscheidungen“ zu treffen. Dazu gehören Fragen der Marketingorganisation, wie beispielsweise die Agilität und das „Lernvermögen“ des Marketings weiterentwickelt werden können. Aber auch Fragen der digitalen Technologie beziehungsweise technischen Infrastruktur im Marketing spielen hier mit rein: Wie können zum Beispiel künstliche Intelligenz und Verfahren der Data Science helfen, bessere oder sogar automatisierte Marketingentscheidungen zu treffen. Und schließlich betrachtet Marketing Intelligence auch Fragen der dazu notwendigen menschlichen Kompetenzen in den Unternehmen. Ein Mindestmaß an technischen und analytischen Fähigkeiten ist unabdingbar, um erfolgreich Marketing betreiben zu können.
Um es nochmals in anderen Worten auf den Punkt zu bringen: Das Verständnis von Marktprozessen basiert auf der Sammlung, Auswertung und Interpretation interner wie externer Daten. Marketing Intelligence hilft genau dabei: Es unterstützt Unternehmen, die im Zeitalter der Digitalisierung exorbitant gestiegenen Datenmengen sinnvoll für intelligenteres Marketing zu nutzen.
Die Digitalisierung bringt neue Anforderungen und neue Arbeitsweisen auch im Marketingbereich: Was sind dabei die größten Herausforderungen aber auch Chancen für Unternehmen?
Einige der Herausforderungen für das Marketing hatte ich bereits angesprochen: Die Rolle des Marketings verändert sich und muss sich neu finden. Das interne Verhältnis zum Chief Information/Digital Officer ist neu auszubalancieren. Interdisziplinäres und agiles Denken ist dabei unerlässlich. Digitale Kompetenzen und geeignete informationstechnologische Infrastrukturen sind neu aufzubauen. Mit Blick auf das Selbstverständnis des Marketings sollte es sich jedoch auf seine „Ursprungsidee“ zurückbesinnen: Gutes Marketing hat immer und in erster Linie im Blick, ob und wie das Unternehmen „Wert für die Kunden“ generiert. Denn nur so können auch Werte für das Unternehmen geschaffen werden. In dieser „Wert für den Kunden“-Perspektive liegt die zentrale Stärke des Marketings.
In diesem Zusammenhang sehe ich persönlich eine zentrale Herausforderung und gleichzeitig auch eine der größten Chancen in der Kontextualisierung des Marketings und der den Kunden vermittelten Wertangebote. Die Digitalisierung bietet bisher ungeahnte Möglichkeiten, durch den Einsatz von Sensortechnologien, Tracking-Verfahren etc. die Kontextsituation, in der ein Kunde eine Leistung in Anspruch nimmt oder mit dem Unternehmen interagiert, zu erfassen und zu verstehen. Wertangebote können so ganz spezifisch auf eine individuelle Situation hin in Echtzeit gesteuert werden. Diese Entwicklung nennt man „Value in Context“.
Dies macht auch deutlich: Die zentralen Chancen der Digitalisierung liegen nicht oder zumindest nicht ausschließlich in Effizienzsteigerungen für die Unternehmen sondern, richtig eingesetzt, insbesondere in der Schaffung neuer, kundenorientierter und für die Kunden wertschaffender Angebote.
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Prof. Dr. Konrad Zerr (Autor)
Leiter
Steinbeis-Beratungszentrum Marketing – Intelligence – Consulting (Achern)